Analyse

E-Books auf dem Weg zum Massenmarkt?

8. September 2011
von Börsenblatt
Elektronische Bücher führen trotz offensichtlicher Vorteile weiterhin ein Nischendasein. Neben den hohen Preisen von Readern und E-Books ist dafür auch das Format-Wirrwarr der Hersteller verantwortlich. Meint Ralf Biesemeier, Geschäftsführer des Spezialisten für E-Book-Herstellung und -Distribution readbox in Dortmund.

Viele große Marken wie Apple, Amazon oder Google drängen mit E-Books sehr aggressiv auf den Markt und treiben die Entwicklung der elektronischen Bücher voran. Inzwischen geht die Anzahl der verfügbaren Titel bereits in die Hunderttausende. In den USA ist der E-Book-Markt Deutschland weit voraus und hat dort bereits letztes Jahr die Eine-Milliarde-Dollar-Marke beim Umsatz überschritten. Amazon USA hatte Ende des Jahres 2010 bereits mehr 
E-Books als echte Bücher verkauft.

Hierzulande sind die Verkaufszahlen deutlich geringer: Laut den aktuellen GfK-Zahlen machen die elektronischen Bücher in Deutschland gerade mal einen Anteil von 0,5 Prozent am gesamten Buchmarkt aus – das entspricht nur rund 21 Millionen Euro. E-Books gehören jedoch zu den am stärksten wachsenden Segmenten der Branche: Laut einer aktuellen Analyse von PriceWaterhouseCoopers geht man von einem Wachstum von jährlich 77 Prozent aus.


Großes Format-Wirrwarr bremst die Euphorie
Für die Kaufzurückhaltung der Deutschen sind nicht nur die relativ hohen Preise von Readern und E-Books verantwortlich. Der Markt ist verunsichert, denn es herrscht eine große Verwirrung bei den E-Book-Formaten. Viele proprietäre, zueinander inkompatible Systeme und Formate buhlen um die Gunst des Kunden und niemand möchte sich einen E-Book-Reader kaufen, der in einem halben Jahr schon wieder veraltet oder für den der Lieblings-Buchtitel nicht verfügbar ist.

Das Angebot wird von verschiedenen Unternehmen beherrscht: Platzhirsch ist Amazon, das rund ein Drittel des Marktes ausmacht. Der Online-Händler setzt auf ein proprietäres Format ("azw"), das nur vom hauseigenen E-Book-Reader "Kindle" und per App auf Smartphones sowie Tablets gelesen werden kann. In Konkurrenz dazu steht das ePUB-Format, das von so gut wie allen anderen Anbietern verwendet wird.

Leider ist ePUB nicht gleich ePUB: Verschiedene Reader interpretieren das Format sehr unterschiedlich, und es kann große Unterschiede bei der Darstellung geben. Einige Hersteller wie Apple haben dem ePUB-Format zudem eigene Weiterentwicklungen spendiert, die wiederum nur von den eigenen Produkten lesbar sind. Der Nachfolger ePUB3 steht ebenfalls bereits in den Startlöchern. Es gibt noch weitere kleine Formate, die aber zusehends vom Markt verschwinden.


Permanente Verfügbarkeit und viel Komfort
Trotz des Format-Wirrwarrs sind die Vorteile von E-Books nicht von der Hand zu weisen: Sie bieten – das entsprechende Lesegerät mit elektronischer Tinte vorausgesetzt – denselben Lesekomfort wie ein gedrucktes Buch. Ein großer Vorteil von E-Books ist jedoch ihre permanente Verfügbarkeit. Die Zeiten, in denen man den E-Book-Reader mit dem Computer verbinden und die Bücher umständlich auf das Gerät spielen musste, sind schon lange vorbei. Amazons Kindle mit UMTS-Funktion ist in der Lage, über das Mobilfunknetz ("Whispernet") die Buchtitel direkt über den Shop auf das Gerät zu laden – in über 100 Ländern weltweit zu jeder beliebigen Tageszeit. Diese permanente Verfügbarkeit gibt es auch bei Apple, wo man über den iBookstore die gewünschten Titel direkt auf sein Gerät laden kann.

Im Gegensatz zu einem gedruckten Buch können E-Books auch mit multimedialen Inhalten angereichert werden. Die Reader bieten darüber hinaus weitere hilfreiche Funktionen: Kapitel, Fußnoten oder Stichwortverzeichnisse lassen sich durch einen Klick auswählen. Über eine Suche kann sich der Leser zudem Textstellen frei im Buch anzeigen lassen. Anmerkungen können hinzugefügt und mit anderen Nutzern geteilt werden. Oftmals wird auch ein elektronisches Wörterbuch oder ein Zugang zur Online-Bibliothek Wikipedia integriert. Video- und Audioelemente (Hörbücher) sowie interaktive Funktionen geben dem E-Book einen besonderen Nutzen, der in einem gedruckten Buch so nicht möglich ist. Es wird zudem mit Hochdruck an Farb-Displays mit elektronischer Tinte gearbeitet, welche eine höhere Reaktionszeit ermöglichen und gleichzeitig besser ablesbar als TFT-Anzeigen sind.

Wenn E-Book-Reader und E-Books günstiger werden, und eines Tages das Format-Wirrwarr verschwindet, werden die elektronischen Bücher auch hierzulande reif für den Massenmarkt sein.