Bücher zum Alter

Lachmuskeln statt Rettungsring

11. September 2011
von Börsenblatt
Alt werden - das ist weniger eine Frage der Lebensjahre als eine Frage der Haltung. Dieser Tenor zieht sich nicht nur durch die Altersforschung, sondern auch durch viele neue Bücher zum Thema. Bierernst geht es dabei selten zu.
Früher zwei Stufen auf einmal, manchmal sogar drei ... Heute fünf Stufen, langsam nacheinander, dann zehn Sekunden Pause, dann wieder fünf Stufen ...«: Die Erfahrung von Joachim Fuchsberger kommt so manchem nur allzu vertraut vor. »Altwerden ist nichts für Feiglinge« hat der Schauspieler und Talkmaster seine persönliche Zustandsbeschreibung überschrieben, die sich seit dem Frühjahr verkauft wie warme Semmeln. Im Oktober bringt das Gütersloher Verlagshaus sein Buch nun als Audio-CD heraus – von Fuchsberger selbst eingelesen. Launig und charmant, wie »Blacky« nun mal ist, erzählt er, wie es ist, wenn sich das Verhältnis von Kraft und Zeit mehr und mehr verschiebt, wenn die Falten mehr werden, die Haare weniger.
Das Thema trifft den Nerv der Zeit, denn die deutsche Gesellschaft altert. Nach Prognosen der Schader-Stiftung wird 2050 jeder Dritte im Land 60 Jahre und älter sein. Die ewig jungen Jugendrebellen der 1960er und -70er Jahre hat die Realität bereits kalt erwischt, die Devise »forever young« entpuppt sich als Illusion – obwohl auch das gängige Bild vom gebrechlichen Greis auf dem Altenteil nichts mit der Selbstwahrnehmung der älter werdenden Generationen des 21. Jahrhunderts zu tun hat.

»Altern wie ein Gentleman« (C. Bertelsmann): Das ist jedenfalls das Motto von Fernsehmoderator Sven Kuntze, seit 2007 Rentner. Er plädiert dafür, sich ehrenamtlich zu betätigen, statt die Beine hochzulegen und Sinnkrisen zu durchleben. Angesichts der immer wachsenden Übermacht der Alten werde ihnen irgendwann gar nichts übrig bleiben, als sich mit gegenseitigen Dienstleistungen durch den Alltag zu helfen, so der Autor. Kuntzes Buch findet, ebenso wie Fuchsbergers, reißenden Absatz: Das bestätigen Buchhändler wie Klaus Kowalke, Geschäftsführer der Buchhandlung Lessing & Kompanie in Chemnitz, der Stadt mit dem höchsten Altersdurchschnitt in Deutschland, oder Victoria Leßle von der Buchhandlung Vaternahm in Wiesbaden. »Der Promi-Faktor zieht«, so die Bilanz der beiden. Ihre Beobachtung: Die Zielgruppe 50 plus nähert sich dem leidigen Thema Älterwerden generell bevorzugt über Biografien und Belletristik. Da darf auch mal gelacht werden – so wie bei Virginia Ironsides »Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff!« (Goldmann). Unverblümt, charmant und selbstironisch singt Ironside das Hohelied aufs Alter. Schließlich eröffnet es auch neue Freiheiten wie die, nicht mehr über jedes Stöckchen springen zu müssen. Dem körperlichen Verfall setzt Ironside Wissen, Lebenserfahrung und Selbstvertrauen entgegen. Auch im Alter sei vieles möglich, so die Autoren. Selbst Liebe und Sex.

 

 

Liebe im Alter: Diesen Aspekt nimmt sich Filmemacherin Helke Sander in ihrem Erzählband »Der letzte Geschlechtsverkehr« (Kunstmann) vor. Lebensnah und mit ironischem Unterton schreibt sie darüber, wie verschiedene Frauen höchst individuelle Antworten auf das Altern und die Lust auf Liebe finden.
Auf eine ungewöhnliche Suche nach Antworten hat sich der frühere Unternehmer Heinz Dürr gemacht: Im September erscheint bei Bastei Lübbe sein fiktives Zwiegespräch mit dem römischen Staatsmann Cato über das Alter, über Jugendwahn, Weisheit und Vergänglichkeit. Damit scheint er dicht an der Zielgruppe zu sein: Bei der Annäherung ans Unabänderliche seien nämlich auch lebensphilosophische Betrachtungen  begehrt, wie Victoria Leßle von der Buchhandlung Vaternahm bemerkt hat. Die liefert auch der ­Benediktinermönch Anselm Grün verlässlich. Nach »Der hohen Kunst des Älterwerdens« (Vier Türme, dtv) legt er nun bei Herder das Buch »Gelassen älter werden: Eine Lebenskunst für hier und jetzt« vor.

 Reflexion und Selbstreflexion sind gefragt. Und dürfen gern auch als Sachbuch zur praktischen Lebenshilfe daherkommen, so der Chemnitzer Buchhändler Klaus Kowalke. Dass schon 40-Jährige an die Zeit mit 80 denken sollten: Dazu ermuntert etwa die Sachbuchautorin Carola Kleinschmidt ihre Leser. Für viele sei die Lebensmitte ohnehin ein Zeitpunkt, um die Sinnfrage zu stellen. Da kann man den Blick ruhig noch etwas weiter in die Zukunft richten. »Jung alt werden«: Das geht tatsächlich, tröstet Kleinschmidt die Leser ihres gleichnamigen Buchs bei Ellert & Richter – sofern man die Sache klug angeht.
Anders formuliert: Das Alter und das Altwerden sind nur bedingt eine Frage von Lebensjahren, sondern vielmehr eine Frage der Haltung. Das bestätigen auch Altersforscher. Wer altern will ohne alt zu werden, der sollte ein paar Talente mitbringen, die das Autoren-Duo Helmut Luft und Monika Vogt in seinem Buch »Gutes Altern« aufzählt (Brandes & Apsel): Bindungsfähigkeit, Optimismus und Menschenliebe, Neugier, Tatendrang und Ausdauer, inneres Gleichgewicht und – vor allem – Humor.

 

Den hält auch Kester Schlenz hoch: Nach seinem Überlebensbuch für Männer (»Alter Sack, was nun?«) legt er in diesem Jahr die Fortsetzung vor: »Leg los, alter Sack« (Mosaik). Wer sein Buch liest, hält schlaffe Glieder und Rettungsringe mit gut trainierten Lachmuskeln in Schach.
»Werde demnächst 50 und weiß nicht, was ich an dem Tag machen soll. Eine Party? Abhauen? Mir die Kante geben? Wenn ihr Ideen habt, meldet euch!« Mit diesem Facebook-Hilferuf seines Protagonisten Thomas haut Autor Georg Heinzen in die gleiche Kerbe. In seinem Buch »Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden«, das im Januar erscheint (Gütersloher Verlagshaus), führt er sechs Menschen zusammen, die für das Lebensgefühl der heutigen Generationen stehen: Forever young mag vielleicht ein Traum sein. Forever lebenslustig aber ist machbar.