Kommentar

Drama mit Fliege

21. Juli 2011
von Börsenblatt
Der Eichborn-Hauptaktionär hat seine Mehrheitsbeteiligung abgegeben, aber der Fakt ist ohne Belang – zu solchen Kapriolen kommt es, wenn Aktien- und Insolvenzrecht aufeinanderstoßen. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Stefan Hauck.
Schon verrückt, das Aktienrecht. Im Fall des Frankfurter Eichborn Verlags sorgt es für allerlei Kapriolen – und setzt die normative Kraft des Faktischen kurzerhand außer Kraft: Denn bei Eichborn hat der Eigentümer keineswegs das Sagen. Ein Haupt­aktionär, der keine Mittel findet, seine Vorstellungen im Verlag durchzusetzen, Hauptversammlungen, in denen rund ein Zehntel der Anteilseigner über die Geschicke des Unternehmens entscheidet – das gibt es in der Buchbranche normalerweise nicht. Die Verlagswelt verfolgt das Ganze staunend.
Paradox: Ohne die abschreckende Wirkung des Aktienrechts gäbe es Eichborn wohl heute nicht mehr – der Verlag wäre schon längst übernommen, geschluckt, liquidiert worden.

Nun hat der Hauptaktionär seine Mehrheitsbeteiligung abgegeben, und dass es alle wissen, ist auch eine Besonderheit des Aktienrechts: Fast jeder Schritt muss öffentlich gemacht werden, Bilanz inklusive – solche Transparenz scheuen viele Unternehmen. Doch einerlei, ob es nun einen Käufer von außen gibt oder ob der Hauptaktionär die Mehrheit an den Verkäufer von einst zurückgereicht hat – die Aktien dürften so gut wie wertlos sein. Denn das Insolvenzrecht, so hat der vorläufige Insolvenzverwalter klargestellt, steht über dem Aktienrecht: Erst werden alle Gläubiger bedient, dann die Eigentümer. Die Ereignisse haben das Zeug zu einem Shakes­peare’schen Drama. Aus dem die kleine Frankfurter Fliege am Ende doch noch wie Phönix aus der Asche steigen könnte. Rußgeschwärzt und ohne Börsennotierung – aber wieder flugfähig.