Kommentar

Die Macht der Makler

21. Juni 2011
von Börsenblatt
Spätestens seit dem Konflikt zwischen Random House Inc. und dem Agenten Andrew Wylie im vergangenen Jahr muss man sich mit der Beschreibung eines neuen Berufsbilds in der Buchbranche befassen: mit dem Agentenverleger. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.
Immer mehr Autoren- und Rechtemakler gehen mit wachsenden E-Book-Umsätzen (und -Erlösen) dazu über, die digitalen Rechte ihrer Autoren separat zu vermarkten – über Imprints- und Publishing-Plattformen, die beispielsweise große Online-Händler wie Amazon bereitstellen. Sie tun das nicht nur aus eigenem Antrieb und persönlichem Gewinnstreben, sondern auch im Interesse der Autoren, die sie unter Vertrag haben. Bei einem E-Book-Publikumsmarktanteil, der in den USA demnächst die Zehn-Prozent-Marke überschreitet, lohnt sich das Nachdenken darüber, ein Honorar in Höhe von 50 Prozent des Nettoverkaufserlöses durchzusetzen – eine Forderung, auf die viele Verlage derzeit nicht eingehen dürften.

Die Macht, die Agenten durch den Honorarhunger der Autoren zuwächst, ist immens. Und sie wirkt nicht nur so berauschend, dass der britische Agentenverband in dem Rollenwechsel vom Makler zum Verwerter keinen Interessenkonflikt entdeckt, sondern sie fordert die klassischen Buchverlage heraus. Wie soll man künftig mit (Bestseller-)Autoren über alle Rechte verhandeln? Mit welchen Geschäftsmodellen kann man es verhindern, dass das wachsende E-Book-Geschäft in andere Hände übergeht? Das sind brennende Fragen, auf die es hoffentlich nicht nur schmerzhafte Antworten gibt.