Das Aufbau Haus und seine (fehlenden) Mieter

Das erste Haus am Platz

17. Juni 2011
von Börsenblatt
Ein Spaziergang mit Aufbau-Eigentümer Matthias Koch durch das neue Verlagsdomizil am Moritzplatz, in dem die für Eichborn reservierten Räume mindestens vorerst leer bleiben.

Beim Rundgang durch das Aufbau Haus am Moritzplatz in Berlin, zu dem der Bauherr Matthias Koch eingeladen hat, blickt man in viele zufriedene, erwartungsvolle, gar glückliche Gesichter. Es sind die Gesichter der Mieter: Galeristen, Goldschmiede, Theaterleute, Fotografen. Der Buchhändler Ben Rimscha ist eigens aus München nach Berlin gezogen, um im Erdgeschoss die Buchhandlung Moritzplatz zu eröffnen. Kreative und Künstler hier, in Berlin Kreuzberg, zusammenzubringen – das ist das Konzept.

Der Blumenbar Verlag gehört auch zu den Mietern. Nur ein umworbenes Unternehmen aus Frankfurt, Eichborn, wollte partout nicht in die Räume, die in der dritten und vierten Etage reserviert waren und nun leer stehen. Und so wird die Führung von Matthias Koch, der das Haus am Moritzplatz mit Partnern aufgebaut hat und zugleich Aufbau-Eigentümer ist, überschattet von den Ferngebliebenen, die die Schlagzeilen bestimmen. Bei Eichborn nehmen sie jetzt lieber die Insolvenz hin, als sich zuvor auf das Sanierungskonzept von Koch einzulassen. Danach sollten 13 von 48 Mitarbeitern – aus Lektorat und Presse vor allem – nach Berlin umziehen. Den meisten in Frankfurt war diese Offerte nichts wert. Man kann das verstehen, die Mehrheit sollte schließlich den Arbeitsplatz verlieren. Koch, der zwar Mehrheitsaktionär bei Eichborn ist, aber dennoch aus aktienrechtlichen Gründen keinen entscheidenden Einfluss nehmen konnte, sieht das naturgemäß anders: „Es war das bestmögliche Angebot." Man könne sich die Welt doch nicht nur schön träumen, sondern müsse die Realitäten sehen, sagt er sinngemäß noch. Ich Frankfurt träumen sie noch und hoffen: auf den Insolvenzverwalter, auf einen Investor, auf ein Wunder, um den schwer angeschlagenen Verlag noch einmal auf die Beine zu bringen.

In Berlin ist hingegen die Realität zu besichtigen: Hier sind auf den beiden Verlagsetagen noch viele Räume frei. Aufbau allein ist zu klein, meint Koch, und nicht erfolgreich genug, daran ändert auch eine Fallada-Neuausgabe nichts. Die Zielmarke sind 25 Millionen Euro Umsatz, die Erwartung für dieses Jahr: 14 Millionen Euro. Koch hält also an seinem Plan fest, einen Verlagsverbund zu schaffen. Er will Kooperationen, lieber noch zukaufen. Vielleicht klappt es irgendwie sogar noch mit Eichborn. Marketing-Geschäftsführer Tom Erben versucht den vorläufigen Insolvenzverwalter Holger Lessing ans Telefon zu bekommen: mindestens die vereinbarte Vertriebskooperation mit Eichborn soll fortgesetzt werden.

Da, wo das Aufbau-Haus steht, war früher ein urbaner, lebendiger Platz. Heute gibt's hier eine U-Bahnstation, eine Döner-Bude, einen Garten. Kochs Idee vom Kreativkaufhaus, die er zusammen mit Modulor, einem Verbund kleiner Handwerks-, Handels- und Kulturunternehmen seit drei Jahren verfolgt, ist ambitioniert. Noch mutiger ist die Entscheidung für einen Platz, wo das beherrschende der Kreisverkehr ist. Und mutig sind auch die Mieter, die das Experiment eben an diesem Ort wagen – zu günstigen Konditionen, die Durchschnittskaltmiete beträgt sieben Euro. 40 Mieter sind es bisher, zehn andere, die bislang auf einer Warteliste stehen, sollen bis zum Herbst noch hinzukommen. Wenn sich ihre Entschlossenheit auszahlt und sie Erfolg haben, wird es vielleicht sogar gelingen, den Moritzplatz wieder zu einem attraktiven Ort zu machen.

Die Investitionen in die Immobilie sollen sich nach 25 Jahren amortisiert haben, sagt Koch. Über die Zukunft des Aufbau Verlags, dessen Erwerb Koch im Börsenblatt-Fragebogen als die mutigste Entscheidung seines Lebens bezeichnet hat, wird es rascher Klarheit geben.