"Wie zu DDR-Zeiten", meinten einige Wartende auf dem Gehsteig und kommentierten voller Vorfreude die Novitäten der angekündigten Autoren. "Im Moment möchten etwa fünf Mal mehr Leute zuhören, als hier hereinpassen", sagte dtv-Pressesprecherin Petra Büscher, als Wolf Wondratschek den pointenreichen Abend zum 50-jährigen Bestehen des dtv eröffnete.
"Das mit dem Selbstbewusstsein stimmt nicht", korrigierte Wondratschek im Gespräch mit Balk seinen Verleger. "Mein Drama ist, dass ich so wirke", sagte der Poet und trug seine Lyrik mit solcher Eindringlichkeit vor, dass Keiner im überfüllten Keller auch nur den geringsten Selbstzweifel attestieren würde.
Das ZDF filmte die ganze Nacht und besitzt jetzt einen reichen Fundus außerordentlicher Darbietungen deutscher Autoren: Uwe Timm beteuerte, dass er seine Texte niemals umschreibt, nachdem sie veröffentlicht sind; Wilhelm Genazino gestand, dass er schon alle Ängste hatte, die man nur haben kann; Arno Geiger erzählte von vergessenen Worten und von seinem Vater, der nicht weiß, wie er diese Worte taufen soll; Ulla Hahn verteidigte im Gespräch mit Amelie Fried den Schutzraum der Fiktion innerhalb autobiographischen Erzählens; Ingo Schulze erklärte, dass er seine Bücher erst über das Publikum kennen lernt, denn kein Leser sei so befangen wie der Autor selbst und Judith Zander definierte Pubertät als eine einzige Bedrückung, für die sie ein exakte Sprache findet, auch in ihren neuen Gedichten, die sie in Leipzig schrieb.
"Der Bildungshunger ist nirgends so groß wie hier", zog Wolfgang Balk sein Fazit. Mit diesem Autoren-Abend, den auch Peter Härtling bereicherte, startete dtv in sein Jubiläumsjahr.