Meinung

Social Media: Der Leser als Partner

23. Dezember 2010
von Börsenblatt
Warum der Buchhandel sein Bild vom Kunden korrigieren muss. Ein Aufruf von Dieter Rappold.
Heute sind knapp elf Millionen Deutsche registrierte Mitglieder bei Facebook; YouTube erreicht jeden Tag beinahe 50 Prozent der deutschen Internetbevölkerung, es gibt Zigtausende Tweets und Blogposts jeden Tag. Die schiere Masse an Nutzern deutet darauf hin, dass wir nicht von gesellschaftlichen Randgruppen sprechen.
Eben deshalb stellt sich auch die Frage, wie man diese Entwicklung für das Marketing nutzen kann und diese führt uns zum Social Media Marketing. Wenn man von Social Media Marketing spricht, gewinnt man oftmals den Eindruck, die Werkzeuge selbst seien Allheilmittel – das heißt, es steht im Vordergrund, ob man auf Facebook, Twitter oder YouTube präsent ist und nicht was man konkret damit macht. Aktionismus heiligt die Mittel, scheint das Mantra der Zeit zu sein.
An dieser Stelle ist eine Besinnung auf die gute alte Strategie angebracht. Strategie als die langfristig geplanten Verhaltensweisen eines Unternehmens zur Erreichung seiner Ziele. Doch hier beginnt oftmals das Dilemma für Unternehmen. Warum will man Social Media Marketing einsetzen?
Um diese Frage gar nicht erst beantworten zu müssen, mag man einfach einwenden, dass sich Strategie und Social Media ohnehin ausschließen würden. Wozu Strategie, wenn morgen schon wieder alles ganz anders aussieht? Doch gerade in einer sich rasend schnell verändernden Branche gilt es, den Überblick zu behalten und aktiv vorauszuplanen.
Zugleich muss der Begriff Strategie neu besetzt und definiert werden. Kürzere Zyklen sind gefragt, und es gilt, die Spannung zwischen langfristiger Planung und höchstmöglicher Flexibilität zu meistern. Teilschritte von der Analyse über die Zielverdichtung bis hin zu den konkreten Maßnahmen dürfen nicht statisch hintereinandergelegt werden. Vielmehr müssen sie sich überlappen, ineinander­greifen und sich durch Feedbackschleifen direkt beeinflussen. Auf überraschend auftretende Ereignisse, wie es etwa oft bei viralen Kampagnen der Fall ist, muss blitzschnell reagiert werden. Es ist daher entscheidend, schon in der Planungs­phase genau solche Eventualitäten mitzubedenken.
Eine erfolgreiche Social Media Marketingstrategie muss beantworten, welche Erwartungshaltung beim User erzeugt werden soll, wie diese mit dem passenden Content erfüllt werden kann und wie das Ganze authentisch zum konkreten Unternehmen passt.
Wie betrifft das den Buchhandel in naher Zukunft? Mehr als diesem vermutlich lieb ist. Denn besonders mit dem aktuellen Siegeszug der E-Books bekommt eine gut durchdachte Social Media Strategie im Buchhandel höchste Priorität. Das Buch selbst verändert sich hin zu einem interaktiven Produkt. Die Leser werden zu Usern, die das Buch kommentieren können, wie sie es heute schon durch Facebook, Blogs und Co. gewöhnt sind. Der Anspruch der User, als gleichwertiges Gegenüber im Dialog wahrgenommen zu werden, steigt. Die Grenzen zwischen Social Media und dem Buch selbst verschwimmen. Der Buchhandel darf seine Kunden nicht mehr als passive Leser sehen, sondern muss sie als Partner behandeln.