Innovation

Die Stimme aus dem Stift

16. Dezember 2010
von Börsenblatt
Dass technischer Fortschritt auch Printprodukte bereichern kann, zeigen seit Kurzem die Anbieter elektronischer Lesestifte: Während Ravensburger mit Tiptoi Erfolge feiert, ist die Chefeu Vertriebsgesellschaft mit dem Toystick an den Markt gegangen – und im Februar 2011 schickt die Druckerei Himmer den Ting hinterher.

Lesen Sie direkt:
Technik
Tiptoi übertrifft Verkaufserwartungen
Großes Vertriebsnetz für den Toystick geplant
Ting geht mit Partnerverlagen an den Start
Fazit

Technik

Mithilfe der Lesestifte können gedruckte Inhalte hörbar gemacht und interaktiv erlebt werden. Im Prinzip nutzen dafür alle Hersteller die gleiche Technik, indem sie für das menschliche Auge unsichtbare Codes auf Buchseiten oder andere bedruckbare Medien aufbringen.

Berührt der Nutzer ein Bild- oder Textelement mit dem Lesestift, liest ein Sensor in der Stiftspitze den jeweiligen Code aus. Über Kopfhörer oder den eingebauten Lautsprecher spielt das Gerät dann entsprechende Sounddateien ab, die der Nutzer zuvor aus dem Internet geladen und auf dem Stift gespeichert hat. Das können zum Beispiel Geräusche oder Erklärungen zu einem Bild sein.

Tiptoi übertrifft Verkaufserwartungen

Mitte September ist Ravensburger mit Tiptoi an den Start gegangen. Der Verlag hat das audiodigitale Lernsystem für Kinder ab vier Jahren entwickelt. Bislang sind zehn Titel lieferbar: vier Bücher aus der Reihe "Wieso? Weshalb? Warum?", fünf Lernspiele und ein Globus-Puzzleball. Besonderer Clou: Die codierten Flächen sind gleich mehrfach belegt. So spielt der Stift bei der zweiten Berührung oftmals eine andere Sounddatei ab als beim ersten Mal. Damit soll der Entdeckergeist der Kinder geweckt werden.

Bei den Lernspielen übernimmt der Stift zugleich die Rolle des Spielleiters. Er gibt Anweisungen, zählt die Punkte der Spieler und merkt auch, wenn ein Kind zum Beispiel beim Rechnen etwas schwächer ist. Um Frust vorzubeugen, bekommt es dann beim nächsten Mal einfach eine etwas leichtere Aufgabe. Gleich zwei Auszeichnungen hat das System in diesem Jahr gewonnen: den Toy Innovation Award in der Kategorie Wissen und Lernen und die Goldene Giga-Maus als bestes Programm des Jahres.

Mit dem Erfolg der Markteinführung zeigt sich der Verlag äußerst zufrieden. "Die Nachfrage ist groß, das Weihnachtsgeschäft läuft sehr gut, die Absätze steigen stetig", so Ravensburger-Geschäftsführer Johannes Hauenstein. Insgesamt seien bisher 170.000 Stifte ausgeliefert worden. Das System komme im Buchhandel sehr gut an. Aber auch im Spielwarenhandel werden Tiptoi-Produkte verkauft. Laut Hauenstein hat das System in allen Vertriebskanälen Erfolg.

Einige Händler haben ihre Vorräte bereits abverkauft, so dass es derzeit teilweise zu Engpässen im Weihnachtsgeschäft kommt. "Wir sind von Anfang an mit einer mutigen Planung herangegangen, aber der Erfolg von Tiptoi hat unsere Erwartung noch übertroffen", so Hauenstein. Die nächste Auslieferung von Stiften an den Handel erfolge im Januar. Noch bis Weihnachten läuft eine TV-Werbekampagne, die insgesamt 25 Millionen Kontakte erzielen soll.

Ab Januar will Ravensburger die Produktpalette monatlich um einen weiteren Titel ergänzen, darunter verschiedene Puzzles und ein Memory-Spiel. Eine Verzahnung mit Angeboten anderer Unternehmen ist nach Angaben von Hauenstein nicht vorgesehen.

Steckbrief Tiptoi:

  • Anbieter: Ravensburger Spiele- und Buchverlag
  • Website: www.tiptoi.de
  • Markteinführung: September 2010
  • Ausstattung: USB- und Kopfhöreranschluss, eingebauter Lautsprecher, Lautstärkeregler am Stift, Stromversorgung über zwei AAA-Batterien
  • Preis für den Stift: ca. 34,99 Euro (im Starter-Set inklusive Buch oder Spiel ca. 39,99 Euro)
  • Lieferbare Titel: zehn, ab Januar 2011 monatlich eine Neuerscheinung (Bücher, Spiele und Puzzles)

Großes Vertriebsnetz für den Toystick geplant

Etwa zeitgleich mit Tiptoi ist die Chefeu Vertriebsgesellschaft aus Hannover mit dem Toystick an den deutschen Markt gegangen. Auch Chefeu setzt zumindest vorerst auf Kinder als Nutzer. Anders als Ravensburger verfügt das Unternehmen allerdings bislang nur über ein kleines Vertriebsnetz. Das könnte sich jedoch schon bald schlagartig ändern: "Für 2011 planen wir eine Partnerschaft mit Idee + Spiel", sagt Wolfgang Schmitz-Asdonk, der bei Chefeu für Akquise und Vertrieb zuständig ist. Zu der Fachhändler-Gemeinschaft gehören immerhin mehr als 1.000 Spielwarenhändler.

Die 25 bisher von Chefeu im Eigenverlag angebotenen Titel für den Toystick sind allesamt Adaptionen aus China. Dort ist das Gerät bereits seit dreieinhalb Jahren eingeführt und hat sich laut Schmitz-Asdonk mehr als eine Million Mal verkauft. Für die Zukunft strebt das Unternehmen die Zusammenarbeit mit deutschen Verlagen an und will nicht ausschließen, auch auf den Markt für Erwachsene vorzudringen.

Steckbrief Toystick:

  • Anbieter: Chefeu Vertriebsgesellschaft mbH
  • Website: www.toystick.de
  • Markteinführung: September 2010
  • Ausstattung: USB- und Kopfhöreranschluss, eingebauter Lautsprecher, Lautstärkeregelung per Software (einziges Bedienelement am Stift ist der Ein-/Aus-Schalter), Stromversorgung über eingebauten Akku (wird per Ladegerät über den USB-Anschluss aufgeladen)
  • Preis für den Stift: ca. 59,95 Euro
  • Lieferbare Titel: 25 (darunter Märchenbücher, Lernbücher für Englisch und Rechnen sowie das Musik- und Bastelset "Mein Auditorium")

Ting geht mit Partnerverlagen an den Start

Von Anfang an auf ein offenes System setzt die Augsburger Druckerei Himmer mit ihrem Hörstift Ting. Das Gerät soll ab Februar 2011 in den Läden stehen. Ein Dutzend Partnerverlage begleiten die Markteinführung mit insgesamt rund 50 Titeln. Mit im Boot sitzen etwa Cornelsen, Kosmos und Langenscheidt. Himmer-Vorstand Marcus Fischer will sein Produkt als Standard durchsetzen: "Der Kunde soll unseren Stift für viele Bücher von verschiedenen Verlagen nutzen können." Vor allem für Lern-, Reise- und Kinderliteratur, aber auch für Schulbücher sei das System von großem Wert.

"Ting bietet insbesondere für unser Kinderbuch- und Sprachenprogramm interessante Möglichkeiten", bestätigt Verleger Andreas Langenscheidt. Und Kosmos-Programmleiterin Almuth Sieben freut sich, dass die Leser der Neuausgabe des Klassikers "Was fliegt denn da?" mithilfe von Ting alle Stimmen der 346 vorgestellten Vögel hören können – auch unterwegs.

Ist der Stift per USB-Kabel mit einem internetfähigen Endgerät verbunden, kann der Nutzer damit je nach Verlagsangebot auch auf Webinhalte zugreifen, auf die der Code im Buch automatisch verlinkt. Bei Bedarf lässt sich Ting mit seinem zwei Gigabyte großen Speicher auch einfach als MP3-Player einsetzen. Laut Fischer hat sich die Zahl der Verlage, die im kommenden Jahr "vertingte" Bücher auf den Markt bringen wollen, inzwischen auf 20 erhöht. Auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Spanien und sogar in China will Himmer seinen Stift etablieren.

Steckbrief Ting:

  • Anbieter: Druckerei Himmer AG
  • Website: www.ting.eu
  • Markteinführung: Februar 2011
  • Ausstattung: USB- und Kopfhöreranschluss, eingebauter Lautsprecher, Lautstärkeregler am Stift (zum Schutz von Kindern lässt sich die maximale Lautstärke per Software einstellen), Stromversorgung über eingebauten Akku (wird per Ladegerät über den USB-Anschluss aufgeladen), Weblink- und MP3-Player-Funktion
  • Preis für den Stift: ca. 34,99 Euro
  • Lieferbare Titel: mit Markteinführung im Februar 2011 rund 50 Titel von zwölf Partnerverlagen, weitere Veröffentlichungen im späteren Jahresverlauf

Fazit

Ob noch weitere Hersteller auf den Zug aufspringen werden und ob am Ende alle Anbieter mit ihrem Konzept am Markt bestehen können, bleibt abzuwarten. Dass die neue Technik aber grundsätzlich zukunftsfähig ist, lässt sich schon jetzt am bisherigen Erfolg von Tiptoi ablesen.