Buchwissenschaftler fragen Branchenköpfe

Fünf Fragen an Scott Tokaryk

8. Dezember 2010
von Börsenblatt
Scott Tokaryk, Projektmanager im Cornelsen Verlag, hielt gestern im Rahmen der Vortragsreihe "Das Buch in den Medien“ der Fachschaft Buchwissenschaft am Institut für Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz einen Vortrag mit dem Titel "Die Erstellung von mobilen Applikationen: Von der Idee bis zur Markteinführung und darüber hinaus”. Die Buchwissenschaftsstudenten fragten nach.

Herr Tokaryk, seit Juni 2009 sind Sie für die App-Entwicklung im Cornelsen Verlag zuständig. Wie kam es dazu und was sind das für Apps?
Unsere Applikationen sind zum Sprachenlernen gedacht. Das erste App haben wir im Zuge eines Projekts für eine Bank konzipiert. Die Bank gibt es nicht mehr, aber die Idee war so schön, dass wir sie trotzdem umgesetzt haben. Nach dieser ersten Applikation "iTalk Business" haben wir dann einfach weiter gemacht. Seitdem haben wir bereits 41 Apps in sechs Reihen herausgebracht und sie verkaufen sich wirklich gut.

 

Woher nehmen Sie die Anregungen für Ihre Apps?
Zurzeit haben wir nur Zweitverwertung, das heißt dass bereits in Buchform existierende Inhalte in Apps umgewandelt werden. Das erfordert eine gute Kenntnis der Veröffentlichungen innerhalb unseres Verlags. Möglicherweise könnte sich diese Vorgehensweise aber bald ändern. Beispielsweise in Spanien gibt es schon keine Lehrbücher an Schulen mehr, sondern nur noch E-Books. Dort werden die Inhalte also eigens für digitale Geräte erstellt.

 

Wie funktioniert die Umsetzung eines Buches als App und was muss man dabei beachten?
Vom Projektbeginn bis zur fertigen Entwicklung sind viele Schritte notwendig. Man muss sich über die Inhalte und Materialien klar werden und dann das Ganze redaktionell umsetzen. Nach dem Design kommt noch die technische Umsetzung, anschließend eine Testphase, die Vorbereitung für die Markteinführung und schließlich die Markteinführung im AppStore. Das dauert alles in allem so etwa vier bis fünf Monate. Dabei muss man immer beachten, für welches Gerät das App gedacht ist. Auf dem iPhone oder iPod hat man natürlich weniger Platz (sowohl in Hinsicht auf den Speicher als auch auf die Bildschirmgröße) als beispielsweise auf dem iPad. Außerdem muss man auch abwägen, ob es sinnvoller ist, sich mit einer teureren neuen Entwicklung von der Konkurrenz abzusetzen oder ob man auf bereits existierende Engines zurückgreift. Zuletzt ist es noch wichtig darauf zu achten, ob es weitere ähnliche Inhalte gibt, da es sich noch nicht lohnt, ein App zu produzieren, wenn man die Technik nur für ein einziges verwenden kann. Daher haben wir bisher auch nur Reihen.

 

Sehen Sie in den Applikationen Vorteile und wenn ja, welche?
Ja, ich halte die Nutzung von Apps für vorteilhaft. Das Sprachenlernen wird deutlich verbessert durch die mögliche Integration verschiedener Medien, vor allem auf dem iPad. Ich denke und hoffe, dass die Apps auch noch vielfältiger und differenzierter werden, wenn mehr Leute ein iPad haben, und durch höhere Nachfrage ein größeres Angebot geschaffen werden kann.

 

Haben mobile Technologien das Verlagswesen auf den Kopf gestellt?
Nein, aber viele Kollegen haben Angst vor Apps. Dabei ist der Prozess zur Erstellung einer Applikation fast derselbe wie für ein Printprodukt. Das Buch wird sich meiner Meinung nach auch weiterhin halten, es wird nur eine größere Medienvielfalt geben.

 

Interview Julia Striegel

 

Nächste Woche fragen die Buchwissenschaftler Claudia Paul, Leiterin des Referats Presse und Information im Börsenverein.