Interview mit dem Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel

"Ein Kompromiss ist, wenn alle gleich laut lachen und gleich laut weinen"

9. Dezember 2010
von Börsenblatt
Wenige Tage vor dem Karlruher Richterspruch wollen Verleger und Übersetzer noch einmal eine Annäherung im Honorarstreit versuchen. Hinrich Schmidt-Henkel, Vorsitzender des Übersetzerverbands VdÜ, über die Erfolgsaussichten.

Welchen Sinn hat das, sich nur wenige Tage vor einem neuerlichen Urteil des Bundesgerichtshofs einmal mehr zu Gesprächen treffen?Schmidt-Henkel: Kein Urteil ersetzt eine Branchenregelung. Unser Treffen dient dazu, zu schauen: Wo sind in der Rechtsprechung die Härten für Übersetzer, wo die für Verleger? Wie lässt sich da vermitteln?

Fordert Ihr Eckpunktepapier nicht der Verlegerseite mehr und folgenreichere Zugeständnisse ab als den Übersetzern?Schmidt-Henkel: Nein, aber man muss natürlich schauen, dass die Zugeständnisse gleich groß sind. Das heißt: Wir müssen so lange miteinander reden und rechnen und nach Modellen von an- und abschwellenden Zahlen suchen, dass am Ende alle damit zufrieden sein können. Ein Kompromiss ist, wenn alle gleich laut weinen und gleich laut lachen.

Welches Interesse sollen Verlage mit eigenem Taschenbuchprogramm daran haben, dem Papier der Übersetzer zuzustimmen?Schmidt-Henkel: Auch diese Verlage vergeben Taschenbuchlizenzen, wenn auch sehr selten. Natürlich könnten Verlage wie Random House mit Pokerface sagen: "Die Rechtssprechung schmeckt uns eigentlich. Wir brauchen keine Vergütungsregel." Aber auch Random House und andere dürfte Interesse an einem Branchenfrieden haben und vor allem an Rechtssicherheit.

Läuft es vielleicht eher auf unterschiedliche Vergütungsregeln hinaus: hier die Verlage mit Taschenbuchprogramm, dort die ohne diese Zweitverwertung im eigenen Haus?Schmidt-Henkel: Ein Schritt nach dem anderen. Erstmal sollten wir versuchen, zu einer einzigen Vergütungsregel zu gelangen.

 

Für mehr als die Hälfte der übersetzen Werke gibt es keine bessere Vergütung als vor dem Gesetz, haben Sie ausgerechnet. Darauf können Verlage entgegen, mit mindestens ebenso vielen Büchern verdienen wir auch kein Geld. Ist das also ein hinreichendes Argument?Schmidt-Henkel: Das zeigt eine Grundmisere der Branche, aber es ändert nichts am Problem der Übersetzer. Die Vereinbarungssystematik muss so gefasst sein, dass potenziell alle Übersetzer besser gestellt sind als vor dem Gesetz.

Ebenso mag es das Ziel der Verlage sein mit jedem Buch, Gewinne zu machen. Jedoch wohl wissend, dass das nicht möglich ist ...
Schmidt-Henkel: Auch das wissend, müssen die Verlage Übersetzungen in Auftrag geben, sie können ja die Bücher nicht auf Hindi oder Dänisch veröffentlichen. Und Urheber, auch die von Übersetzungen, müssen angemessen honoriert werden, so wollen es Gesetz und Sachverstand.
Aber Sie suchen doch einen Kompromiss – oder habe ich Sie da falsch verstanden?
Wie das mit Zahlen ausgestaltet wird, muss man sehen, das kann ich nicht vorwegnehmen. Beide Seiten sollten vor allem miteinander besprechen, wie mit den Größen Nebenrechtsbeteiligung und Absatzbeteiligung gespielt werden kann.