Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises

"Joachim Gauck steht für die Verteidigung der Freiheit"

30. November 2010
von Börsenblatt
„Ich betrachte es als ein Privileg,…“ steht im Text. Doch der Schriftsteller Peter Schneider wählte zu Anfang seiner Laudatio andere Worte: „Es ist ein Vergnügen, an dieser Stelle Joachim Gauck zu loben und zu würdigen.“ - Andreas Trojan berichtet für boersenblatt.net von der Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises an Joachim Gauck, die gestern Abend in München statt fand.

Gauck, „Revolutionspastor“ aus der DDR, erster Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde und wahrscheinlich heute Bundespräsident, wenn „die Linke“ bei der Abstimmung ihr demokratisches Bewusstsein mobilisiert hätte, bekam den diesjährigen Geschwister-Scholl-Preis verliehen. Aber warum ist es ein „Vergnügen“ Joachim Gauck zu würdigen? Peter Schneiders Antwort ist einfach und logisch zugleich: Wie die Geschwister Scholl und ihr Widerstandskreis „Weiße Rose“ stehe der Name Joachim Gaucks für eines ein: „Er steht für die Verteidigung der Freiheit, wenn Freiheit in Gefahr oder bereits abgeschafft ist, er steht für geistige Unabhängigkeit und für den Mut, an den Anspruch auf die Freiheits- und Bürgerrechte festzuhalten – auch dann, wenn die Einlösung dieser Rechte aussichtlos ist.“

Und wer Joachim Gaucks prämiertes Buch „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ (Siedler) gelesen hat, der weiß, wie oft Gauck glaubte, in seiner Widerständigkeit zum DDR-Regime auf verlorenen Posten zu stehen. Doch der politische Pastor gab nicht auf, gab sich und seine Hoffnung auf Veränderung nie auf.
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude lobte den Preisträger mit den Worten: „Für ihn ist Zivilcourage eine persönliche Sache.“ Und Gaucks preisgekröntes Buch sei ein gewichtiges Zeugnis gegen das Vergessen, gegen das Verdrängen, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen ist.

Auch Wolf Dieter Eggert, Vorsitzender im Bayerischen Landesverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, lobte Gaucks „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ als großes Zeitdokument in der deutschen Geschichte – und als noch etwas: „Im Gegensatz zu den Memoiren vieler Schauspieler, Berufspolitiker und anderer Medienstars sind Gaucks Erinnerungen sehr persönlich, ohne ins Private zu gleiten.“

Ja, es stimmt, Joachim Gauck ist ein „Medienstar“ geworden. Jeder kennt ihn und so mancher hätte ihn gern als Bundespräsident gesehen. Und so war es nicht verwunderlich, dass die Große Aula der Ludwig-Maximilians-Universität bei der Verleihung des Preises zum Bersten voll war. Joachim Gauck trat bescheiden auf, zugleich pastoral selbstbewusst, was seine Rede zu einer sehr persönlichen und ehrlichen Angelegenheit werden ließ. Gauck sprach von seiner DDR-Zeit und von der Zeit seiner „Gauck“-Behörde. Und als „reisender Demokratielehrer“ sei er jetzt unterwegs – unterwegs in Sachen Freiheit, die jeden Tag neu gedacht, neu erarbeitet, neu erkämpft werden muss. Gaucks Schlussworte waren da an alle im Saal gerichtet: „Wir müssen glauben, was wir vermögen.“