dtv lässt 2000, die Welt ist überraschenderweise doch nicht untergegangen, ihre Agentur Balk & Brunshagen eine Autorenreihe konzipieren, die zwei entscheidende Wellen im deutschen Buchmarkt lostritt. Die eine ist der überaus große Erfolg nordeuropäischer Krimiautoren in Deutschland, die Referenz ist und bleibt hier, das muss einmal erwähnt werden, natürlich das zehnbändige Werk Sjöwall/Wahlöös (1965-1975) – und die andere Welle ist selbstverständlich das perfekt zum Zeitgeist passende postmodern-ästhetische Konzept der neuen Titel.
Es entspricht tatsächlich eher keinen große Neuerung, Gemäldeausschnitte auf Buchumschläge zu applizieren. Aber die elegante Konsequenz der Umsetzung, in der alles andere als banalen, guten, alten, neuinterpretierten Collage-Technik, verleiht dieser Reihe eine ungeheure ästhetische Spannung. Nun, das passt gut zum Genre.
Beide "Hunde" sind einem barocken Gemälde – "Eberjagd" (1618/1620) – van Dycks, einem Schüler Rubens, entnommen und werden auf dem Cover völlig neu zusammenmontiert. Die aggressiven Jagdhunde, ohnehin schon furchterregend, wirken im neuen Kontext nur noch bedrohlicher. Die schwarze Fläche – leinwandgleich – verlangt geradezu nach Re-Projektion. Das so entfesselte Kopfkino verspricht, gut gemachte, inhaltliche Grausamkeit.
Die Jagdszene im Dunkeln ist die adäquate Illustration einer Handlung, in der Kommissar Wallander durch das finstere Nachwende-Lettland hetzt, um die Mörder eines Mannes zu finden, in dessen Frau er sich verliebt. "Hunde von Riga" beschreibt den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen konturlose Institutionen im Nebel historischer Brüche in zugegeben – aber mankelltypisch – einigermaßen exotischer Umgebung. Die "Hunde" sind eine nicht allzu verwirrende Metapher für menschliche Abgründe in politisch unruhigen Zeiten.
Die Wirkung des Titels ist herausragend, die Motivwahl naheliegend, und doch ästhetisch überaus klug, die Dramatik gekonnt komponiert. Ein Genuss. Und das gilt für die ganze Wallander-Reihe.
Bis jetzt. Denn nun wechselt dtv nach 10 Jahren die Verpackung. In der Neuen stecken so viele unerträgliche Anpassungen an den Markt von 2010, die uns deutlich vor Augen führen, welche ästhetische Regression die zurückliegende Dekade mit sich gebracht hat:
Ein Foto verdrängt die Gemäldeausschnitte – zum Beweis der steten Gegenwärtigkeit des Textes? Minimale Metaphorik – aus Furcht vor allgemeiner intellektueller Überforderung? Das Motiv zeigt nun stattdessen genau das, was im Klappentext steht – um dem Leser die Zumutung etwaiger Überraschungen zu ersparen? Allgegenwärtiger Thrillerlook ersetzt intellligente Romanoptik – weil vor allem junge Leser diese Ansprache benötigen? Logo, Schrift, Motiv, alles wunderbar mächtig – damit das Cover auch in 10% und gepixelt dekodiert werden kann? Der Autorenname als massiver Block – weil Mankell im Krimisegment inzwischen ein Unbekannter geworden ist? Glanzlackierte, hochgeprägte Typografie – weil diese Qualitätsmerkmale auch den allerletzten Nicht-Mankell-Leser erreichen?
Und es stimmt ja, der Großteil der Mankell-Taschenbuch-Käufer ist versorgt, dtv fokussiert auf neue Zielgruppen. Und es ist auch wahr, dass die Markanz der Reihe unzählige Nachahmer und Konkurrenten auf den ästhetischen Plan gerufen hat. dtv meinte offenbar, darauf reagieren zu müssen.
Übrigens gemeinsam mit der Gestalterin, die auch die bisherige Mankell-Reihe verantwortete, Stephanie Weischer. Aber der jetzige Schritt in Richtung Beliebigkeit ist ein trauriger. Es ist einer zurück!
Robert Schumann, Buchgestalter in Berlin