Preisverleihung

Wo Ernst Stankovski aus dem Kopf "Kokoschkins Reise" rezitiert

24. November 2010
von Börsenblatt
Gestern abend ist in München die Corine vergeben worden. Die TV-Gala lieferte alles, was auch gute Bücher ausmacht: Witz, Charme und weise Worte. Andreas Trojan war für uns dabei. Eine Bildergalerie finden Sie hier.

Zurück zu den Anfängen – das galt im zehnten Jahr für den Internationalen Buchpreis Corine. Denn die TV-Gala zur Preisverleihung fand diesmal wieder dort statt, wo alles begann: im Münchner Cuvilliés-Theater, der bedeutendsten Rokoko-Bühne Deutschlands

 

Der Rahmen ist deutlich intimer als im Prinzregententheater, das in den vergangenen Jahren Schauplatz der Corine gewesen war. Doch die glanzvolle Rokoko-Kulisse hat auch einen kleinen Haken: Für die Gala sind rund ein Drittel weniger Plätze zu vergeben.

Katrin Bauerfeind führte mit Witz und burschikosem Charme durch den Abend. Was der diesjährigen Corine gut tat: Bei der Inszenierung konzentrierte man sich auf das Buch, auf die Autoren und Laudatoren, also auf die Inhalte – anstatt die Literatur an Inszenierungen zu binden, die vom Wesentlichen fortführen.

„Man soll an seinen Träumen festhalten, sie realisieren. Alles ist möglich.“ Mit diesen Worten bedankte sich William Kamkwamba für den Focus-Zukunftspreis („Der Junge, der den Wind erfand“, Irisiana, gemeinsam mit Bryan Mealer). Dass auch im Fernsehen vieles möglich ist, zeigt Burghart Klaußner, der aus Jo Nesbøs „Leopard“ las und damit nicht nur die Zuschauer auf den Rängen in seinen Bann zog. Klaußner hat auch das Audio-Book zum Krimi eingelesen und machte an diesem Abend Lust auf mehr (Claudio-Hörbuchpreis).

Ein weiterer Höhepunkt der Corine-Gala war die Vergabe des Zeit-Belletristikpreises an Hans Joachim Schädlich und seinen Roman „Kokoschkins Reise“. Kokoschkin ist ein 95-jähriger Mann, der auf sein bewegtes Leben zurückblickt. Der österreichische Schauspieler Ernst Stankovski (Jahrgang 1928) setzte sich mit dem Buch auf die Bühne, schlug es dann sofort zu und rezitierte, ja, spielte Kokoschkins Gedanken und Überlegungen frei aus dem Gedächtnis. Und Laudator Fritz Pleitgen brachte Schädlichs Roman so auf den Punkt: „In diesem Buch gibt es kein überflüssiges Wort.“

Alle Laudatoren vermittelten den potenziellen Lesern im Saal und vor den Bildschirmen, wieviel Spaß die prämierten Bücher machen - zur lobenden Bühnenriege gehörten die Schauspielerinnen Sunny Melles und Josefine Preuß, aber auch Philosoph Wilhelm Vossenkuhl.

Der Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten ging dieses Jahr an das Lebenswerk von Herbert Rosendorfer – den „richtenden Dichter oder dichtenden Richter“ aus Südtirol. Rosendorfer war mehr als dreißig Jahre lang Amtsrichter in München. Die Corine nahm er mit Stolz entgegen und meinte in seiner ironischen Art, er wisse jetzt, was er mit zwei Händen aus einem brennenden Haus zu retten habe: Die zierliche Porzellanfigur. Ministerpräsident Horst Seehofer stellte enthusiastisch fest: „Ihre Bücher sind Nahrung für die Seele.“ Dass Bücher lustvolle Appetitanreger sind, machte die diesjährige Corine-Gala ohne Zweifel klar.