Börsenverein

libreka!: "Lösung prüfen, ohne sie zu zerreden"

18. November 2010
von Börsenblatt
Ein Joint Venture mit dem Zwischenbuchhandel als Zukunftsmodell für libreka!: Was die Vorsitzenden der Fachausschüsse von diesem Vorstoß halten. Und welche Bedingungen sie daran knüpfen. Drei Positionen.

Macht ein Joint Venture für libreka! Sinn, wirtschaftlich wie politisch? Welche Konsequenzen könnten Zwischenbuchhändler ziehen, die an einer solchen Lösung nicht beteiligt sind? Auf diese Fragen antworten die Spitzen der drei Sparten im Börsenverein – im Nachgang zur Sitzung des Branchenparlaments.

Heinrich Riethmüller (Osiander),
Vorsitzender des Sortimenterausschusses:

  • Unter dem Begriff Joint Venture versteht man eine gemeinsame Tochtergesellschaft von mindestens zwei rechtlich und wirtschaftlich getrennten Unternehmen. Verbandspolitisch setzt eine solch enge Kooperation zwischen libreka! und einzelnen Mitgliedern voraus, dass grundsätzlich allen Verbandsmitgliedern die gleiche Chance zur Mitarbeit offensteht. Wenn diese Offenheit garantiert ist, kann ein Joint Venture Sinn machen. Denn alles, was dazu beiträgt, Branchenteilnehmer im Wettbewerb gegenüber Branchenfremden zu stärken, sollte zum Vorteil des Sortimentsbuchhandels, der enge Verbindungen zum Zwischenbuchhandel pflegt, genutzt werden. Wirtschaftlich gesehen liegt eine solche Kooperation geradezu auf der Hand, weil man das Rad nicht mehrfach erfinden muss. Das war auch die Forderung des Branchenparlaments vor einem Jahr, bei dem der Zwischenbuchhandel aufgefordert wurde, auf libreka zuzugehen und Kooperationsmöglichkeiten zu suchen. Nun gibt es solche Überlegungen. Es gilt jetzt, diese Überlegungen sorgsam auf ihre Tragfähigkeit und ihre Vorteile für die Branche zu prüfen, statt sie von vornherein wieder branchenintern zu zerreden.
  • libreka! ist die Antwort des deutschen Buchhandels auf den dramatischen Wandel unserer Branche durch die neuen Medien - so wie vor 40 Jahren das gedruckte VLB, dann die CD-ROM-Ausgaben und seit Jahren das VLB online andere Antworten auf den technischen Wandel darstellen. Der Zwischenbuchhandel hat in den vergangenen Jahrzehnten mit dem VLB und im Wettbewerb mit dem VLB sein Dienstleistungsangebot zum Wohl aller Marktteilnehmer vollständig erneuert und nicht etwa mit Austritt aus dem Verband reagiert. Warum sollte sich ausgerechnet bei Libreka ein Telnehmer, der die angebotene Kooperation nicht nutzen will (zum Beispiel weil er bereits über ein eigenes wettbewerbsfähiges Produkt verfügt) schmollend in die Ecke stellen und aus dem Verband austreten?

Karl-Peter Winters,
Vorsitzender des Verleger-Ausschusses:

  • Ein Joint Venture zwischen libreka! und dem Zwischenbuchhandel zur Etablierung einer elektronischen Distributionsplattform kann durchaus sinnvoll sein, weil und wenn es die Branche durch eine kostengünstige Lösung stärkt. Allerdings darf eine solche Gemeinschaftslösung den Wettbewerb nicht beschränken. Verbandspolitisch ist sie nur vertretbar, wenn der übrige Zwischenbuchhandel nicht außen vor bleibt, sondern die Wahl hat, sich daran zu  zu beteiligen. Daraus folgt: die Eintritts-Kriterien dürfen nicht so festgelegt sein, dass ein Teil des Zwischenbuchhandels de facto ausgeschlossen wird, z.B durch die Festlegung von Umsatzgrößen oder erforderlichen Finanzmitteln. Ich bin skeptisch, ob das möglich ist, ohne das Konzept einer Bündelung der Kräfte und einer Stärkung der Branche zu verfehlen. Das Vorhaben kann in einem Spartenverband nur realisiert werden, wenn dadurch nicht die Spartenverbindung gefährdet wird.

Matthias Heinrich (Brockhaus Commission)
Vorsitzender im Ausschuss für den Zwischenbuchhandel:

  • Ein Joint Venture kann nur dann Sinn machen, wenn libreka! und die gesamte Branche aus dem Ergebnis Nutzen ziehen können, nicht nur einzelne Marktteilnehmer. Ökonomisch ist ein Joint Venture aus meiner Sicht nur dann sinnvoll, wenn keine Subventionierung durch die "neutralen" VlB-Gebühren mehr stattfindet, sondern das neue Joint Venture mit den Mitteln seiner neuen Gesellschafter eigenständig wirtschaftlich erfolgreich am Markt operiert. Das dürfte nicht ganz so einfach sein. Verbandspolitisch ist ein Joint Venture nur dann zu akzeptieren, wenn eine Vielzahl von Beteiligten aus dem Zwischenbuchhandel eingebunden würde. Aus meinem Unternehmerverständnis schließt sich dies aber nahezu aus, da mit "vielen Köchen in einem solchen Projekt in einem sich ständig wandelnden und dynamisch entwickelnden Markt kein ordentlicher Brei zu kochen ist."

    Dieses Dilemma lässt sich nur lösen, indem die Einstiegshürden in das Joint Venture - es ist branchenpolitisch überhaupt nur durchsetzbar, wenn eine entsprechend große Anzahl von Zwischenbuchhändlern angesprochen wird - bei einer "Ausschreibung" sehr hoch gelegt werden, so dass es zu einem Negativauschluss kommt und am Ende nur eine kleine Zahl an Unternehmen am Joint Venture mitwirken können - so es diese wollen und es in deren Unternehmenstrategie überhaupt passt. Der Nachteil eines breit gestreuten Gesellschafterkreises wäre darüber hinaus, dass auch Unternehmen vom Knowhow der anderen Profit ziehen können, die sich bislang noch überhaupt nicht mit dem Thema eBooks beschäftigt haben.

    Eine Qualifikation für den Gesellschafterkreis müsste also sein, selbst über funktionierende Lösungen im Bereich eBook-Distribution zu verfügen, um nicht Wettbewerbsvorteile anderer auf günstigem Weg übernehmen zu können. Wir verfügen als Unternehmen über eine digitale Distribution, wären ergo nicht von vornherein inakzeptabel. Wird das Projekt Joint Venture aber auf die von mir beschriebene Weise mit der Maßgabe, den Gesellschafterkreis klein zu halten, konsequent durchgezogen, reagieren die nicht beteiligten Unternehmen mit Unverständnis und der Unmut wird groß sein, da durch eine mögliche Kompetenzbündelung bei wenigen großen Partnern die Konzentrationsprozesse noch einmal verstärkt werden.  Das ist branchenpolitisch eigentlich nicht zu wünschen.  
  • Trotz des Vertrauensverlustes werden aufgrund der Vorteile einer Mitgliedschaft die wenigsten unzufriedenen Mitgliedsunternehmen aus Protest aus dem Börsenverein austreten. Es gibt auch BV-Initiativen und MVB-Unternehmen wie die IBU, die BAG und das VlB, die zur Erhaltung eines Oligopols für die Mitglieder als Einrichtung gewünscht sind, Nutzen stiften und genutzt werden. Ich kann mir aber vorstellen, dass  die Bereitschaft zu ehrenamtlichen Engagement weiter schwindet.  Ein eigenes Kooperationsprojekt der ausgeschlossenen Zwibu-Independents umzusetzen, das dann konkurrenzfähig ist, halte ich für extrem schwierig. Ein Versuch, wenn wirtschaftlich machbar, halte ich dennoch für die konstruktivere Variante, als wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Dir mir am Markt bekannten Unternehmen stehen positiv zu einem fairen Wettbewerb, der durch alternative Anbieter ausgelöst würde.  

 

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