Literaturwettbewerb

Besucherrekord: 750 Literaturbegeisterte beim 18. Open Mike

15. November 2010
von Börsenblatt
Rund 750 Literaturbegeisterte wollten dabei sein, als am Samstag und Sonntag in Berlin zwanzig ausgewählte Nachwuchsautoren beim Open Mike dem wichtigsten Wettbewerb für junge deutschsprachige Literatur, ihre Texte öffentlich präsentierten.

Lag es an der Prominenz, dass der Publikumsandrang stärker als je zuvor war? Hochkarätig besetzt jedenfalls zeigte sich die diesjährige Lektoren-Riege: Mit Martin Hielscher (C.H. Beck), Christian Döring (seinerzeit Suhrkamp), Marion Kohler (DVA), Olaf Petersenn (Kiepenheuer & Witsch), Christiane Schmidt (Hoffmann & Campe) und Dirk Vaihinger (Nagel & Kimche) waren namhafte Förderer junger Schriftsteller und gleichermaßen Vertreter großer Verlage mit der Vorauswahl aus den etwa 700 anonym eingesandten Texten betraut. In der Jury saßen neben Hanns-Josef Ortheil, der sich seit Jahren intensiv Schreibwerkstätten widmet, der literarische Weltenbummler Ilija Trojanow und die Lyrikerin und Kennerin russischer Literatur Anja Utler.

Zu Doppelungen bei der Prämierung kam es dieses Jahr nicht. Die Publikums-Jury der tageszeitung (taz) nominierte Sebastian Polmans, weil dessen Text „Über Peanuts, mich und andere Sachen“ rhythmisch überzeuge und durch „Erotik einer Nonne fasziniere“. Der 28-jährige Autor, der Schreiben und Lesen als Lebensform auffasst und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift BELLA triste war, ist bereits bei Suhrkamp unter Vertrag.

  • Den Preis der Jury für Lyrik erhielt Levin Westermann: „Seine Gedichte werfen der Lyrik den Fehdehandschuh hin und lassen hinter kalter Abwesenheit ein Verlangen nach Poesie und Lebendigkeit aufglühen“. Der aus Meerbusch stammende Dichter quittierte es mit einem Jubelschrei.
  • Der dreißigjährige Jan Snela erhielt einen der beiden Preise für Prosa und eine lobende Erwähnung der taz-Jury: Sein Text „Milchgesicht“ – absurd-tragikomisch: der Protagonist kauft an der Tankstelle 17 Liter Milch fürs Milchbad – bringe per Phantastik die Welt zum Erscheinen, die Dinge raunten zurück. 
  • Jüngster der Gekürten, Jahrgang 1988, ist der reisefreudige Janko Marklein. Er hat bereits in einigen namhaften Anthologien veröffentlicht und überzeugte die Jury mit dem harten, Gefühle verdrängenden Text einer Dorfjugend, „der Gesellschaft in ihrem kleinsten Nukleus abzubilden versucht“ und dem Nichtgesagten „erlaube, zwischen den Sätzen hineinzuschlüpfen“.

Die Lektoren lobten das handwerkliche Niveau der Texte und die Vielfalt der Stilmittel. Wie bei voraufgegangenen Open Mikes herrschten monologische Struktur und eine starke Ich-Zentrierung mit Fokus auf persönlichen Konflikten vor, thematisch sei eine dauernde Verstörung – instabile Beziehungen, labiles Ich – spürbar; ein Irritationsfaktor erheblichen Grades, der sich auch in der Lyrik als nicht mehr funktionierende Sprache äußere. Die Vernetzung der jungen Literaturszene jedenfalls, vermerkten Veranstalter Literaturwerkstatt und Sponsor Crespo Foundation zufrieden, trage Früchte – nicht zuletzt in der Vortragsqualität. Vielleicht ist auch dies ein Grund, warum es dem Open Mike an Publikum nicht fehlt.

Nachzulesen sind die Wettbewerbstexte in der Anthologie "18. OPEN MIKE" des Allitera Verlags.
Die Preisträger werden auf ihrer Lesereise am 16.11. in Frankfurt, 17.11. in Zürich und 19.11. in Wien zu erleben sein. Deutschlandradio Kultur sendet am 21.11. um 0.05 Uhr eine Reportage zum 18. Open Mike.