Branchenparlament

Diskussion über die Ausgliederung von libreka! in ein Joint Venture mit Zwischenbuchhändlern

11. November 2010
von Börsenblatt
Soll, kann und darf libreka! aus der MVB ausgegliedert und in ein Joint Venture mit dem Zwischenbuchhandel geführt werden? Unter anderem diese Frage wurde heute im Branchenparlament aufgeworfen.

Angestoßen wurde die Diskussion von Holger Bellmann (Libri). Nach seiner Kenntnis gebe es bereits konkrete Gespräche mit mehreren Branchenteilnehmern aus dem Zwischenbuchhandel, um bei libreka! enger, in Form eines Joint Ventures, zusammenzuarbeiten. Bellmann bezeichnete solche Gespräche als „Gratwanderung“, wenngleich rational vieles dafür spreche. Die Erfolgsaussichten für ein solches Vorgehen könne er noch nicht abschätzen. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Kooperation hänge auch von der Stimmung hier im Branchenparlament ab. Ob es gewollt sei, dass drei bis vier Unternehmen die „Pace“ machen.

Stephan Schierke von der VVA argumentierte, dass durch solch ein Vorgehen faktisch der Wettbewerb eingestellt werde. Die Wettbewerbsposition in einem dynamischen Markt würde geschwächt, monopolare Strukturen geschaffen.

Oliver Voerster (KNV) sprach sich für Kooperationen mit libreka! aus. „Man kann nun gemeinsam überlegen, ob man gegen die Wand rennt oder einen anderen Kurs einschlägt.“ Noch habe man die Möglichkeit, die Wege zusammenzuführen. Es sei hier heute eine historische Situation. „Es ist durchaus möglich, dass einzelne Unternehmen mit libreka! etwas gemeinsam machen. Wenn wir das nicht tun und unsere Kräfte verzettelt haben, sollten wir uns an die Stunde heute erinnern und sagen, wir haben die Möglichkeit verpasst.“

Die Berliner Buchhändlerin Ruth Klinkenberg plädierte für eine weiterhin unabhängige Branchenplattform libreka!. Nun sei ein Fachbeirat gefragt, der das weitere Vorgehen prüfen solle.

Kein Problem, sondern vor allem eine Erfolgsgeschichte ist libreka! für Jürgen Horbach, Schatzmeister des Börsenvereins und Aufsichtsratsmitglied der übergeordneten Holding. libreka sei nicht vom Himmel gefallen, sondern habe Dienstleistungen entwickelt, die nun auch andere Unternehmen für sich entdecken würden.

Gehen Kooperationsbestrebungen mit einzelnen Mitgliedern, die über Dienstleistungsverträge hinausgehen und in ein Jointventure münden, über den "Pfad der Tugend, der Neutralität" hinaus? Diese Frage muss sich der Verband aus Sicht von Karl-Peter Winters, Vorsitzender des Verleger-Ausschusses, nun stellen. Auch Vorsteher Gottfried Honnefelder unterstrich, dass es nur Kooperationen geben dürfe, bei denen keine Branchenteilnehmer ausgegrenzt würden.

Hartmut Falter (Mayersche, Aachen) sieht die aktuelle libreka!-Debatte in einem übergeordneten Kontext. "Hier geht es doch um das grundsätzliche Verhältnis zwischen dem Börsenverein und seinen Wirtschaftsbetrieben." Er habe ein ungutes Gefühl, wenn sich die Wirtschaftsbetriebe verselbständigten. Falter forderte mehr Transparenz ein: "Die momentane Entwicklung sehe ich mit Unbehagen und finde sie befremdlich".

Bei der Debatte im Branchenparlament ging es neben dem Für und Wider eines möglichen Jointventures auch um die Grundsatzfrage, ob und wie weit Börsenvereinstöchter anderen Mitgliedern am Markt Konkurrenz machen dürfen. Matthias Ulmer (Ulmer Verlag) unterstrich, dass die Aufbereitung der Metadaten und die Entwicklung von Regelwerken für den E-Book-Vertrieb keineswegs eine neue Stufe im libreka-Portfolio sei, sondern schon in den ersten Projektkatalogen gestanden hätten. Ulmer hatte die Branchenplattform damals mitangestoßen, die zunächst als Volltextsuche Online (VTO) an den Start gegangen war.

Dass es beim Thema Konkurrenz letztlich um einen Zielkonflikt gehe, sagte Ronald Schild, als Geschäftsführer der Börsenvereinstochter MVB für libreka! verantwortlich: "Branchennahe, erfolgreiche Dienstleistungen sind für uns konkurrenzfrei nicht zu erbringen".

Schild erinnerte daran, dass es eine Forderung aus der Branche gewesen sei, bei libreka! genau deshalb enger mit dem Zwischenbuchhandel zusammenzuarbeiten. libreka! wolle sich öffnen, die Bandbreite möglicher Kooperationen reiche von der gemeinsamen Contentvorhaltung bis zu einer Zusammenlegung der Distribution für E-Books: "Für eine Wasserstandsmeldung ist es aber im Moment noch zu früh."

Heinrich Riethmüller (Osiander), Vorsitzender des Sortimenter-Ausschusses, erinnerte den Zwischenbuchhandel daran, dass Konkurrenzprodukte unter dem MVB-Dach nichts Neues seien: "In den 70er Jahren haben wir ähnliche Diskussionen zum VLB geführt". Damals hätten die Zwischenbuchhändler um ihre Kataloge gebangt: "Heute Sie stehen alle gut da". Das Thema ist aber offenbar noch nicht ganz zu Ende diskutiert: Das nächste Branchenparlament im Frühjahr soll sich erneut solchen Wettbewerbsfragen widmen.

Eine Handlungs-Empfehlung, "Frankfurter Erklärung" genannt, gaben die Parlamentarier im Frankfurter Goethehaus diesmal nicht ab. Stattdessen fasste Parlamentspräsident Heinrich Riethmüller die Diskussion noch einmal zusammen: "Konsens ist, dass alle Sparten nach wie vor hinter libreka! stehen. Probleme gibt es bei der Wettbewerbssituation und der Frage, wie weit eine Zusammenarbeit zwischen der Branchenplattform und einzelnen Mitgliedsunternehmen gehen darf."

Riethmüller appellierte an die drei Sparten, das Gespräch über die strittigen Punkte fortzusetzen. Und machte deutlich, dass die Fachausschüsse vor der Entscheidung über ein Jointventure informiert werden sollten: "Von einer so weitreichenden Entscheidung wollen wir nicht überrascht werden."