Die Buchbranche im größten Land Südamerikas

11. November 2010
von Börsenblatt
Brasilien – das fünftgrößte Land der Welt. Erik Lorite Schmitt wirft einen Blick in die Ferne und gewährt tiefe Einblicke in das brasilianische Buchhandelssystem.

Fakten, Fakten, Fakten

Mit seinen 193 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 8.514.215 km² ist Brasilien das einzig portugiesischsprachige Gebiet in Südamerika. Seit 1985 ist das Land eine präsidiale Bundesrepublik. Davor herrschte einundzwanzig Jahre lang eine Militärdiktatur. In dieser waren alle kulturellen Güter einer strengen Zensur unterworfen. Alles, was dem Regime nicht genehm war, wurde zensiert. 

 

Kulturell ist das Land durch seine Einwanderungswellen sehr breit gefächert. Jede Welle brachte neue ethnische Gruppen mit, die bis heute noch ihre alten Sprachen und Traditionen pflegen. So findet man im Süden die angeblich deutscheste Stadt der Welt: Pomerode. Die Neuankömmlinge haben aber auch das Portugiesisch beeinflusst und daraus eine eigene Sprache gemacht, die wenig mit der aus Portugal zu tun hat.

Literatur in Brasilien

Das erste schriftliche Zeugnis Brasiliens ist ein Brief von Pero Vaz de Caminha an Manuel I. von Portugal, der Brasilien im Jahre 1500, dem Entdeckungsjahr Brasiliens, beschreibt. Heute wird es als erstes literarisches Werk Brasiliens angesehen. Die Literatur zur Zeit des Militärregimes unterlag wie bereits erwähnt einer starken Zensur. Erst seit 1985 kann sie sich frei entfalten. Heute kann Brasilien auf einige Autoren blicken, die sogar weltweit bekannt sind. Darunter fallen Namen wie Jorge Amado und Paulo Coelho.  Lygia Bojunga Nunes bekam sogar den Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis für eines ihrer Kinderbücher im Jahr 2004. Für die Kinder am bekanntesten sind die Comicreihen von Mauricio de Sousa: A Turma da Monica (Monicas Truppe).

Buchbranche allgemein

Im Gegensatz zu Deutschland ist Brasilien nicht so gut strukturiert. Bücher werden geschrieben und der Autor hat jeweils zwei Möglichkeiten: Erstens, er geht zu einem Dienstleister. Problem hierbei ist, dass der Autor alles aus eigener Tasche bezahlen muss. Vorteil ist hingegen, dass das Buch in der Art und Weise erscheint, wie der Autor es sich vorgestellt hat. Auch wird er hier wie ein König behandelt, da  die Dienstleister wenige Kunden haben. Oder aber er geht, zweitens, zu einer „editoras comerciais“, einem gewerblichen Verlag. Dort hat er mehrere große Vorteile: Der Autor bekommt alles bezahlt, gelayoutet, vermarktet, Prestige und eine sichere Bezahlung. Nachteile gibt es aber auch. Da ein Verlag meistens zu wenig Geld hat, um viele Autoren zu bezahlen, wird eine strenge Selektion durchgeführt. Es ist schwierig für einen Autor, in einen Verlag zu kommen. Da Bücher nicht – wie hier – als Kulturgut gesehen werden, wird einem Autor und seinem Produkt nie so viel Hingabe gewidmet, wie zum Beispiel einem deutschen Buch und seinem Schöpfer – selbst wenn der Autor ein Bestsellerautor ist. Nicht nur der Autor ist dem Willen des Verlags unterworfen. So kann es eine Buchhandlung geben, die das Werk gerne im Sortiment haben würde, es aber nicht bekommt, weil der Verlag keinen Verkäufer hinschicken kann oder will. Und da es keinen Zwischenbuchhandel gibt, wie in Deutschland, gehen dem Autor viele potenzielle Leser verloren. Größtes Manko ist, dass der Autor den Text an den Verlag übergibt. Dieser darf nach freiem Belieben über ihn verfügen und ihn ändern. Selbst bei wissenschaftlichen Publikationen kann der Verlag die Veröffentlichung verweigern. Daher ist es manchmal für einen Auto besser, er publiziert über Dienstleister, selbst wenn er anfangs auf den Kosten  sitzen bleibt. Dafür kann er aber frei über seinen Inhalt verfügen, denn Urheberrechte werden nicht immer geachtet. Wenn gar nichts hilft und kein Verlag aushelfen will, kann der Autor immer noch in Eigenregie eine kleine Auflage drucken, einen eigenen Verlagsnamen darauf drucken und sich so eine ISBN erschleichen.

 

Der Verlag wird dann mit Verkäufern in Buchhandlungen gehen oder das Werk in Katalogen anbieten. Einen Gesamtkatalog wie das VLB gibt es nicht. So existiert von vornherein ein nur sehr eingeschränkter potenzieller Käuferkreis. Beim Dienstleister muss der Autor selbst die potenziellen Käufer suchen, im Notfall mit einem Türverkauf bei den Kunden.

Deutscher und brasilianischer Buchmarkt – ein Vergleich – eine Partnerschaft

In Deutschland lag der Umsatz 2009 bei 9.691 Mio. €. In Brasilien im Jahr 2008 lag er bei umgerechnet 1.397 Mio. € und das ohne Buchpreisbindung. Es wurden 333.2 Mio. Bücher verkauft, was ein Wachstum von 10% gegenüber 2007 bedeutet. Es wirkt ein bisschen unfair, wenn man sich anschaut, wie die Buchbranche dort arbeitet. Es sollte uns in Deutschland zu denken geben, dass wir unsere Bücher vielleicht so gut schützen, dass sie sich nicht verkaufen lassen. Dabei sind in Brasilien nur 66.5 Mio. von den 193 Mio. Einwohnern Leser. Diese lesen im Schnitt 3.7 Bücher im Jahr. Die Leser kommen aus jungen, in Großstädten lebenden, wohlhabenden Familien und haben eine gute Bildung. Zwischen Brasilien und Deutschland herrscht aber auch eine gute Zusammenarbeit. So verkauft Deutschland im Schnitt 150 Lizenzen pro Jahr nach Brasilien und Brasilien ist innerhalb von Amerika (Nord und Süd) der zweitgrößte Abnehmer deutscher Lizenzen.  Im Jahr 2009 waren es 134 und somit ein Anteil von 2,1% aller Lizenzen. Andersherum sind es unter 30 Stück im Jahr.

CBL -  Câmara Brasileira do Livro (Brazilian Book Chamber)

Um die Buchbranche zu organisieren und vor allem um sie international wettbewerbsfähig zu machen, wurden viele Organisationen gegründet. Diese helfen Verlagen bei der Zusammenarbeit mit den Buchhändlern. Sie organisieren Schulungen, um den Buchhändlern neue Marketingstrategien beizubringen. Sie bringen aber auch die brasilianische Buchbranche in die weite Welt. So waren viele Verlage unter der Schirmherrschaft der CBL (www.cbl.org.br) auf der Frankfurter Buchmesse. Die CBL ist die größte  dieser Organisationen und hat auch den größten Einfluss. Eine andere ähnliche Organisation ist die noch sehr junge LEYA (Heißt übersetzt einfach „lies“; www.leya.com), die ähnlich arbeitet und auch in Frankfurt war. Man sieht also, dass die Branche dort versucht, international anschlussfähig zu werden.

Fazit

Die Buchbranche in Brasilien kann nicht auf eine lange Tradition zurückblicken, wie die in Deutschland. Als hier schon über Buchpreisbindung diskutiert wurde, waren die Brasilianer froh, wenn es Leute gab, die lesen konnten. Die Leserschaft wird wachsen und somit auch der Konsum der Bücher steigen. Die Branche wird sich, da sie sich international anpassen will, in den nächsten Jahren ändern. Wir können gespannt sein, wie es werden wird.