Meinung

Hörbuch-Download: Zu wenig zum Leben

27. Oktober 2010
von Börsenblatt
"Die Konditionen, die Audible den Hörbuchverlagen aufzwingt, sind meilenweit davon entfernt, fair für alle zu sein", meint Johannes Stricker. Das  Geschäftsmodell Hörbuch-Download müsse schleunigst für alle Marktteilnehmer auskömmlich geregelt werden, so der Geschäftsführer von Hörbuch Hamburg.

Der Verkauf des Hörverlags und die Konzentration sind eine Seite, mehr Sorgen macht mir das Downloadgeschäft. Die Bedrohung kommt aus einer Ecke, die manche noch als Bereicherung für den Hörbuchmarkt feiern, nämlich vom Marktführer audible.de.

Wie begegnen wir dem Gerätewandel (vom CD-Player zum MP3-Player) mit unseren Produkten? Wie können wir unsere aufwendigen und qualitativ hochwertigen Produktionen refinanzieren und unsere vielfältigen Programme kalkulieren? Das sind die Fragen, die die Branche schleunigst beantworten muss!

Wir müssen nicht in die USA blicken, um zu sehen, dass der Downloadanteil wächst, auch in Deutschland entwickeln sich die Downloadumsätze zu einer nicht mehr vernachlässigbaren Größe. Umso bedrohlicher ist die Situa­tion, dass der deutsche Hörbuch-Downloadmarkt quasi von einem Monopolisten beherrscht wird, der mindestens 85 Prozent Marktanteil hat und den Verlagen seine Konditionen aufzwingt. Kondi­tionen, die für mein Empfinden meilenweit davon entfernt sind, fair zu sein. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu ahnen, wie gering die Erlöse sind, die bei den Verlagen, Autoren und Sprechern landen, wenn der Downloadpreis für den Kunden bei 9,95 Euro liegt. Und das wohlgemerkt auch für Titel, die im Handel 24,95 oder 39,95 Euro kosten.

Dass Downloads dem Hörbuch neue Hörer zuführen, stimmt nur noch zum Teil – und in Zukunft immer weniger. Inhalte im Netz zu kaufen wird immer bequemer, selbstverständlicher und üblicher, und da muss man schon sehr naiv sein zu glauben, dass hier proportional zu der nachlassenden Beratungskompetenz und abnehmenden Angebotsbreite im stationären Handel keine Abwanderung vom Buchhandel ins Netz stattfindet. Downloads substituieren mehr und mehr das haptische Hörbuch!

Glaube keiner, dass audible.de diese Form der Kundengewinnung und -bindung (nämlich das Niedrigpreis-Abo) selbst finanziert. Das funktioniert nur, weil die Verlage sich dieser Art von Geschäftsmodell mit entsprechend eingeräumten De-facto-Rabatten auf den Downloadpreis beugen. Bedenkt man dann noch, dass audible.de exklusiver Zulieferer für alle Hörbuchinhalte an iTunes ist, dem größten Player für Downloads im Markt, dann ist klar, dass die Hörbuchverlage die Wahl haben zwischen Pest und Cholera: Entweder bieten sie Audible ihre In­halte zu den vorgegebenen Konditionen an, oder sie machen eben gar keine Umsätze mit Downloads.

Wer sagt eigentlich, dass der Kunde nicht bereit ist für gute Produktionen auch im Download-Abo mehr zu zahlen als 9,95 Euro? Hat das audible.de mal aus­probiert? Und warum eigentlich nicht? Weil man das Geschäftsrisiko lieber den Verlagen überlässt?

Wenn wir es nicht schaffen, das Geschäftsmodell Hörbuch-Download gemeinsam mit den Downloadplattformen – und derzeit hat audible.de hier nun mal fast die Alleinstellung – so zu gestalten, dass die Verlage einen fairen und attraktiven Erlös aus den Download-Umsätzen erhalten, sieht es düster aus. Früher oder später werden dann nämlich die in den letzten Jahren immer besser gewordenen Produktionen nicht mehr refinanziert werden können und es passiert, was in niemandes Interesse liegen kann: Die Milchkuh, die man über die Jahre gut gefüttert und genährt hat, wird geschlachtet.