Interview mit "KrimiWelt"-Juror Volker Albers

"Krimi-Leser haben ein Recht auf Unterhaltung"

23. Juli 2015
von Börsenblatt

Der deutschsprachige Krimi erreicht heute ein deutlich höheres literarisches Niveau als noch vor wenigen Jahren. "KrimiWelt"-Juror Volker Albers über seine Favoriten.

Ist die literarische Qualität deutscher Krimis in der Regel immer noch unbefriedigend – oder ist eine deutliche Verbesserung auszumachen?
Aus meiner Sicht ist schon seit einigen Jahren eine deutliche Qualitätssteigerung im deutschsprachigen Kriminalroman zu beobachten. Das Urteil, der deutsche Krimi sei ein besserer Heimatroman, mag für die inflationären Publikationen im Bereich der sogenannten Regionalkrimis durchaus seine Berechtigung haben. Aber Autoren wie Astrid Paprotta, Friedrich Ani, Ulrich Ritzel, Wolf Haas, Heinrich Steinfest und in jüngerer Zeit Elisabeth Herrmann sowie Stefan Slupetzky haben den deutschsprachigen Kriminalroman auf ein literarisch deutlich höheres Niveau gehoben. Dass es noch immer nicht eben wenige Ausfälle nach unten gibt, steht auf einem anderen Blatt. Doch das ist im angloamerikanischen oder skandinavischen Sprachraum nicht anders.


Was ist den meisten Lesern wichtiger: eine gepflegte Sprache oder ein spannender Plot?

Was den Lesern wichtiger ist, kann ich nicht beurteilen. "Spannung ist das Lebenselement aller guten Literatur" – diese von Eric Ambler überlieferte kleine Sentenz sollte gleichwohl gültig bleiben. Und ist es vermutlich auch für alle Leser von Kriminalromanen. Der Rest ist reine Spekulation.

Sollten Verlage überhaupt eine Zielgruppe bedienen, die auf sprachliche Qualität keinen Wert legt?
Natürlich sollten sie das, denn auch wenn die sprachliche Qualität eines Romans gewissen hohen Kriterien nicht standzuhalten vermag – dann sollte man doch diesen Lesern trotzdem nicht ihr Recht darauf rauben, unterhalten zu werden.
Wem das nicht gefällt, der kann ja andere Kriminalromane lesen. Schließlich ist auch niemand gezwungen, das erstmals von der "Titanic" und später von Harald Schmidt beschworene "Unterschichtenfernsehen" zu gucken. Und: Letztendlich wollen die Verlage auch Geld verdienen – was ja wiederum der Publikation von qualitativ hochwertigeren Produkten zugutekommen sollte (jedenfalls war das einmal so ...).

Können Sie Beispiele für deutschsprachige Krimis liefern, die neue literarische Maßstäbe für das Genre gesetzt haben?
Vor allem zwei Namen fallen mir da ein: der Wiener Wolf Haas und der in Stuttgart lebende Heinrich Steinfest. Beide Autoren haben sich sowohl formal wie auch literarisch in den Olymp deutschsprachiger Kriminalliteratur geschrieben. Man kann nur froh sein, dass Haas mit "Der Brenner und der liebe Gott" – nach einer Krimipause – einen neuen Kriminalroman geschrieben hat. Ein wunderbares Buch!

Interview: Michael Roesler-Graichen

Mehr zum Thema Krimi lesen Sie in Börsenblatt Heft 29.