Blog aus Abu Dhabi

Der arabische Buchmarkt: Zahlen und Fakten

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Mit Bachar Chebaro – Verleger von Arab Scientific Publishers sowie Generalsekretär der Arab Publishers’ Association – und seinen „Neuigkeiten vom arabischen Buchmarkt“ begann das diesjährige Fachbesucherprogramm. Für einen Vertreter der jüngeren Generation, der mit der Geschichte des arabischen Buchmarkts nicht vertraut ist, war diese Einführung äußerst wertvoll, da sie einen hochinteressanten Überblick über die derzeitige Lage des Verlagswesen in der arabischen Welt bot.
Auf einige zentrale Themen kam Chebaro während seiner Rede immer wieder zu sprechen: auf die Bedeutung des Libanons und Ägyptens als „Verlagszentren“ der arabischen Welt, auf die beträchtlichen Schwierigkeiten beim Vertrieb – vor allem über Grenzen hinweg –, sowie auf das große Problem der Copyright-Verstöße (was wiederum eng mit der Vertriebsproblematik zusammenhängt).

Bedauerlicherweise existieren zum arabischen Verlagswesen keine verlässlichen Zahlen. ISBN-Nummern wurden nicht korrekt vergeben, es wurde versäumt, Bücher zu einer zentralen Erfassungsstelle zu schicken usw. Das bedeutet, dass alle Zahlen auf Schätzungen beruhen und ungenau sind. Um die Produktion einiger Staaten vergleichen zu können, griff Chebaro daher auf Angaben des größten arabischen Online-Buchhandels http://www.neelwafurat.com/ zurück.

Was Produktionszahlen betrifft, liegen Libanon und Ägypten an der Spitze. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 wurden im Libanon jeweils 3.121, 4.165 und 3.330 Bücher produziert, während ägyptische Verlage 3.016, 2.960 bzw. 2.310 Titel veröffentlichten. (Im gleichen Zeitraum wurden in Syrien 889, 886 bzw. 1.170 Bücher veröffentlicht.) Noch deutlicher tritt die Bedeutung libanesischer und ägyptischer Verlage zutage, wirft man einen Blick auf die jüngste Shortlist für den International Prize for Arabic Fiction: Obwohl die sechs Finalisten aus Ägypten, Syrien, dem Irak, Jordanien und Tunesien stammen, erschienen fünf der Titel bei libanesischen Verlagen und der sechste bei einem ägyptischen Haus.

Laut Chebaro ist die Relevanz ägyptischer und libanesischer Verlage auf die höher entwickelten Vertriebssysteme in den beiden Ländern zurückzuführen. Da es in der arabischen Welt kein übergreifendes Vertriebssystem gibt, kann es äußerst schwierig sein, Bücher über Grenzen und in andere Länder zu bringen. Sich mit dieser Problematik zu befassen, hat für die Arab Publishers’ Association höchste Priorität. Bis sie für einige dieser Titel eine größere Leserschaft gewinnen kann, liegt jedoch vermutlich noch ein langer Weg vor ihr (Chebaro beklagte, dass die Auflage der meisten arabischen Bücher zwischen 2.000 und 3.000 Exemplaren liegt – gegenüber einer Gesamtbevölkerung von mehr als 340 Millionen Menschen in der arabischen Welt). Ebenso dringlich ist es, der Piraterie in der Region einen Riegel vorzuschieben. Anstelle eines internationalen Vertriebssystems existiert Chebaro zufolge ein Netzwerk, das Bestseller und akademische Texte raubkopiert und ohne Copyright-Vereinbarungen in andere Teile der arabischen Welt bringt.

Für die arabische Verlagswelt stellt das ein großes Problem dar. Tatsächlich durften im vergangenen Jahr einige Verlage aufgrund von Copyright-Verstößen nicht als Aussteller an der ADIBF teilnehmen. Bei der diesjährigen Messe wurden weit weniger Verlage abgewiesen, was zum Teil daran liegt, dass im Vorjahr abgelehnte Häuser auf eine erneute Bewerbung verzichtet haben. Um ein größeres Bewusstsein für Copyright-Fragen zu schaffen, gibt es in diesem Jahr einen speziellen Workshop zum Thema „Focus on Rights“ sowie einen Zuschuss von 1.000 US-Dollar für Verlage, die auf der Messe Rechte verhandeln und erwerben.

Um noch einmal kurz auf die Zahlen zurückzukommen: In den Jahren 2006, 2007 und 2008 wurden in der arabischen Welt jeweils 7.230, 7.080 bzw. 5.910 Bücher veröffentlicht, die in arabischer Sprache verfasst wurden. Im gleichen Zeitraum kamen jeweils 1.480, 1.880 bzw. 1.650 ins Arabische übersetzte Titel auf den Markt.

Zumindest ein Teil dieser Übersetzungen geht auf die Subventionsprogramme der Mohammed bin Rashid Al Maktoum Foundation und der Übersetzungsinitiative Kalima zurück. Laut Chebaro werden überwiegend akademische, technische und wissenschaftliche Werke übersetzt, neuerdings zeichnet sich aber auch eine Entwicklung hin zu Romanen, Kinderbüchern, philosophischen und zeitgeschichtlichen Titeln ab. Chebaro wies darauf hin, dass es im Idealfall Übersetzungen sowohl ins Arabische als auch aus dem Arabischen in andere Sprachen geben sollte, dass jedoch üblicherweise mehr Titel ins Arabische übersetzt werden als umgekehrt.

Insgesamt betrachtet, bietet die arabische Welt trotz aller Probleme jede Menge Möglichkeiten. Das Interesse an Übersetzungen ausländischer Titel ins Arabische ist groß, und es gibt eine Vielzahl spannender Bücher zu entdecken. Im Zuge der Weiterentwicklung des Vertriebssystems – bei der vielleicht auch das E-Book eine Rolle spielen könnte – sollte einem Wachstum des arabischen Buchmarkts nichts im Wege stehen.