Juergen Boos, der Direktor der Frankfurter Buchmesse, betont: "In diesem Jahr ist es wichtiger als je zuvor, die Frankfurter Buchmesse durchzuführen. Mit der Präsenz auf dem Messegelände, Buchevents vor Ort und virtuell schaffen wir Aufmerksamkeit für Autorinnen und Autoren, für die Branche, für unsere Themen. Die Frankfurter Buchmesse 2020 ist coronabedingt eine Sonderedition – ein Programm vor Ort, kombiniert mit zukunftsweisenden digitalen Formaten. Wir danken dem Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Volker Bouffier, dem Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, dem Finanzminister Michael Boddenberg sowie dem Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main, Peter Feldmann, für ihre große Unterstützung.“
Die Frankfurter Buchmesse erwartet die Teilnahme von Ausstellern aus ganz Europa und, abhängig von den dann geltenden Reisebeschränkungen, dem internationalen Ausland. Details zur Programmplanung und zur diesjährigen Kampagne werden Ende Juni bekannt gegeben.
"Die Frankfurter Buchmesse ist ein Teil der DNA dieser Stadt und auch eine Ikone der Messewirtschaft. Wir freuen uns sehr darüber, dass sich die Branche für eine Buchmesse 2020 entschieden hat und damit ein sehr positives wirtschaftliches Signal sendet. Dabei haben – wie dies bei der Messe Frankfurt stets der Fall ist – die Sicherheit und Gesundheit aller Teilnehmer höchste Priorität. Wir haben ausgefeilte Maßnahmen hinsichtlich Abstandsregeln, Besucherführung und Hygiene erarbeitet, und werden das Konzept den aktuellen Erkenntnissen und Anforderungen anpassen. Die Umsetzung wird sehr strukturiert erfolgen, und wir werden die Frankfurter Buchmesse mit allen Kräften unterstützen“, so Uwe Behm, Geschäftsführer der Messe Frankfurt.
Digitales Rahmenprogramm
Das digitale Rahmenprogramm der Frankfurter Buchmesse deckt mit vielen Angeboten die Anforderungen sowohl der Teilnehmer*innen vor Ort als auch der virtuell zugeschalteten Teilnehmer*innen aus der ganzen Welt ab: Unternehmens- und Produktpräsentationen, Anlässe und Formate zur Geschäftsanbahnung, Kontaktaufnahme mit Geschäftspartnern, Markttrends und Weiterbildung. "Derzeit entwickeln wir eine Reihe von digitalen Formaten, die genau auf diese Kundenbedürfnisse eingehen und die Teilnahme von Unternehmen und Akteuren aus dem Publishing und angrenzenden Industrien weltweit an der Buchmesse 2020 ermöglicht," führt Juergen Boos aus.
Um Bücherfans weltweit über die Neuerscheinungen des Bücherherbstes 2020 zu informieren, findet die Frankfurter Buchmesse eine Woche lang auch virtuell statt. Geplant ist unter anderem ein BOOKFEST-Zentrum, von welchem aus die Frankfurter Buchmesse und ihre Medienpartner Neuerscheinungen und Autor*innen vorstellen und relevante Diskussionen anstoßen wird.
Die großen deutschen Publikumsverlage – die Verlagsgruppe Random House, die deutschen Bonnier Verlage, die Holtzbrinck Buchverlage sowie die Verlagsgruppe Bastei Lübbe – haben im Austausch mit der Frankfurter Buchmesse die Idee eines neuen Veranstaltungskonzepts im Rahmen der Buchmesse initiiert. Sie sind eng in die Konzeption, Kommunikation und später auch die Umsetzung dieser Idee involviert.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Initiativen aus der Buchbranche, die sich mit vielen Ideen zu digitalen und physischen Formaten einbringen will, und die mit der Frankfurter Buchmesse im regen Austausch steht.
"Ein wichtiger Schritt für Buch und Gesellschaft"
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Gesellschafter der Frankfurter Buchmesse, sieht die Entscheidung als richtigen Schritt und wichtiges Zeichen.
Damit mich hier niemand falsch versteht: Trotz aller Kritik an der Entwicklung der Messe in den letzten mindestens zehn Jahren, bin ich immer ein Fan der Frankfurter Buchmesse gewesen und geblieben. Sie ist fester Bestandteil in meinem Jahreskalender geworden, wie Geburtstage und Weihnachten. Es wird sich in diesem Jahr seltsam anfühlen, im Oktober nicht nach Frankfurt zu kommen, ob die Messe stattfindet oder nicht.
Die Messe rechnet mit einem Drittel der Aussteller (niemand aus den Amerikas, Asien noch unsicher) und einem Drittel der Besucher. Es dürfen 20.000 Personen gleichzeitig auf das Gelände (war das inklusive Aussteller - keine Angabe dazu).
Da die großen Verlagsgruppen Bonnier, Holtzbrinck und Random House keine Stände haben werden, fehlt der Messe das Gewicht und die Relevanz. Auf die Frage „Welche Aussteller werden denn Zugpferd der Messe sein?“ mit „Das muss jeder Besucher für sich selbst entscheiden“ zu antworten, ist zwar formell richtig, aber wenig hilfreich für eine Entscheidungsfindung anderer Verlage über eine Teilnahme.
Eine Messe erbringt eine Dienstleistung. Diese Dienstleistung ist nicht einfach nur die Vermietung von Standfläche. Diese Dienstleistung ist das Versprechen an alle Marktteilnehmer, dass die Messe ein wichtiger Marktplatz ist, an dem Buchliebhaber und Macher sich austauschen können. Wenn marktrelevante Verlage aber gar nicht da sind, werden manche Besuchergruppen, die ich anstrebe, auch fernbleiben.
Die großen Publikumsverlage haben hier die Funktion der Anchor Stores in Einkaufsmalls.
Die Frage nach der Abwicklung der Einlasskontrolle wurde auch übergangen. Zu Warteschlangen wurde nichts gesagt, und schon gar nicht überfüllten U- und S-Bahnen.
Das Sicherheitskonzept ist noch hochgradig schwammig und es fehlte die Information, wie die Messe damit umgehen wird, wenn ein angemeldeter Verlag das neue Sicherheitskonzept nicht mittragen möchte, wenn es denn mal präzisiert wurde.
Mir ist klar, dass die Messe in schwierigen Zeiten lebt, aber wir Verlage brauchen Planungssicherheit, bevor wir Kosten für Standbau und Standgestaltung verursachen.
Denn eigentlich sind wir in der Buchbranche in einer vergleichsweise komfortablen Lage: Unsere Produkte sind ideal für Formen des Social Distancing. Wer in diesen Tagen Zerstreuung durch Bücher sucht, findet sie auch. Der Buchhandel ist wieder geöffnet. Das ist gar kein Vergleich zu den Branchen, die auf Live-Publikum angewiesen sind (Konzerte) oder Kundenverkehr haben (Tanzschulen, Fitnessstudios).
Bezugnehmend auf den Kommentar von Andreas Schlüter: Müssen wir als Buchbranche wirklich dem Rest der Welt dieses Risiko aufdrücken? Ohne die wirklich existenzielle Not anderer Branchen? Müssen nicht auch wir Solidarität zeigen?
Und zum Kommentar von Dirk Weil: Da scheint mir nach Ansicht des Pressegespräches der Hase im Pfeffer zu liegen. Nichts wäre schlimmer für die Buchmesse als die eigene Obsolenz erkennen zu müssen. Also spielt man munter Systemrelevanz. Schlimm, dass das auf Kosten Anderer geschieht. Denn selbst wenn ich der Messe fernbleibe, um mich und meine Angestellten zu schützen, müssen wir alle die möglichen Folgen (zweite Welle, zweiter Lockdown, weit dramatischere wirtschaftliche Folgen) tragen.
So ungenau, wie die Aussagen getroffen sind, kann niemand eine fundierte Teilnahmeentscheidung treffen. (Der Volksmund sagt zu solchen Äußerungen Quark!) Und ein Verbot seitens der Politik kann natürlich immer noch kommen, da ist die BBG fein 'raus.
Tastache ist, dass die meisten Aussteller bereits angemeldet sind, und dass die BBG/Frankfurter Messe mit dieser unbrauchbaren Ankündigung jedenfalls sicher stellen will, dass sie bei Nichtteilnahme dennoch gemäß AGB die 50 % der Standgebühr kassiert – sie selbst sagt ja nicht ab.
Das ist ein unfaires Spiel mit der Existenz kleinerer und mittlerer Unternehmen.
Mögen alle Gutmeinenden den Traum von der Buchmesse in der bisherigen Form weiter träumen.
Lügen wir uns in alle mit Vorsteherin Schmidt in die Taschen, dass es einen "wahnsinnigen Durst" danach gäbe, dass es seit Jahren erhöhte Besucherzahlen gibt.
Frau Hartwig und Herr OB Feldmann leben in Blasen oder haben ein schlechtes Gewissen wegen des enormen Drucks der lokalen Wirtschaft in Sachen IAA-Absage, aber (fast) jede/r in der Branche weiß um die Wirklichkeit der letzten Buchmessen im Allgemeinen und der finanziellen Lage der Verlage und Buchhandlungen im Besonderen.
Wenn man die Leserbriefe hier liest, gewinnt man einen guten Einblick auf den Zustand in der Branche.
Man rechnet mit 30 (!!!) Prozent an bisherigen Teilnehmern der Verlage, das klingt optimistisch. Die in den letzten Jahren deutlich schön geredeten Besucherzahlen werden sich - je nach Gefahrenlage - eher im Bereich von 10 bis 20 Prozent bewegen.
Man mag diese Entscheidung mutig nennen.
Sie ist aber nicht nur gesundheitsgefährdend, sondern beruht vor allem auf einem wirklich ausblenden Blasen-Weltbild des Juste Mileus.
Alle die Verlage, die längst beschlossen haben, nicht teilzunehmen (weil sie kein Geld mehr haben, den Sinn des ganzen Zaubers seit Jahren nicht mehr einsehen, lieber auf Fachkongresse fahren...) sagen das nicht offen, weil sie Angst haben, die bereits gezahlten Gebühren nicht zurückerhalten. Es ist reine Taktik, aber es wird hoffentlich viele geben, die in den nächsten Wochen aus prinzipiellen Gründen absagen werden, um diesem aberwitzigen Beschluss Einhalt zu gebieten.
Random House und die Großen haben sowieso schon abgesagt, Kanada als Gastland zögert noch und die Lizenzverhandlungen finden längst per Zoom, Teams ...statt.
Aber alle "reichen" Buchhändler und ihre Auszubildenden strömen dann ab 14. Oktober zuhauf nach Frankfurt, wenn dann die zweite Corona-Welle ausbleibt und der gute OB Feldmann noch genügend Gewerbesteuer für all seine leeren Versprechungen und genügend Personal (AWO?) für die Abstandsregeln auf Rolltreppen und Toiletten hat.
Der Beschluss, diese Buchmesse stattfinden zu lassen, ist in jeglicher Hinsicht fatal und wird mit ziemlich großer Sicherheit für unsere Branche in einem Fiasko enden.“
Ich erhielt noch einen schönen Kommentar eines befreundeten Verlegers:
„1. Die Messe darf nicht stattfinden, weil die sog. Lockerungen die zweite und eventuell größere Welle produzieren und ein globaler Marktplatz sozusagen uns als Experimentierfeld für die total-globale Öffnung benutzen würde und wir es mit Kollegen zu tun bekämen, deren Regierungen extrem asozial sind in dem Desaster (USA, GB etc.)
2. Die 1. Rate ist umgehend und ohne Schnick-Schnack zurück zu erstatten.
3. Der Quatsch mit "flexiblen Modellen" und sowas muss gar nicht erst weiter verfolgt werden. Das Rumgeeiere des verantwortlichen Leiters der Veranstaltung darf nicht toleriert werden.
4). Die Messe hat für Verlage sowieso in den letzten Jahren an Bedeutung verloren: Spaß und Event, Alk und Häppchen dominieren...
5. Also ich werde Ende Mai unsere Teilnahme stornieren und nicht meine Kolleginnen und mich unnötig in große Gefahr bringen.
Ich bekenne, dass ich sehr zufrieden mit den autoritativen und frühen Maßnahmen der Regierung bin, schließlich wurden Tausende Tote vermieden; und eben weil es sie nicht gab, ist das kein Argument für eine "Lockerung".