Inselbuchhandlungen in Corona-Zeiten

"Das Polster vom Sommer ist aufgebraucht"

27. März 2020
Redaktion Börsenblatt
Keine Touristen, keine Handwerker - auf den Nord- und Ostseeinseln sind die Insulaner unter sich. Wie geht es eigentlich den Buchhandlungen, die nicht nur unter der Schließung ihrer Läden, sondern auch unter den fehlenden Touristen leiden? boersenblatt.net hat auf Usedom und Rügen, auf Langeoog, Sylt und Fehmarn nachgefragt. 

Seit 17. März, vorerst bis zum 19. April, ist Usedom für Touristen gesperrt. "Unsere Insel lebt zu 90 Prozent von den Urlaubern. Alle Unternehmen ächzen unter der Last, die sie tragen müssen", sagt Karolin Asmus. Im Januar 2018 hat sie die 45 Quadratmeter große Strandbuchhandlung im Seebad Ahlbeck auf Usedom übernommen. Ihr Geschäft läuft - von Ostern bis Oktober, wie üblich auf der Insel. Im Sommer, wenn die Insel voll ist, kann sich kaum einer vorstellen, dass im Kaiserbad Ahlbeck nur 3.500 Einwohner leben. Online-Shop, Facebook, Instagram, Lieferdienst und ständige Erreichbarkeit - viel Erfolg hat sie damit nicht. "Die Auswirkungen all dieser Maßnahmen sind einfach lächerlich und traurig. Aber so ist es in dieser Gegend einfach", sagt sie. Der Antrag für die Soforthilfe des Landes Mecklenburg-Vorpommern läuft, Steuerzahlungen hat sie stunden lassen und Novitätenlieferungen gestoppt, jedenfalls soweit wie möglich. 

In Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein beginnen am kommenden Montag die Osterferien. Normalerweise hätte Suntje Krebs von der Buchhandlung Krebs auf Langeoog jetzt die letzten Vorbereitungen für die Gäste getroffen. "Wir kommen aus einem Winter, in dem wir die Polster vom vergangenen Sommer aufgebraucht haben", sagt sie. 40 Quadratmeter ist ihre Buchhandlung groß, mit viel Fläche für Präsentationen vor dem Laden. In der Saison beschäftigt sie drei Mitarbeiterinnen, eine von ihnen sollte am Montag anfangen. Daraus wird nun nichts. Stattdessen storniert Suntje Krebs Novitäten und kümmert sich um Kredite und Soforthilfen. 1.700 Einwohner hat Langeoog - und 10.250 Gästebetten, die nun leer bleiben. "Wie ruhig und leer es hier ist, sieht man erst, wenn alle weg sind", sagt sie. Die, die noch da sind, bestellen bei ihr, Lernbedarf, Spiele, Bücher, Schreibwaren und auch Klassensätze. Aber "die Riesenwelle" sei das nicht. Zumindest die Pacht für den Laden konnte sie unproblematisch aussetzen, da das Haus mit dem Laden im Familienbesitz ist.

"Die Mieten sind hier so hoch wie auf dem Kudamm" - seit April 1991 betreibt Dörte Pietsch im Ostseebad Binz auf Rügen ihre Bücherinsel und bisher waren die Miete kein Problem. Dörte Pietsch: "Die Sommer waren immer toll. Wir konnten Geld zurücklegen, das uns bis ins Frühjahr brachte. Und dann begann der Kreislauf von vorn." 100 Quadratmeter ist ihre Bücherinsel groß, Pietsch beschäftigt 5 Mitarbeiterinnen. Perfekt für den Sommer: Die Kunden hätten Zeit, blieben im Schnitt 45 Minuten, seien entdeckungs- und kauffreudig, erzählt sie. Und jetzt ist keiner da. Binz ist mit 5.500 Einwohnern zwar das größte Seebad auf der Insel Rügen, doch Binz sei so richtig Provinz, und zwar Provinz mit wenig Kaufkraft, so die Buchhändlerin. Sie habe Interviews gegeben, Facebook intensiviert, den Shop beworben, "aber es passiert zu wenig". Der Antrag auf Soforthilfe beim Land ist gestellt, aufgeben kommt nicht in Frage: "Vielleicht haben ja alle Sehnsucht nach dem Meer, wenn das hier vorbei ist".  

Auf dem Land, in Hessen, Rheinland-Pfalz oder Bayern, geht es dem Buchhandel vielleicht gerade auch nicht sehr viel besser als den Inselbuchhandlungen. Die Hoffnung ist, möglichst bald die Türen wieder öffnen zu dürfen. Und bis dahin durchzuhalten. Wie lange wird der Tourismus brauchen, um sich von der Pandemieangst und der Wirtschaftskrise zu erholen?

Die Buchhandlung Niederlechner auf Fehmarn (12.400 Einwohner), Deutschlands drittgrößter Insel, kann pro Jahr mit 300.000 Feriengästen rechnen, Tagesgäste nicht mitgezählt. Seit 18. März ist die Wirtschaft der Insel abgeschaltet, Inhaberin Andrea Scheel-Rietzrau musste ihren Laden schließen. Telefonisch kämen zwar ein paar Bestellungen rein, sagt sie, aber natürlich reiche das nicht. Dass das Sommergeschäft in diesem Jahr noch was wird, Andrea Scheel-Rietrau ist pessimistisch. Bei den Campingplätzen, so habe sie gehört, reichten die Absagen bis weit in den Sommer hinein. 

Die Badebuchhandlung Klaumann in Westerland auf Sylt ist nun seit fast 14 Tagen geschlossen. Samstag haben die Osterferien begonnen. Normalerweise sind die etwa 60.000 Übernachtungsmöglichkeiten in der Zeit um Ostern herum komplett ausgebucht. Normalerweise. "Jetzt sind Straßen und Strände menschenleer", sagt Inhaber Rolf Klaumann. In den Osterferien erwirtschaftet er etwa 17 Prozent des Jahresumsatzes, der Ostersamstag sei in den letzten 15 Jahren fast immer der Umsatzstärkste Tag des Jahres gewesen. "Um so schlimmer für uns, dass die Krise genau in diese Zeit fällt", so Klaumann. Jetzt sind Kreativität und Durchhaltevermögen gefragt. Die Buchhandlung ist mittlerweile auf allen Kanälen präsent. "Gerade haben wir angefangen Neuerscheinungen mit kurzen Lesungen per Video über unsere Facebookseite Netz zu bewerben", erzählt der Buchhändler. Gesprochen werden die Tipps von Stefan Hartmann, einem ehemaligen NDR-Radiosprecher, der die Sequenzen in seinem "Quarantäne-Studio" einliest. Zudem bietet die Badebuchhandlung einen Inselweiten Lieferservice bis an die Haustür an. Die Unterstütung der Stammkunden sei großartig, aber das reiche nicht für eine längere Zeit.  

"Ich weiß nicht, wie lange ich ohne die Urlauber durchhalten kann", sagt Karolin Asmus von der Strandbuchhandlung im Seebad Ahlbeck auf Usedom, "aber ich bin arbeitswillig und kampfeslustig und ich werde alles dafür tun, meinen Traum zu bewahren und den Urlaubern in den nächsten guten Jahren wieder Freude zu bereiten".


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