"Betroffene Buchhändler*innen sollten zunächst einmal den Kontakt mit ihrer örtlichen Ordnungsbehörde suchen und abklären, ob und gegebenenfalls auf welche Weise diese einen Weiterbetrieb des Paketshops genehmigen würde", rät die Rechtsabteilung des Börsenvereins. Drei Szenarien sind möglich.
- Wenn das Ordnungsamt sein Einverständnis gibt und der Buchhändler den Weiterbetrieb gewährleisten will, gibt es kein Problem. Aber auch hier sollte eine zusätzliche Absprache mit der Ordnungsbehörde versucht werden, rät der Börsenverein, "um den Kund*innen der Buchhandlung zumindest auch das Abbholen bestellter Bücher im Laden zu ermöglichen", etwa in Form eines Kontaktlos-Regals.
- Die Ordnungsbehörde untersagt z.B. aufgrund der Räumlichkeiten den Weiterbetrieb. "Dann wird dem Buchhändler die Erfüllung seiner/ihrer Vertragspflichten gegenüber dem Versanddienstleister unmöglich und er wird bis zum Wiedereintritt des Normalfalls frei von der Pflicht, den Vertrag zu erfüllen", erläutert die Rechtsabteilung.
- Die Öffnung wird vom Ordnungsamt grundsätzlich genehmigt, aber der oder die Buchhändler*in möchten nicht den bloßen Paketshop weiterbetreiben. Hängt vom Einzelfall ab. "Erfolgt die Ablehnung aus wirtschaftlichen Gründen, weil sich der Paketshop als Solobetrieb im Hinblick auf Personaleinsatz, Beheizung des Ladens etc. nicht lohnt, könnte ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB vorliegen. Dies führt dann NICHT dazu, dass die Buchhandlung von der Pflicht zur Vertragserfüllung frei wird, möglicherweise aber zu Anpassungen des Vertragsinhalts, z.B. im Sinne einer deutlichen Verkürzung der Zeiten für den Betrieb des Paketshops. Erfolgt die Ablehnung, weil sich das Personal nicht anstecken möchte, wäre dies rechtlich unerheblich und die Pflicht zur Erfüllung des Vertrags bliebe bestehen, d.h. die Buchhandlung riskiert bei Abbruch der Dienstleistung das Entstehen von Schadensersatzforderungen ihres Vertragspartners", warnt die Rechtsabteilung.
So berichtet Sandra Lina Jakob, Inhaberin der Buchhandlung Ponystübchen in Ingelheim: "Die Hermes-Paketannahme geht weiter, ebenso die Reinigungsannahme. Darüber hinaus darf ich nichts verkaufen. Das lässt mich sehenden Auges in den Ruin laufen, da die Fixkosten natürlich höher sind, als die Einnahmen. Ich habe daher die Öffnungszeiten eingegrenzt, damit ich mehr Zeit für den Onlineshop habe, an dem ich gerade mit Nachdruck sitze." Sie würde gerne auch vor Ort Bücher verkaufen, darf es aber nicht.
Auch die Buchhandlung Riege in Bad Soden hat zu kämpfen: "Wir betreiben einen DHL-Paket-Shop, der zurzeit von vielen Schülern angesteuert wird, die kurz bei uns vorbeischauen. Tageszeitungen führen wir auch. Das bringt uns in die absurde Situation, dass wir Zeitungen verkaufen dürfen, aber keine Grußkarte dazu, es ist absurd. Im Endeffekt schieben wir viele Pakete über den Tresen, unseren Kunden sind dankbar, dass wir noch für sie da sind", so Boris Riege junior. Wie lange die Buchhandlung Riege geöffnet bleiben kann, weiß er nicht. "In der Nachbarschaft gibt es ein Haushaltswarengeschäft, das nicht mehr von dpd angefahren wird – das musste jetzt komplett schließen."
Riege und sein Team stemmen sich gegen die Zwangsschließung, noch habe er auch kein Kurzarbeitsgeld beantragen müssen. Besonders zu schaffen macht Riege, dass sein Vater Boris Riege senior vor kurzem im Alter von 78 Jahren plötzlich verstorben ist. "Er war bis zuletzt der Inhaber der Buchhandlung und stand mit uns nach wie vor im Laden", sagt Riege. Er hofft, dass "wir alle die Krise gemeinsam überstehen werden."