Der Ratgebermarkt hat im letzten Jahr um drei Prozent zugelegt. Woher kommt der Aufschwung?
Zunächst einmal hat uns der Zuwachs sehr gefreut. Ratgeber werden ja nicht erst seit dem letzten Jahr immer wieder totgeredet, und es wird die Frage gestellt, ob man sie überhaupt noch braucht, wo doch das Internet an die Stelle der Bücher getreten sei. Da ist es umso schöner, zeigen zu können, dass sich die Ratgeber positiv entwickelt haben. Beflügelt wurde der Umsatz dadurch, dass sich die beiden größten Segmente, Essen & Trinken und Lebenshilfe, sehr stark gezeigt haben. In unserem Kernsegment Haus & Hobby haben wir zwar ein leichtes Minus verzeichnet, was aber auch damit zu tun hat, dass wir als Verlag mittlerweile viele Titel auch in benachbarten Warengruppen verschlagworten. Die Kreativthemen haben, wenn man die Warengruppe Kinder Kreativ dazurechnet, im vergangenen Jahr auch dazugewonnen.
Wer hat vom Aufschwung profitiert?
An den Zahlen lässt sich ablesen, dass das Plus auf einem breiten Fundament steht, sich die Verlage durch die Bank weg steigern konnten, und nicht ein Thema oder ein Verlag für eine Spitze gesorgt hat. Diese breite Entwicklung ist für uns sehr wertvoll. Andernfalls würde es sich um einen Hype oder einen einzelnen Spitzentitel handeln, der schnell wieder vorüber sein kann.
Die Ratgeber von heute sind längst nicht mehr die von früher. Welche Transformation hat dieser Bereich durchlaufen?
Wir Ratgeberverlage haben uns mittlerweile völlig anders aufgestellt, und unsere Produkte sehen komplett anders aus als noch vor ein paar Jahren. Der wichtigste Punkt ist, dass Ratgeber heute eine sehr ausgeprägte unterhaltende Komponente haben und nicht mehr nur als Problemlöser dienen. Ratgeber bilden eine Inspirationsquelle und sollen den Blick nach vorn lenken, nicht in die Vergangenheit. Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen Belletristik, Sachbuch und Ratgebern fließend geworden sind.
Ein großes Thema bei Ihnen ist die Nachhaltigkeit. Unter dem Motto „Every day for future“ haben Sie für den Handel ein Aktionspaket zusammengestellt. Wird das Thema den Ratgebermarkt dauerhaft beschäftigen?
Zunächst einmal möchte ich anmerken, dass das Thema Nachhaltigkeit schon immer tief in unseren Produkten verwurzelt war. Wenn ich etwas selbst mache, weiß ich genau, woraus es besteht. Dieser Aspekt ist zentral bei der Nachhaltigkeitsdiskussion. Insofern war der Schritt zu diesen Büchern naheliegend. Und ja: Ich bin überzeugt, dass uns das Thema dauerhaft beschäftigen wird. Oft bedienen wir kurzfristige Trends, aber Nachhaltigkeit greift tief in die gesellschaftliche Entwicklung und die Sichtweise der Menschen ein – da sind wir allenfalls die ersten Schritte gegangen.
Auch Ihr Mitbewerber EMF setzt im Frühjahr einen Nachhaltigkeitsschwerpunkt. Wie groß ist der Konkurrenzdruck?
Ich sehe viel Potenzial für diesen Bereich, und viele meiner Kollegen in anderen Verlagen offenbar auch. Beim Thema Nachhaltigkeit haben wir Verlage die Möglichkeit, als Kommunikator in einer sehr gestaltenden Rolle aufzutreten und Aufklärung zu leisten. Wenn ich in eine Buchhandlung komme und einen großen Themen-Tisch zur Nachhaltigkeit sehe, freue ich mich. Denn diesen Tisch gibt es nur, weil verschiedene Verlage Bücher dazu produzieren. Wir geben damit dem Buchhandel die Möglichkeit, ein relevantes gesellschaftliches Thema breit und wirksam zu präsentieren.
Müssen Bücher zur Nachhaltigkeit auch nachhaltig produziert sein?
Oh ja, die Frage danach beginnt schon bei unseren Gesprächen mit den Buchhändlern. Natürlich produzieren wir nachhaltig und haben beispielsweise auch eine Charity-Aktion, bei der wir für eine bestimmte Anzahl verkaufter Bücher Bäume pflanzen. Alles andere wäre Etikettenschwindel.
Als Kreativverlag müssen Sie sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Wie finden Innovationen den Weg ins Programm?
Wir setzen im Verlag auf das house of ideas, eine abteilungsübergreifende Gruppe. Alle zwei Wochen treffen wir uns und analysieren systematisch, welche Themen die Menschen gerade beschäftigen. Dazu scannen wir Nachrichten, Zeitungen, Zeitschriften, Websites und mehr - auch mit Hilfe technischer Tools. Unsere Produktmanager sind tief in den Themen drin, bewegen sich in Communities und sind zum Teil selbst Blogger. Wir haben hier eine enorme Keimzelle und kommen auf viele Ideen. Leider verlieren Messen als Innovationsmotor an Bedeutung. Dort entdeckt man fast nichts mehr, was man nicht schon vorher irgendwo gefunden hat. Auch die Autoren machen nicht mehr so viele Vorschläge wie früher. Es ist jetzt eigentlich genau umgekehrt: Wir denken hier die Themen an und suchen uns Autoren, die sie umsetzen.
Wie schafft man es, den richtigen Zeitpunkt für ein innovatives Thema zu finden und nicht zu früh am Markt zu sein?
Da haben wir leider auch schon leidvolle Erfahrungen gemacht. Das richtige Timing zu treffen, ist nicht einfach. Mit manchen Themen waren wir zu früh, die Bücher haben sich nicht verkauft. Dann sind andere Verlage damit gekommen, und plötzlich sind sie durchgestartet. Hilfreich ist es, wenn man möglichst schnell reagieren kann. Das können wir.
Um die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppen genau zu analysieren, arbeiten Sie mit den Sinus-Milieus. Warum mit dieser Klassifikation?
Als wir vor mehr als zehn Jahren mit den Sinus-Milieus angefangen haben, spielte das Thema Emotionen aus Lesersicht für uns gar keine Rolle. Unser Credo war: Die Bücher müssen funktionieren. Die Leser und ihren gesamten Kosmos in die Planung einzubeziehen, das war für uns völliges Neuland, hat uns aber unglaublich weitergebracht. Unsere Bücher müssen „Want“-Produkte sein, die die Kunden unbedingt haben möchten. Das betreiben wir seit vielen Jahren sehr akribisch. Der Umgang mit Kreativität und das kreative Verhalten sind quasi Spiegelbild oder Ergebnis der momentanen Lebenssituation der Menschen: Als junge Mutter ist eine Frau in völlig anderer Weise kreativ als später, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Das lässt sich differenzieren und sehr gut in den Lebenswelten abbilden.
Wie haben Sie zum Beispiel das neue Landkarten-Rätselbuch entwickelt?
Ich habe das Buch auf der London Book Fair entdeckt, es hatte sich in England bereits hervorragend verkauft. Das Produkt hat mich fasziniert. Da bietet ein Landkartenverlag seine klassischen Karten, etwas, das er ohnehin hat, verrätselt an und schafft damit einen völlig neuen Kontext für seinen Content. Manchmal muss man einfach zwei Dinge, die bereits da sind, zusammenbringen. Wir haben das auf Deutschland adaptiert, und die Vorbestellungen aus dem Handel lassen hoffen. Ich kann mir vorstellen, dass hier ein neuer Trend entstehen könnte.
Auch mit Büchern zu Escape-Rooms waren Sie früh am Start. Wie kam es zu dieser Idee?
Meine Familie und ich waren in Frankreich in einem großen Ferienpark, in dem es auch einen Escape-Room gab. Den wollte ich buchen, er war aber während unseres Aufenthalts durchweg belegt. Das musste also attraktiv sein. Der zweite Impuls kam, als mich eine ausländische Kollegin auf einer Messe auf Escape-Rooms angesprochen hat. Nach diesem doppelten Impuls haben wir überlegt, wie wir das Thema in Buchform umsetzen können. Mittlerweile sind auch andere Verlage im Rennen, und die Konkurrenz ist zu spüren, zum Beispiel durch günstigere Bücher. Da muss man aufpassen, dass gut funktionierende Themen nicht vorschnell verheizt und zu billig gemacht werden.
Um neue Ideen durchzusetzen, muss der Handel mitziehen. Wie innovationsfreudig finden Sie Ihre Handelspartner?
Der Vertrieb ist bei uns sehr intensiv in die Produktentwicklung eingebunden, um dem Handel detailliert zu vermitteln, was wir genau tun. Manchmal gibt es unterschiedliche Sichtweisen: Die Vertriebler und Buchhändler möchten gern an eine erfolgreiche Story andocken oder sie weiterdrehen. Wir Kreativen wollen aber etwas völlig Neues ausprobieren und damit auch ein Wagnis eingehen. Manchmal wünsche ich mir schon eine etwas höhere Risikobereitschaft. Mir ist natürlich klar, dass alle Verlage sich das vom Handel wünschen, und der wiederum kein Kasino ist, wo jeder einmal sein Glück versuchen darf.
Sie haben aber auch einen großen eigenen Onlineshop …
Der Shop fungiert für uns als Trendbarometer, um zu sehen, wonach gesucht wird. Und wir können natürlich unser komplettes Programm von 1.200 Titeln zeigen. Das geht vor Ort nicht. Der Umsatz, den wir im Shop machen, ist in Relation zu unserem Handelsumsatz marginal. Mit Amazon oder anderen professionellen Onlinehändlern können wir überhaupt nicht mithalten, da wäre David gegen Goliath schon eine komplette Untertreibung.
Frech hat ein sehr breites Portfolio. Verliert man da nicht den Überblick?
Eigentlich bedienen wir mit dem Bereich Kreativität eine Nische, diese aber sehr tief. Zwischen 2007 und 2014 haben wir uns breiter aufgestellt und sukzessive neue kreative Themenfelder dazu genommen, das hat uns in der Außenwahrnehmung unglaublich geholfen. Aber wir dürfen den Bogen nicht überspannen und machen auch viele Titel nicht. Wir produzieren jetzt schon im Jahr 250 Novitäten, diesen Wert wollen wir konstant halten. So bleibt das Segment „Kreatives Gestalten“ mit zwei Dritteln des Umsatzes immer noch unser wichtigster Bereich. Wir wollen unseren Status als führender Kreativ-Verlag Deutschlands auf keinen Fall verlieren.
Wie wichtig ist für Sie die Backlist?
Das Verhältnis zwischen dem Umsatz mit der Backlist und dem Novitätenumsatz liegt bei 50 zu 50. Wir spüren also einen Novitätendruck, denn nur von der Backlist könnten wir nicht oder nur kurz leben. Die neuen Themen müssen kommen und sitzen. Aber wir pflegen unsere Backlist. Ein Klassiker ist etwa die Reihe Kunst des Zeichnens, die wir pflegen und mit neuen Formaten, Titeln und sogar Non-Books kontinuierlich weiterentwickeln. Es ist wichtig, Bücher mit einer gewissen Langlebigkeit zu haben, nur Strohfeuer allein reichen für den Erfolg nicht aus.
Viele Verlage versuchen sich mehr oder weniger erfolgreich mit digitalen Produkten. Sie auch?
Wenn wir ehrlich sind: Echte digitale Produkte spielen bei uns nur eine geringe Rolle. Wir machen sie in kleinem Rahmen, als Ergänzung. Und E-Books haben sich in unserem Segment immer noch nicht etabliert. Es ist in den letzten Jahren keinem Ratgeberverlag, auch nicht mit hohen Investitionen, gelungen, in diesem Bereich nennenswert zu reüssieren. Eine echte Monetarisierung des Contents in Richtung Endverbraucher ist uns bislang noch nicht gelungen, obwohl wir endlose Schleifen gedreht und getestet haben.
Anders sieht es bei den Non-Books aus. Welche Bedeutung kommt diesen Produkten zu?
Für uns liegen Non-Books nahe, denn wir können sinnvolle Produkte machen, die zu unseren Büchern passen und die Bücher damit in Szene setzen. So schaffen wir eine höhere Aufmerksamkeit und mehr Kaufanreize. Viele kleine Bastelgeschäfte haben in den letzten Jahren geschlossen und der Buchhandel hat die Möglichkeit sich zu profilieren, indem er auch das Material zum Basteln vorrätig hat. Und nicht zu vergessen: Non-Books sind natürlich tolle Geschenke.
Mehr zum Thema Ratgeber finden Sie in unserem Börsenblatt-Spezial "Ratgeber", das am Donnerstag, 5. März erschienen ist!