Mein Barsortiment beliefert mich kleinen Fisch nur zweimal in der Woche und schickt die Bücher per Post! Vor nicht so langer Zeit hatte es ein Foto von riesigen Lagerhallen auf seiner Webseite mit der Aufschrift: "Lager mit mit 1 Millionen über Nacht lieferbaren Titel und 10 Millionen Katalogartikeln." Das sieht man jetzt nur noch bei der wayback machine, es wurde vielleicht wegen der schlechten Sprache entfernt.
Außerdem zeigte das Foto eh nicht das eigene Lager. Jetzt steht da u.a.: "Wir bieten das größte Barsortiments-Angebot im deutschen Buchmarkt. Ab 2022 über 5 Mio. über Nacht lieferbare Titel. Wir bieten Ihnen gute Konditionen (hohe Taschenbuch-Rabatte, Bonus-Systeme, skontierbare Rechnungen etc.)." !!!
Seit etwa einem Jahr kriege ich bei meinen Bestellversuchen immer häufiger die Meldenummer 17 - führen wir nicht beziehungsweise nicht mehr. Ich brauchte vergangene Woche mehrere Mayröcker-Titel von Suhrkamp - Meldenummer 17. Ich bestellte dann via Zeitfracht, und so schnell wäre auch das Barsortiment nicht gewesen, so schnell wie das Paket mit den Büchern da war. Dieser Tage: "Transzendentale Reflexion und Geschichte" von Karl-Otto Apel, ein suhrkamp taschenbuch wissenschaft (stw) von 2017 - Meldenummer 17 - auch schon da.
Und nun diese Mail vom Barsortiment mit zunächst einem Dementi der Meldungen in der Branchenpresse über eine weitgehende Auslistung von Artikeln mit niedrigen Preisen (unter 5,00 Euro), dann eine Schuldzuweisung an die Verlage, die entgegen dem Preisbindungsgesetz dem Zwischenbuchhandel nicht mehr den Höchstrabatt gewähren, gefolgt von einem Bekenntnis pro Buchhandel: "dass nur ein breit aufgestellter Katalog mit Büchern und Medien aller Kategorien geeignet ist, die Wünsche Ihrer Kunden zu bedienen und damit weiter die Attraktivität des Buchhandels vor Ort zu stärken."
Und dann "Daher möchten wir Ihrem berechtigten Wunsch nachkommen, diese Titel weiterhin zu führen, mussten dafür jedoch neu kalkulieren: Ab dem 1. Februar 2020 gilt bei Niedrigpreis-Artikeln mit einem Ladenpreis kleiner und gleich € 5,00 ein Grundrabatt von 12 %. Mit Hilfe dieser Änderung ist es uns in Zukunft weiter möglich, das größte über Nacht verfügbare Titelangebot im deutschen Buchmarkt für Sie am Lager vorrätig zu halten."
Das ist schon ein dicker Hund. Was sagt denn zum Beispiel Reclam dazu? Oder der Verlag der Hamburger Lesehefte? Sind das Verlage, die dem Barsortiment nicht den Höchstrabatt gewährten? Müsste nicht auch berücksichtigt werden, dass der Buchhandel - allein schon wegen der Lieferkosten - sowieso schon darauf achtet, mehrere Titel gleichzeitig zu bestellen? Und die sind dann, weil meist für diverse Kunden, auch aus diversen Preiskategorien.
Für das Lager wurde doch beim Barsortiment traditionell kaum bestellt, dafür gab es doch Abschlüsse mit Verlagen, Vertreter- und Messebestellungen mit Reiserabatt, Partieexemplaren und längeren Zahlungszielen .
Und wie ist es jetzt beim Einkauf von eiligen Klassensätzen von 20 Stück und mehr von einem Billigtitel, wo doch zum Beispiel "Nathan der Weise" von Lessing pro Stück nur 2,20 oder 3,- Euro kostet ? Angeblich liefert Thalia die sogar einzeln noch portofrei aus! Schon mal von Staffelrabatt gehört ?
"Barsortimente bilden das Hintergrundlager des Bucheinzelhandels. Sie führen den größten Teil aller Titel der physischen deutschsprachigen Buchproduktion, mit denen sie im Durchschnitt 90 bis 98 Prozent des Bedarfs einer Sortimentsbuchhandlung abdecken. ... Auf diese Weise können die Buchhandlungen gebündelt, schnell (über Nacht) und kostengünstig alle Titel besorgen, die die Barsortimente auf Lager haben. Damit helfen die Barsortimente dem Buchhandel, seinen Besorgungsauftrag im Rahmen der Preisbindung zu erfüllen und entlasten die Verlage bzw. deren Auslieferungen von der Ausführung kostspieliger Kleinbestellungen."
Tja, so steht das im letzten "ABC des Zwischenbuchhandels", das dringend überarbeitet werden müsste, wie auch die Wikipedia-Artikel zum Thema.
Hatte ein Barsortiment nicht traditionell gerade darin einen wichtigen Teil seiner Seinsberechtigung, dass es nicht nur breit aufgestellt war, sondern auch billige Titel schnell liefern konnte? So neu ist die ganze Chose übrigens nicht. Vor etwa 40 Jahren schilderte Fritz J. Raddatz die Probleme unter dem Titel "Wachstum in den Tod. Treibt die Gigantomanie Verlage und Buchhandel in den Ruin?"
Raddatz aus der Vergangenheit über Gegenwart und Zukunft: "Ist ein Titel im Barsortimentskatalog nicht aufgeführt – dann ist er aus der Welt der Bücher verschieden. Der Buchhändler kann den Titel nicht ermitteln, bestellen, liefern, verkaufen. Ein Leichnam aus Papier. Irgendwo im Verlag dämmert diese Ausgabe dem Reißwolf entgegen."
Wie sagte doch der Dichter lange vor America First damals kurz vor der Weltwirtschaftskrise: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!"
1. Barsortiment stirbt, Ware kommt nicht mehr in 24 h, sondern über Verlagsauslieferung in 2-3 Tagen. Wäre kein Drama in den meisten Fällen! Bücher sind eigentlich keine eiligen Apothekenwaren, von denen Leib und Leben abhängen. Und: Amazon liefert - entgegen weiten Glaubens - auch schon seit Jahren nur noch gegen saftigen Aufpreis innerhalb von 24 h. Auch dort muss der Kunde längst bereits 3-5 Tage auf die Lieferung warten, wenn er nicht zusätzlich zahlen will.
2. Liebe Buchhändler, klammert euch nicht so sehr ans Barsortiment, sondern guckt v.a. öfter ins VLB herein. Da muss eben der eine oder andere Titel direkt bei der VAL bestellt werden oder direkt beim Verlag. Kein Weltuntergang! Einen nicht-funktionierenden, dafür aber teuren und "exklusiven" Service, der nur noch "Bestseller-gierig" ist und alle anderen Titel ignoriert, an denen sich angeblich nicht gut genug verdienen lässt, auf den kann die Branche dankend verzichten! Vielleicht sollte sich das Barsortiment mit der Dt. Post zusammentun - die denkt nämlich ganz genauso "gewinnoptimiert" bzw. "kundenfeindlich".
Sonst fangen wir Buchhandlungen demnächst auch an, sich nicht rechnende Geschäfte abzulehnen oder führen Verlagsbestellungen erst ab 50 € Ladenpreis aus. Das hat dann aber mit Sinn und Aufgabe der Preisbindung nichts mehr zu tun.
Viele Dinge in Sachen Barsortiment sehe ich durchaus sehr kritisch, aber dieses Statement scheint mir doch mit sehr heißer Nadel gestrickt und extrem zu kurz gedacht:
1. Die „So-What-Haltung” in Sachen Lieferzeit halte ich für brandgefährlich! Wir konkurrieren hier als Buchhandlung (Tagesbelieferung Könemann/Libri und KNV) nicht mit dem „normalen” Amazon Lieferservice, der mit dem ins Feld geführten „saftigen Aufschlag” eine beschleunigte Lieferung verspricht – wir konkurrieren hier gegen AMAZON-PRIME!!! HALLO – die Jahresgebühr dort ist lächerlich niedrig, wird mit diversen anderen Gimmicks aufgehübscht und das Publikum nimmt fleißig daran teil – schauen Sie sich die Zuwachsraten dort mal an und raten Sie, warum Amazon beim Vertrieb gerade auf dieses Pferdchen setzt! !!!
2. Doch, es ist ein Weltuntergang, wenn wir seit Jahren versuchen, Bestellungen sinnvoll zu bündeln und jetzt wieder Einzelbestellungen beim Verlag generieren sollen. Gerade die Kundenbestellungen beim BS sind eine sinnvolle Bündelung – was sonst folgt sind Einzelpakete, Einzelrechnungen, Einzelbearbeitungen. Wollen wir das wirklich?
3. Das Nichtfunktionieren des Barsortiments stimmt so nicht, trotz Titelreduktion funktioniert es und übernimmt für uns nach wie vor eine entlastende Aufgabe, nämlich das im Artikel erwähnte Hintergrundlager, auch wenn dies radikal reduziert wurde. Wie Sie bei der aktuell immer noch lieferbaren Titelzahl eine „Bestsellergierigkeit” anmerken können, dies ist mir schleierhaft.
4. Schlussendlich ist das Barsortiment ähnlich Ihres Verlages und unserer Buchhandlung ein Unternehmen, welches wirtschaftlichen Gegebenheiten unterliegt. Die Aufgabe von Buchhandlungen, die Übergabe von Buchhandlungen an große Filialunternehmen und dadurch verschobene Bezugsstrukturen (inklusive diskussionswürdiger Rabattstrukturen) schlagen sich auch bei den Barsortimentern nieder und zwingen nicht nur Ihren Verlag, sondern auch die Zwischenhändler zum Überdenken althergebrachter Strukturen. Nicht laufende Titel werden Sie in Ihrem Verlag doch auch nicht über Jahre mitschleppen, sondern schmeißen die (sorry – sehr salopp gesagt) irgendwann raus, so wie wir dies nach reiflicher Überlegung eben gelegentlich auch tun. Kundenfeindlich ist dies weder bei Ihnen, noch bei uns, beim Barsortiment dann schon?
5. Über die Umstände und Einzelfälle von Auslistungen kann man in der Tat trefflich streiten und diskussionswürdig ist die plötzliche und so furchtbar kommunizierte Auslistungsorgie bei Libri allemal. Ebenfalls extrem diskussionswürdig wäre aber ein Gespräch darüber, welche Buchhandels- oder anderen Verkaufsgrößen direkt oder indirekt denn mittlerweile seitens Verlag größere Rabatte als das BS einheimsen. Das ist alles schlimm genug, aber deshalb locker zu behaupten, dass die Barsortimente nolens volens verschwinden können und sollen, dies ist dann schon eine sehr steile These, die man ohne die Berücksichtigung der Befindlichkeiten des Sortimentsbuchhandels nur aus dem buchhändlerisch völlig praxisfernen Elfenbeinturm Ihres Verlages und Ihrer Situation wohl so treffen kann.
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
Es wäre nun an der Zeit, daß Verlage sich befähigen Bestellungen die bis 17 Uhr eintreffen bis zum nächsten Tag zu liefern. DHL und Co. können das, Auslieferungen leider eher (noch) nicht. Eine Besonderheit, die man nur im Buchhandel so kennt.
Wenn der Laden um die Ecke ein Buch nicht bis morgen besorgen kann, wird dort auch nicht mehr bestellt, sondern eben online.
Wenn Verlage in Zukunft noch einen unabhängigen Buchhandel wolln müssen sie sich an den üblichen Servicestandart den die Kunden bei anderen Waren kennen orientieren. Das heißt eben: Bestellungen bis 17 Uhr am selben Tag ausliefern.
Ich gebe Ihnen Recht, dass das "Geschäftsmodell Barsortiment" überholt zu sein scheint. (Möglicherweise aber auch nur darum, weil dort gewisse Prozesse eklatant fehlgesteuert sind, so dass diese momentane Engpässe bestehen, die sich auch in zu geringen Gewinnen äußern. Doch das kann man als Außenstehender nicht sehen und wissen, dafür bräuchte man einen Einblick ins Geschäft.)
Verlage mit den Aufgaben des Barsortiments zu betrauen, wäre sinnvoll, ich sehe allerdings eine totale Überforderung darin. Die Verlage müssten eine eigene Logistik- und Transportschiene aufziehen, wofür ihnen einerseits die fachliche Kompetenz fehlt und sie andererseits auch zu wenig Kapital besitzen. Die viel zu niedrigen Buchpreise und die viel zu niedrigen Gewinnmargen an den seit Jahren zu billigen Büchern zehren sehr und lassen kaum einen Handlungsspielraum für den Aufbau einer Logistikschiene zu. Kleine Verlage wie meiner sind gleich schon komplett überfordert - wir müssten auf die Dt. Post vertrauen, doch diese hat ihre Preise ebenfalls so in die Höhe geschraubt, dass es kaum machbar ist ...
Und so wird alles mal wieder in die Arme von Amazon getrieben, dem Riesen, der von jeher auch eine eigene erfolgreiche Logistikschiene am Laufen hat ...
leider haben Sie wohl keine Vorstellung wie der Buchhandel, bzw. das Barsortiment funktioniert. Wir bestellen kurzfristig für unsere Kunden beim Barsortiment. Das sind pro Tag etwa 60 bis 100 Reservierungen. Im Weihnachtsgeschäft das achtfache. Über DHL oder die Post wäre das gar nicht machbar. Alleine aus Kostengründen völlig unsinnig. Das Barsortiment beliefert uns mit Wannen und nicht mit Kleinstpaketen. Mich ärgert schon wieder das hier mitdiskutiert wird, obwohl ein Fachwissen nicht vorhanden ist. Es geht hier um Rabattstrukturen die fragwürdig gekürzt werden