Sherlock Holmes ist sie nicht. Aber Watson folgt ihr trotzdem auf Schritt und Tritt. „Er ist unser jüngster Mitarbeiter“, klärt Vera Corsmeyer auf, „und ein sehr beliebtes Team-Mitglied - im Laden genauso wie online.“ Seit zwei Jahren gehört der „kleine Großpudel“ zur Familie. Vormittags begleitet er die Geschäfte in der Buchhandlung Markus. Hat dort meist ganz entspannt alles im Blick. Neben dem Tagesbetrieb steht dort zurzeit vor allem der Einkauf der neuen Frühjahrstitel auf dem Programm. „Wir gehen das recht strategisch an, denn unser Sortiment macht uns aus. Es prägt uns. Unsere Kunden erwarten Titel, die sie nur hier finden, weil wir besondere Schwerpunkte mit außergewöhnlichen Büchern setzen, in der Belletristik genauso wie im Sachbuch und im Kinderbuch“, erläutert die 23-jährige, die mit der Buchhandlung zusammen groß geworden ist.
Buchhandlungsmanagerin mit Bestnoten
1994, also zwei Jahre bevor Vera Corsmeyer geboren wurde, gründete ihre Mutter Elke Corsmeyer auf 70 Quadratmetern die Buchhandlung Markus. Von ihrem Bruder entlieh sich die Juristin dafür den eingängigen Namen. „Ich war als Kind dann eigentlich ständig dort und immer so mit Büchern beschäftigt, dass ich gar nicht weiter aufgefallen bin“, erinnert sich die Tochter, für die bis heute auch zuhause ein Regal ohne Bücher unvorstellbar ist und es bescheiden für sich behält, dass sie bereits mit drei Jahren lesen konnte. Trotzdem war es für sie nicht selbstverständlich, ebenfalls den beruflichen Weg in die Bücherwelt einzuschlagen. Nach dem Abitur schnupperte sie in die Redaktion der regionalen Tageszeitung hinein, sammelte erste Erfahrungen in einem Architekturbüro. „Das ist jetzt eine meiner Leidenschaften, denen ich durch Bücher fröne – Stadtplanung, Geografie, Nachhaltigkeit, aber auch Gender, Feminismus und Gleichberechtigung sind Themen, die sich im Sortiment niederschlagen.“
Erst als sie über einen Verlagsvertreter vom Studiengang Buchhandels- und Medienmanagement am mediacampus frankfurt erfuhr, stand ihre Entscheidung fest: Die Verbindung von Theorie und Praxis sollte es sein. 2014 startete sie ihre Ausbildung in der Markus Buchhandlung, die sie als Jahrgangsbeste ihres Bundeslandes abschloss. Parallel dazu absolvierte sie das berufsbegleitende Studium in mehreren Blöcken in Frankfurt und Berlin. Für ihre Bachelorarbeit beschäftigte sie sich damit, wie sich neue Zielgruppen für den Buchhandel erschließen lassen. Durch das Studium könne sie von einem umfassenderen Verständnis für wirtschaftliche Prozesse profitieren, sagt Corsmeyer. „Man wird sich bewusst darüber, dass vieles schon gut angewendet wird“, sagt sie in Hinblick auf die Buchhandlung Markus. Gleichzeitig erkenne man, an welchen Stellschrauben sich noch drehen lasse. „Einkaufsmodalitäten optimieren, Analyse verstärken, Multichannel-Marketing, Digitalisierung, Suchmaschinenoptimierung“, nennt sie einige Stichworte.
Viele Follower dank klarem Profil
So hat Vera Corsmeyer zum Beispiel den Social Media-Auftritt der Buchhandlung auf Facebook und Instagram zusammen mit einer Kollegin begeistert nach vorne gebracht. Rund 800 Abonnenten hat die Buchhandlung Markus zurzeit auf Instagram. „Diese Plattform wird durch alle Zielgruppen immer wichtiger. Es fördert den Austausch mit den Kunden und auch unsere Veranstaltungen“, stellt sie fest und ist froh, dass sie bei ihrer Mutter immer auf offene Ohren stößt. „Die Zusammenarbeit ist sehr harmonisch. Wir hören aufeinander, nehmen voneinander Vorschläge an und können sachlich diskutieren. Ich bin dankbar, dass es so gut funktioniert und ich viele Freiräume habe“, sagt sie. Vor Veränderungen scheut die Markus-Gründerin nicht zurück: 2009 zog sie mit ihrer Buchhandlung an den heutigen Standort um, vergrößerte auf 160 Quadratmeter Fläche. Das so genannte Weberhaus ist Güterslohs ältestes Fachwerkhaus, das sich nach umfangreicher Sanierung trotz der 2b-Lage zum absoluten Markenzeichen entwickelt hat. Das historische Gemäuer von 1649 beherbergt ein gradlinig-modernes, in Schwarz-Weiß gehaltenes Ambiente. Die beiden Kabinette im Obergeschoss haben die beiden Buchhändlerinnen, die mit zwei Kolleginnen und einem Azubi ein Team bilden, ihren besonderen Leidenschaften gewidmet: Kunstbildbänden und Kochbüchern.
Eigene Kolumne in der Lokalpresse
Zusätzlich können unterm Dach Veranstaltungen mit bis zu 50 Gästen stattfinden. Abhängig von Thema und Besucherzahl werden weitere Schauplätze bespielt. Sagenhafte 130 Lesungen, Aktionen, Mitmach-Events und Ausstellungen waren es alleine im Jahr 2019, in dem das 25-jährige Bestehen der Buchhandlung Markus gefeiert wurde. „Die Arbeit in der Buchhandlung ist so vielfältig, seit Jahren bauen wir unser Veranstaltungsangebot und Kooperationen weiter aus. Es macht einfach große Freude, ganz viel selbst zu gestalten“, betont Vera Corsmeyer. Aufgewachsen im rund 100.000 Einwohner zählenden Gütersloh, kennt sie sich bestens damit aus, was die Menschen in der Stadt bewegt, und kann daran anknüpfen. Für sie steht fest: „Die Buchhandlung soll ein Ort des persönlichen Austauschs sein.“ So plant sie zum Beispiel für dieses Jahr in Hinsicht auf die jüngere Zielgruppe in Kooperation mit einer Schule eine Veranstaltungsreihe mit Diskussionen und Gesprächen zu Themen rund um die Fridays for Future-Bewegung. Im Stadtmagazin „Gütsel“ gibt sie seit fünf Jahren in ihrer eigenen Kolumne „Vera liest“ Buch-Tipps. Fast ebenso lange schon engagiert sie sich im Literaturverein der Stadt und ist Gründungsmitglied des Vereins zur Förderung der Kunst im öffentlichen Raum. „Kunst gehört ins Stadtbild“, fordert Corsmeyer, die mit Familienausflügen in Museen, Ausstellungen und Theater aufgewachsen ist.
Zusätzlichen Rückenwind gab im 25. Jubiläumsjahr der Buchhandlung Markus (Redaktion des dazu aufwändig gemachten, 60-seitigen Magazins: Vera Corsmeyer) die Auszeichnung mit dem Deutschen Buchhandlungspreis als „Besonders herausragende Buchhandlung“. Dass sich die Ostwestfälin darauf nicht ausruht, ist schon fast selbstverständlich. „Ich mache die Buchhandlung unfassbar gerne. Ich brenne dafür und entdecke täglich neue, spannende Sachen“, sagt sie mit ansteckender Begeisterung. Ihre Freizeit verbringt sie, begleitet von Pudel Watson, viel draußen mit Wandern und Fotografieren, neuerdings auch wieder analog. In ihrer Region ist sie fest verwurzelt. Trotzdem kann sie sich vorstellen, irgendwann einmal „eine Dependance aufzubauen, um mehr Menschen für Literatur zu begeistern“. Die rund 20 Kilometer entfernt liegende Universitätsstadt Bielefeld könnte dafür gut geeignet sein.