2019 hat mich mitgenommen, psychisch vor allem. Kaum ein Tag verging, ohne dass mich Erregungsschübe ereilten, ich zu Schimpftiraden gezwungen wurde oder still in mich hineinweinte. Genützt hat das wenig. 2019 war ein widerborstiges Jahr, das sich nun zum Glück vom Acker gemacht hat. Das neue Jahr möge sich vorsehen und Besserung geloben. Sicherheitshalber benenne ich schon mal einige unmissverständliche Forderungen. Konkret verlange ich, dass
1. im deutschen Straßenverkehr beim Abbiegen der Blinker wiederentdeckt wird,
2. Regierungsumbildungen in den neuen Bundesländern so moderat geschehen, dass ich mir nicht ständig neue Ministerpräsidentennamen merken muss,
3. Florian Silbereisen eine neue Liebe findet,
4. die Spargelsaison nicht schon im März beginnt und vor August endet,
5. sich meine Mutter ordentlicher Gesundheit erfreut,
6. das Literaturhaus in meiner Heimatstadt Heilbronn einen glanzvollen Start hinlegt,
7. Oliver Pocher, Jagoda Marinić, Beatrix von Storch und die Deutsche Bahn Ruhe geben,
8. der Literaturnobelpreis an einen völlig unbekannten ostafrikanischen Autor mit einwandfreiem Charakter vergeben wird,
9. SPD-Witze gesellschaftlich geächtet werden und in der Folge wie Ostfriesen- und Blondinenwitze von der Bildfläche verschwinden,
10. die Thalia-Kette, deren Leitspruch »Welt, bleib wach« ich immer noch nicht verstehe, mich auf ihrer Website weiterhin mit aufwühlenden Erkenntnissen wie »Die Welt rennt. Und wir folgen ihr blind« bereichert und
11. sie, wenn wir schon dabei sind, die von ihr übernommene Stuttgarter Buchhandlung Wittwer nicht noch mehr verunstaltet,
12. der Schokoladenhersteller Milka seine lila Kuh nicht dauerhaft verschwinden lässt,
13. der Hamburger SV alsbald in die erste Liga zurückkehrt, damit man in der Stadt wieder von der Champions League träumen darf,
14. die famose Neuübersetzung von Margaret Mitchells »Gone with the Wind« sehr viele Leserinnen und Leser findet,
15. man Verkehrsminister Scheuer in die Wüste schickt und er dort eine Kameltreiberroutenmaut einführen darf,
16. die Einstellung der »Lindenstraße« von Bundesrat, Kirchentag oder UN rückgängig gemacht wird,
17. Ingo Reuters Buch »Weltuntergänge« dem einen und der anderen zu denken gibt,
18. die Dominanz von Kürbissuppen auf Speisekarten zurückgeht,
19. der »Duden« standhaft bleibt und Schreibungen wie Triebtäter*innen weiterhin nicht akzeptiert,
20. folglich Thomas Bernhards Roman »Alte Meister« weiterhin so heißen darf,
21. Maria Furtwängler und Til Schweiger keine Romane schreiben,
22. Peter Wohlleben in seinen Publikationen die Gefühlswelt der Gummiente nicht länger ignoriert,
23. Buchhändlerinnen und Buchhändler ein sorgenarmes Leben haben,
24. Caroline Link weiterhin so feine Filme dreht,
25. man sich daran erinnert, dass Greta Thunbergs Mutter Malena Ernman Schweden 2009 beim Eurovision Song Contest vertreten und sehr, sehr schlecht abgeschnitten hat,
26. Deutschland bei diesem Sangeswettstreit endlich einmal pausiert,
27. das ZDF weniger als ein halbes Jahr braucht, um Thomas Gottschalk oder Andrea Kiewel fürs neue »Literarische Quartett« zu verpflichten, das dann vermutlich gegen 0.15 Uhr läuft,
28. Friedrich Merz endlich sagt »Ja, ich will Kanzler werden, und das lieber heute als morgen« und somit nicht mehr ständig als Tiger springt und als Bettvorleger landet,
29. sich durch den dusseligen, den Niedergang des britischen Empire endgültig besiegelnden Brexit der von mir hochgeschätzte Coleman’s Mustard nicht verteuert,
30. meine Forderungen wie im vergangenen Jahr vorrangig behandelt werden, von wem auch immer.