Mit der GfK-Studie hat der Börsenverein erstmals umfassende Marktforschungsdaten zu E-Book-Entleihern öffentlicher Bibliotheken vorgelegt, wie der Verband mitteilt.
Die Kernergebnisse der Studie im Überblick:
Insgesamt 2,6 Millionen Menschen leihen in Deutschland über die Onleihe digital Bücher und andere Medien aus, insgesamt 1,9 Millionen leihen E-Books.
- Zwei Drittel der Onleihe-Nutzer sind unter 50 Jahre alt. Sie sind damit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich jung. Außerdem sind sie überdurchschnittlich gut situiert und gebildet.
- Onleihe-Nutzer gehören zwar zu den aktivsten Käufern am Buchmarkt, aber knapp die Hälfte kauft weniger oder gar keine Bücher mehr, seitdem sie das Angebot der Onleihe nutzen (45 Prozent bei gedruckten Büchern, 46 Prozent bei E-Books)
- Der Großteil der Onleihe-Nutzer ist mit dem Umfang und der Aktualität des Angebots der Onleihe zufrieden.
Hier geht es zur Bildergalerie mit Charts zu wichtigen Ergebnissen der Studie.
Der Börsenverein und der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ver.di ordnen die Ergebnisse wie folgt ein:
"Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass die Onleihe-Nutzung unmittelbaren Einfluss auf den Buchmarkt hat. Um weiterhin ein breit gefächertes Angebot an Büchern und E-Books in Deutschland bereitstellen zu können, benötigen wir gerechte Lizenzregelungen. Die von Bibliotheken geforderten Ausnahmen vom Urheberrecht für die Onleihe, die sogenannten Schrankenregelungen, bieten keine faire Entlohnung für die Leistungen der Verlage und Autoren und sind für uns damit kein gangbarer Weg. Wir fordern stattdessen, dass Bibliotheken zukünftig so ausgestattet werden, dass sie unter fairen Bedingungen für alle Beteiligten E-Books anbieten können", sagt Nadja Kneissler, Vorsitzende des Verleger-Ausschusses des Börsenvereins.
Lena Falkenhagen, Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ver.di, ergänzt: "Eine der wichtigsten Aufgaben von öffentlichen Bibliotheken sehe ich in der Leseförderung für Kinder und Jugendliche. Insbesondere Stadtbibliotheken spielen für die Leseförderung eine zentrale Rolle. Um dieser Aufgabe auch mithilfe digitaler Bücher nachkommen zu können, braucht es vor allem eine auf digitale Leseförderung abgestimmte Strategie. Solange es um eine bloße Erweiterung des digitalen Bibliotheksangebots geht, ist nicht einzusehen, dass die Rechte von Autorinnen und Autoren beschnitten werden, insbesondere, wenn davon mehrheitlich finanzstarke, gebildete Mid-Ager profitieren."
"Wir wollen mit der detaillierten Studie einen Beitrag zur Folgenabschätzung leisten", so Birgit Reuss, Leiterin des Berliner Büros des Börsenvereins. Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang warnte ebenfalls vor einem möglichen Paradigmenwechsel weg von einer individuellen Regelung hin zu einer gesetzlichen. Damit werde sich die Situation der Verlage und Autoren verschlechtern.
Hintergrund:
Die Bundesregierung will die rechtlichen Rahmenbedingungen für die E-Book-Leihe durch öffentliche Bibliotheken ("Onleihe") überprüfen. Ziel ist es, eine Regelung zu schaffen, die den Interessen der Nutzer, Autoren, Bibliotheken und Verlage gleichermaßen gerecht wird. Die Studie zur Onleihe bietet eine Grundlage für den von der Bundesregierung angekündigten Dialog und liefert Ansätze für nachhaltige Regelungen, die sowohl die Leistungen der Verlage als auch die der Autoren honorieren.
Mehr Informationen:
Die vollständige Studie ist ab sofort unter www.boersenverein.de/onleihe abrufbar.
Sollen die Bibliotheken zukünfig einen Bedürftigkeitsnachweis verlangen, bevor sie einen Leseausweis ausstellen? So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gelesen.
Der Börsenverein und die Verlage mauern übrigens seit Jahren gegen eine gesetzliche Lösung für eBooks analog zu der für physische Medien. Warum? Vielleicht weil man mit der Onleihe ohne diese Regelung ein gutes Geschäft machen kann? eBook-Lizenzen werden mit beschränkter Laufzeit (z.B. 48 Monate), maximaler Ausleihzahl über diese Laufzeit (häufig nur 52 Ausleihen, danach ist die Lizenz einfach weg) und teilweise deutlich höheren Preisen als für den Endverbraucher verkauft. Ausleihen sind nur seriell möglich, d.h. bei hoher Nachfrage müssen die Bibliotheken - genau wie beim gedruckten Buch - mehrere Lizenzen kaufen. Dazu kommt das sogenannte "Windowing", d.h. viele Titel werden erst nach einer Sperrfrist (das können duchaus 6-9 Monate sein) für die Onleihe zur Verfügung gestellt. Davon liest man beim Börsenverein leider nichts. Infos dazu hier: https://www.bibliotheksverband.de/dbv/themen/e-books-in-bibliotheken.html
Die Bibliotheken fordern schon lange eine gesetzliche Regelung, die eBooks dem gedruckten Buch gleichstellt. Das würde selbstverständlich auch die Zahlung einer Bibliothekstantieme einschließen, die den Autoren und Autorinnen zugute käme.
Verlage und Börsenverein sollten sich über das enorme Engagement der Bibliotheken freuen, die schon seit sehr langer Zeit Leseförderung und Literaturvermittlung betreiben, Bücher verleihen und damit bisher die Verlagsbranche noch nicht in den Ruin getrieben haben, sondern im Gegenteil Menschen zum Lesen und damit auch zum Kauf von Büchern animieren. Studien zeigen nämlich, dass Bibliotheksnutzer (sowohl physisch als auch online) deutlich mehr Bücher kaufen als Nichtnutzer.
"Sollen die Bibliotheken zukünfig einen Bedürftigkeitsnachweis verlangen, bevor sie einen Leseausweis ausstellen? So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gelesen."
Das fordert auch niemand. Frau Falkenhagen hat lediglich darauf hingewiesen, dass Autor*innen nicht bereit sind, für die gut situierten Smartshopper, die mehrheitlich das Onleihe-Angebot nutzen, ihre Rechte beschneiden zu lassen. Die GFK-Studie zeigt zudem, dass der weitaus größte Teil der Onleihe-Nutzer (75 %) mit dem Umfang und der Aktualität des Angebots zufrieden ist. Nur 6 Prozent sind unzufrieden.
"Die Bibliotheken fordern schon lange eine gesetzliche Regelung, die eBooks dem gedruckten Buch gleichstellt. Das würde selbstverständlich auch die Zahlung einer Bibliothekstantieme einschließen, die den Autoren und Autorinnen zugute käme."
Die Bibliothekstantieme beträgt derzeit 16.650.000 Euro einschließlich Mehrwertsteuer. Bei der Verteilung werden Vervielfältigungsstücke, die keine Bücher sind, insbesondere Tonträger und Bild-/Tonträger wegen der zusätzlich bestehenden Leistungsschutzrechte doppelt so hoch bewertet. Eine Erhöhung der Tantieme ist bislang nicht vorgesehen. Eine Vergütung für den Verleih von E-Books könnte also nur durch Umschichtung erreicht werden, und wäre für Autor*innen und Verlage alles andere als fair, zumal dadurch, anders als beim gedruckten Buch, das Einbrechen der Erlöse auf dem Primärmarkt nicht annähernd kompensiert werden könnte und Lizenzerlöse nach einer rechtlichen Gleichstellung kaum noch zu erwarten wären.
"Studien zeigen nämlich, dass Bibliotheksnutzer (sowohl physisch als auch online) deutlich mehr Bücher kaufen als Nichtnutzer."
Das sollte man etwas differenzierter sehen:
Onleihe-Nutzer, die noch Bücher kaufen, kaufen zurzeit tendenziell zwar mehr als der durchschnittliche Buchkäufer, gleichzeitig kaufen aber 45 % der Onleihe-Nutzer, die bisher gedruckte Bücher gekauft haben und 46 % derjenigen, die bisher E-Books auf kommerziellem Wege erworben haben, keine oder weniger Bücher oder E-Books.
Und auch der Blick auf die Antworten zur 'Was-wäre-wenn' Frage stimmt mich nicht froher. Denn auf den Punkt gebracht, entgehen uns nicht nur die 16% Käufer, die mehr kauften, wenn es keine Onleihe gäbe, nein auch die Differenz von 11% auf die Kunden, die heute genauso viel wie vor der Onleihe kaufen, entgehen uns — und das ist immer noch ein reichliches Drittel!
Nun ist es ansich nichts Neues, dass sich Buchhandel und Büchereien immer auch in einem Konkurrenzverhältnis zueinander befinden, und es ist auch wahr, dass der Buchhandel als wichtig(st)em Vertriebskanal für die Lesegeräte ironischerweise ganz vorne mit dabei ist, die Onleihe für potentielle und eben auch ehemalige Kunden zu ermöglichen. Das ändert aber nichts daran, dass sich aus der Studie eine besondere Schwere des Problems gerade auch für den stationären, unabhängigen Buchhandel ableiten läßt.
Es wäre wichtig, diesen Aspekt angemessen in die Problembetrachtung einzubinden und auch mit dem und für den Buchhandel nach fairen Ausgleichslösungen zu suchen.