Ich komme gerade von einer Vertriebsreise zurück. Sie führte mich in einen Laden, der edle Papeterie und Schreibutensilien, ausgewählte Lederwaren und ein sorgsam kuratiertes Buchsortiment führt – und wegen Erfolgs gerade eine Dependance eröffnet. In ein Loft, in dem es Designerstücke, Taschen und Tücher, Kindermöbel gibt, dazwischen immer wieder Bücher, die der Besitzerin gefallen. Sie wählt streng aus. Kompromisslos. Einmal "in Love", verkauft sie von einem Titel locker 500 Stück in einer echten B-Lage. Ich war in kleinen Independent-Buchhandlungen und im 1-a-Laden einer großen Buchhandelskette. Ich sprach mit unterschiedlichsten Menschen, die eines verbindet: die Liebe zum Buch. Und sie lebten diese Liebe!
Selbst die stellvertretende Filialleiterin des Flagshipstores war frei in ihrem Einkaufsverhalten. Sie berichtete von Aktionen jenseits des Mainstreams, von Thementischen mit Trouvaillen und davon, dass ein Mitarbeiter ein weniger marktgängiges Buch "adoptiert" und hundertstückweise nachordert, weil seine Begeisterung ansteckt. Ich wurde interessiert empfangen, obwohl für einen kleinen Verlag unterwegs. Man widmete mir Zeit.
Sie denken jetzt, ich schreibe von der "guten alten Zeit". Und fast glaube ich das auch.
Nein, die Reise ist wenige Tage her. Es gibt sie noch, die Vielfalt, die Unabhängigkeit, die Bibliodiversität. Aber sie ist in Gefahr! Und wenn wir alle zusammen nicht möchten, dass der erste Absatz dieses Textes dereinst in ein von Amazon kostenlos verteiltes Märchenbuch einfließt, sondern gelebte Branchenrealität bleibt – und in weiten Teilen überhaupt erst wieder wird! –, dann müssen wir reden:
Wir müssen über das Buchpreisbindungsgesetz sprechen, dessen Kommentar gelb leuchtet, wenn Sie sich – wie ich – die Mühe machen, alle Passi zur Vielfalt zu markieren.
Wir könnten, um wach zu werden, eine Zukunft zeichnen, in der alle Independent-Buchläden aufgekauft wurden. Und uns fragen, ob wir das gewollt haben, als wir Verlage den Ketten Konditionen einräumten, die es ihnen im Schutz der Preisbindung ermöglichten, sich die im Konditionengefüge schwächer gestellten unabhängigen Buchhandlungen einzuverleiben, bis schließlich die unabhängigen Verlage überall ausgelistet wurden – und die Buchbranche ihre herausragende Stellung als Kulturwirtschaft verlor.
Wir können die Geschichte des Börsenvereins beleuchten und die Leistung, einen dreispartigen Verband fast zwei Jahrhunderte zusammenzuhalten – und den Fliehkräften und Partikularinteressen Verbundenheit entgegenzustellen. Wir könnten die Verkehrsordnung neu aushandeln (soweit das kartellrechtlich erlaubt ist) und dann einhalten.
Wir sollten uns fragen, ob Algorithmen und eingespartes Personal auf Dauer die richtige Beratung für orientierungslose Leser*innen sichern. Und ob Unabhängigkeit nicht auch heißt, die Meldenummer 17 im VLB zu hinterfragen.
Wir sollten Einigkeit darüber erzielen, dass Händler*innen eine Spanne zwischen Laden- und Bezugspreis brauchen, die es ihnen ermöglicht, Leser*innen Vielfalt zu bieten und (Einzel-)Wünsche zu erfüllen.
Dann sollte jede und jeder von uns mindestens eine Entscheidung treffen, die dazu beiträgt, dass wir dem Made-in-China-Einheitsbrei der die Innenstädte vermüllenden Modeindustrie auch in Zukunft die fluoreszierende Vielfalt an Geschichten und Denkanstößen entgegenstellen. Und dann sollten wir über Buchmomente und Buchbegeisterung reden.
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Es gab da in der Getränkeindustrie mal ein tolles Beispiel, die genau das gemacht hatten – ich meine, es wäre fritz kola gewesen, bin mir aber nicht mehr sicher ...