Interview mit Gabi Rauch-Kneer, Frankfurter Buchmesse

"Wir möchten neue Räume und Perspektiven eröffnen"

4. September 2019
Redaktion Börsenblatt
Die größte Bücherschau der Welt erlebt im kommenden Jahr eine umfangreiche Neukonzeption – mit einem veränderten Ausstellermix und neuen Themenbereichen. Gabi Rauch-Kneer, Geschäftsleitung Messemanagement, über das neue Layout der Frankfurter Buchmesse 2020.      

Die Neukonzeption der Messe bringt bereits in diesem Jahr wichtige Veränderungen mit sich. Wie geht es 2020 weiter?
Nächstes Jahr wird Halle 1 belegt. Durch ihre zentrale Lage am Eingang City verbindet sie Stadt und Messegelände. Gleichzeitig entsteht durch die räumliche Nähe der Hallen 1 und 3, der Event Area und der Agora ein großzügiger und dynamischer Raum für Begegnungen zwischen Ausstellern, den Fachbesucherin­nen und Fachbesuchern, dem Publikum und Autorinnen und Autoren. Hier wollen wir für Verlage aus den Bereichen Literatur und Sachbuch, Kunst und Ratgeber neue Perspektiven eröffnen.
 
Wie reagieren die Aussteller auf diese Veränderungen?
Die Konzeptphase ist weitgehend abgeschlossen. Wir haben sehr viele Aussteller frühzeitig informiert, ihr Feedback ist in unsere Planung eingeflossen. Natürlich ist auch viel Überzeugungsarbeit nötig. Ich glaube aber, es wird uns sehr gut gelingen, unsere Kunden auf die Reise in neue Hallen mitzunehmen.

Ist die Buchmesse frühzeitig von der Messe Frankfurt in die Neuplanung der Hallenlandschaft einbezogen worden, etwa in die Abrisspläne für die Halle 5?
Wir arbeiten in enger Partnerschaft mit der Messe Frankfurt zusammen und wurden sehr früh über die Modernisierungsvorhaben auf dem Gelände informiert. Wir nutzen die Gelegenheit natürlich, um unsere Anforderungen ­einzubringen. Damit die bewährten Nachbarschaften auch künftig erhalten bleiben, die Geschäftsinteressen unserer Kunden auch in einer neuen Umgebung gewahrt bleiben, und das Neugeschäft wichtige Impulse erfährt, muss die Ausstellerstruktur der Messe angepasst werden. Im Rahmen der Revitalisierungsmaßnahmen und der gesamten Geländeplanung wird die Halle 1 eine ganz neue Rolle spielen, nicht zuletzt, weil das angrenzende Europaviertel sich sehr dynamisch entwickelt hat.
 
Wegen des Abbruchs von Halle 5 ziehen viele internationale Aussteller in Halle 4 um. Welchen Vorzug hätte dies?
Unsere Überlegung war, die internationalen Kunden aus den Hallen 5.0 und 5.1., die vor allem wegen des Lizenz­geschäfts nach Frankfurt kommen, zusammenzuhalten und durch die neue Platzierung in Halle 4.0 und 4.1 in der Nähe der anderen internationalen Aussteller in Halle 6 zu belassen.

Welche neuen Umfelder und Nachbarschaften wird es in den Hallen geben?
Wir werden zum Beispiel an den innovativen Bereich THE ARTS+ und B3 Biennale des bewegten Bildes in Halle 4.0 europäische Kreativindustrien andocken, damit wir auch einen zusätzlichen Publikumsmagneten in einer internationalen Halle haben. Frankfurt Kids werden wir in Halle 4.1 platzieren, da dort sehr viele Kinderbuchaussteller aus Frankreich, Spanien, Italien und anderen Ländern vertreten sein werden. Neue Nachbarschaften werden sich in Halle 6 ergeben, wo die asiatischen Aussteller in die Nähe angloamerikanischer Verlage kommen.

Viele Verlage, die bisher in Halle 4 ausgestellt haben, werden künftig in Halle 1 angesiedelt sein – zu ihrem Vorteil?
Die bisherigen Aussteller der Halle 4.1 – unabhängige Literatur-, Sachbuch- und Kunstbuchverlage – sollen gemeinsam mit Ratgeberverlagen die Chance bekommen, sich in Halle 1 neu zu positionieren. Damit bekommt die Frankfurter Buchmesse ein sehr attraktives Entree.
 
Hat Halle 1 auch zwei Ebenen?
Ja, es gibt die Ebenen 1.1 und 1.2, die insgesamt durch vier Rolltreppen erschlossen sind. Die Ebene 1.2 ist direkt über eine Rolltreppe vom Eingang City aus erreichbar. Beide Ebenen bieten Platz für Aussteller der Halle 4.1. Bei der Auswahl der Verlage ist uns die Mischung wichtig: Wir fokussieren immer wieder neue Trendthemen für Fach­besucher und Publikum und wir möchten dem Bereich Ratgeber mehr Sichtbarkeit auf der Messe geben.
 
Wo werden Sie die Dienstleister aus Halle 4.0 unterbringen?
Die deutschsprachigen Unternehmen des Zwischenbuchhandels, Software­anbieter und Non-Books werden wir im südlichen Teil der Halle 3.0 unterbringen. Internationale Serviceprovider werden dezentral in die Nähe ihrer Kunden und Publishingpartner platziert, denn der Bereich in der 4.0 hat schon seit langer Zeit nicht mehr das gesamte Spektrum der Publishing Services abgebildet. Wir wissen, dass viele deutsche Dienstleister die Sichtbarkeit und Arbeitsatmosphäre in der Halle 4.0 geschätzt haben. Gleichzeitig sieht ein Teil dieser Kundengruppe seit vielen Jahren mehr Geschäftspotenzial, wenn die Firmen in der Nähe ihrer Kunden und damit in die Ausstellungsbereiche integriert sind.

Man hatte in den letzten Jahren den Eindruck, dass die Freiflächen zwischen den Ständen größer geworden sind. Haben einige Aussteller der Messe den Rücken gekehrt?
Es gibt im Messegeschäft immer eine gewisse Fluktuation. Wir erleben es hin und wieder, dass Aussteller ein Jahr aussetzen. In dieser Zeit bleiben wir im Gespräch mit unseren Kunden und erarbeiten mit ihnen alternative Angebote für ihre Teilnahme an der Buch­messe. Wir beobachten aber einen Zuwachs neuer Kunden, etwa aus dem Audiobereich: Storytel, Zebralution, Optimal Media und andere.
 
Könnte es sein, dass Halle 1 künftig der attraktivere Standort für Literatur­verlage sein könnte als Halle 3?
Ich glaube, dass wir beide Hallen – 3 und 1 – inhaltlich so fokussieren, dass alle vier Ebenen sehr attraktiv und besucherfreundlich gestaltet werden können. Dazu gehören auch eine optimierte Wege- und Besucherführung und eine verbesserte Aufenthaltsqualität. Im Rahmen einer zweijährigen Kooperation mit der Forschungsgruppe Urban Health Games an der TU Darmstadt gab es zu Analysezwecken geführte Interview­spaziergänge, bei denen im Wechsel jeweils die Perspektive unterschiedlicher Fokusgruppen eingenommen wurde. Aus Sicht der Besucher wurde alles kartografiert, es wurden Hindernisse benannt, erschwerte Zugänglichkeit dokumentiert und so weiter. Daran haben wir intensiv gearbeitet, und das wollen wir sukzessive in unsere Buchmesseplanung einfließen lassen.
 
Können Sie konkrete Schritte nennen?
Die Erkenntnisse der Analyse haben wir zum Beispiel für eine neue Wegeführung in den Hallen genutzt. Die Standard­breiten zwischen den Gängen müssen wir aus Platzgründen zwar beibehalten, dafür versuchen wir an anderer Stelle, das Hallenlayout großzügiger zu gestalten und die Besucherströme gleichmäßiger zu verteilen. Wir werden neben der Via Mobile, die alle Hallen miteinander verbindet, auch ebenerdig ein Wegesystem ausweisen, das insbesondere die Halle 1 und die Halle 3 miteinander verbindet. In den Hallen werden wir die umlaufenden Wege farbig markieren und sehr stark frequentierte Gänge entsprechend verbreitern, damit Besucherströme schneller ins Innere der Halle gelangen. Dafür müssen wir den Hallenaufriss neu planen.
 
Wann beginnen die Bauarbeiten an Halle 5?
Direkt im Anschluss an die diesjährige Frankfurter Buchmesse. Bis zum nächsten Jahr wird Halle 5 abgetragen sein, 2023 soll sie dann wieder ans Netz gehen und für internationale Themen genutzt werden. Während des Umbaus bleiben die Via Mobile und der S-Bahn-Terminal am Torhaus in Betrieb.

Das Ganze ist ein großer Verschiebebahnhof ...
... ein »Magic Cube«.