Interview mit Daniel Wisser über seine Visionen für Arbeit

Arbeitspoesie II

11. Juli 2019
Redaktion Börsenblatt
Für das Projekt "Acht Visionen" werfen Autoren einen literarischen Blick auf die Zukunft der Arbeit. Einer von ihnen ist Daniel Wisser.

Was fällt Ihnen zu "New Work" ein?
Erstens, dass mir alles, was mit neu (auch in englischer Sprache) attribuiert wird, immer verdächtig bekannt vorkommt. Das sollen auch meine Texte zum Ausdruck bringen. Zweitens, dass es sich bei "New Work" um einen Syntagmenwechsel handelt, nicht um einen Paradigmenwechsel. Sprich: Es kommt zu Veränderungen einzelner Bestandteile, nicht aber der grundsätzlichen Struktur. Der globale Kapitalismus bleibt bestehen, ja maximiert seine Profite durch Syntagmenwechsel noch.

Außer schreiben – welchen Job würden Sie gern machen?
Ich habe fast zwei Jahrzehnte gebraucht, um nur Schriftsteller zu sein – was ich immer wollte. Insofern beschäftigt mich diese Frage in letzter Zeit kaum. Ich glaube, ich wäre ein passabler PR-Manager in den Bereichen Literatur und Musik, ein solider, aber nicht besonders begabter Programmierer in der IT oder ein passender Moderator der Sendung "Millionenshow" (österreichische Version von "Wer wird Millionär?"). Ich glaube aber, dass ich den letzten Jobwechsel in meinem Leben bereits hinter mir habe.

Welchen Beruf sollte man für die Zukunft erfinden?
Ich glaube, dass ein Schriftsteller seinen Beruf jeden Tag neu erfinden muss. Die Ablenkungen vom Schreiben und vom Erzählen sind mannigfaltig und vermehren sich mit den digitalen Möglichkeiten. Professionalität ist aber vor allem anderen die Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen. Damit ist meine Antwort auf diese Frage: Schriftsteller. Weil es das Schwierigste ist, auf etwas Bestehendem zu beharren.

Spielt das Thema Arbeit in Ihrem Werk eine Rolle?
Sie war in meinen Romanen "Standby" und "Ein weißer Elefant" das zentrale Thema. Die Romane erschienen mit nur zwei Jahren Abstand, sodass mich einige Kritiker bereits als Autor der Arbeitswelt qualifiziert haben. Diesen Ruf musste ich erst wieder loswerden. Ich finde, dass gerade Arbeit in der Literatur sehr stiefmütterlich behandelt wird. Insofern ist wahrhaftige Literatur über die Arbeitswelt einfach erkennbar.

Haben Sie schon eine Ahnung, worum es in Ihren Vorträgen im September gehen wird?
Eine sehr konkrete. Ich möchte Visionen aus der Vergangenheit und die Geschicke, die sie genommen haben, aufgreifen und in die Zukunft weiterdenken; das alles aber in fiktionalem Rahmen. Ich möchte poetisch formulieren, dass Visionäres immer eine große Kluft zur Gegenwart schafft. Und zur Vergangenheit, denn gerade in der Arbeitswelt werden viele Dinge aus der Vergangenheit sichtbar, die Jahre und Jahrzehnte lang überlebt haben.

Was reizt Sie an dem Kollektiv­projekt "Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur"?
Es ist mutig, dieses Thema zu wählen. Es kommt aber auch zur richtigen Zeit, wie man auch am Siegertext des diesjährigen Bachmannpreises von Birgit Birnbacher sehen konnte. Letztlich aber ist es Literatur; und das heißt, dass es hier nicht nur inhaltliche Innovation braucht, sondern auch formale.

Daniel Wisser schreibt Romane und Lyrik und wurde für "Königin der Berge" (Jung und Jung) mit dem Österreichischen Literaturpreis 2018 ausgezeichnet. Er kam 1971 in Klagenfurt zur Welt und lebt seit 1989 in Wien. Zusammen mit Thomas Pfeffer, Jürgen Plank und Florian Wisser spielt er im  "Ersten Wiener Heimorgelorchester".

Acht Visionen

Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur ist ein Projekt des Literaturhauses Frankfurt und des Museums für Kommunikation.

Inhalt: Acht Autoren schreiben exklusive Auftragsarbeiten über ihre Visionen von Arbeit im digitalen Transformationsprozess.

Mitwirkende: Katharina Adler, Isabelle Lehn, Mariana Leky, Lukas Rietzschel, Jochen Schmidt, Thomas von Steinaecker, Daniel Wisser und Julia Wolf

Ziel: Mit dem Projekt wollen die Partner einen Dialog zwischen Gegenwart und Zukunft, Realität
und Fiktion, Kommunikation und Literatur eröffnen.

Start: Die Autoren werden ihre Texte in vier Premierenlesungen zwischen September 2019 und April 2020 präsentieren. Den Anfang machen Katharina Adler und Daniel Wisser.
Im Juni erscheinen alle Texte der "Acht Visionen" in einer Publikation.


https://literaturhaus-frankfurt.de/programm/termine/acht-visionen-i-ii-2019-09-18/

Lesen Sie hierzu auch unsere Meldung sowie das Interview mit Katharina Adler.