Die KNV-Gruppe wurde von dem Berliner Logistikdienstleister Zeitfracht übernommen. Ein gutes Signal für die Buchbranche? Können Verlage und Buchhandlungen jetzt aufatmen?
Grundsätzlich ist es natürlich ein gutes Signal, dass es mit der KNV-Gruppe unter dem Dach eines erfahrenen Logistikunternehmens weitergeht. Allerdings sollte das Thema Buchlogistik im Fokus der Verlage und Buchhandlungen bleiben, denn in den letzten Jahren galt zu oft ein "Läuft ja!" und man hat sich mit anderen Themen befasst. Die Buchlogistik ist für Verleger und Sortimenter zu relevant und kostenintensiv, als dass man nun wieder zur Tagesordnung übergehen darf. Das gilt zuerst natürlich für die über KNO ausgelieferten Verlage, denn es heißt, für die Gespräche mit den neuen Inhabern vorbereitet und gerüstet zu sein. Aber diese Übernahme wird mittel- und langfristig alle Auslieferungen, Verlage und Sortimente betreffen. Da wird sich niemand einfach wegducken können. Warum auch? Optimierungsbedarf gibt es an vielen Stellen und Optimierungsmöglichkeiten lassen sich immer und überall finden!
Die KNV-Gruppe wird als Ganzes zusammengehalten, mit allen Standorten und allen Mitarbeitern – müsste sich nicht eigentlich etwas ändern, damit KNV profitabel arbeiten kann?
Die KNV-Gruppe zusammenzuhalten setzt natürlich zuerst einmal ein Signal der Kontinuität an die Branche. Der neue Eigentümer wird allerdings ganz sicher die auch für ihn neue Situation genau analysieren und daraus für die Zukunft strategische und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen ableiten. So wie das jeder Unternehmer permanent tun muss. Sicherheit auf ewig gibt es nirgendwo und Veränderung ist schließlich die Grundlage für Fortschritt und Entwicklung. Sich dieser neuen Situation mit Bedacht und Fingerspitzengefühl zu stellen und nicht hektisch und übereifrig in Aktionismus zu verfallen, ist das Gebot der Stunde.
Welche Schritte müssen die neuen Eigentümer aus Ihrer Sicht nun als erstes unternehmen?
Die Logistik-Profis von Zeitfracht haben ganz sicher vor ihrer Übernehmeentscheidung die vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Daten und Fakten bestmöglich analysiert. Aber in der Buchlogistik bringen die neuen Eigentümer ja keine ausgewiesene Expertise mit. Deshalb wird man nun nach der offiziellen Bekanntgabe der Übernahme in die erworbenen Unternehmen hineingehen, die Gespräche mit den Verantwortlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf allen Ebenen führen und die Arbeitsprozesse analysieren.
Und natürlich das Gespräch mit den Auslieferungsverlagen, dem Sortiment sowie dem Börsenverein und seinen Fachausschüssen suchen. Kompetent und zugewandt fragen und aktiv zuhören sind in der Phase nach einer Unternehmensübernahme die zentralen Tugenden. Denn schließlich ist ein Buchlogistiker nicht nur sich selbst verpflichtet. Als Branchendienstleister ist er elementarer Teil der Branche und kann nur dann erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, neben den internen Prozessen auch die externen Partner professionell, reibungslos und in guter Qualität zu bedienen.
Zeitfracht bekennt sich zum Kulturgut Buch – müssen in der Buchlogistik andere Regeln gelten? Stichwort flächendeckende Versorgung…
Der Handel mit Kulturgütern unterliegt tatsächlich eigenen Gesetzen. Deshalb sind ja nun auch alle Branchenteilnehmer aufgerufen und verpflichtet, mit dem neuen Eigentümer ins Gespräch zu gehen und einen konstruktiven Dialog zu führen. Um das Gute zu bewahren und das Übrige in Zukunft besser zu machen. Aber nochmal: Die Verlage und Sortimenter sind gut beraten, sich durch interne Analyse auf diese Gespräche und die nun entstehende Branchendiskussion gut vorzubereiten, um überzeugend argumentieren zu können. Mit oder ohne externe Beratung und Begleitung. Zeitfracht, als neuer KNV-Inhaber kann im Thema Buchlogistik nur so kompetent sein und werden, wie ihn alle Branchenteilnehmer in den nächsten Wochen und Monaten machen!
Kennen Sie persönlich das Unternehmen Zeitfracht bereits aus Arbeitszusammenhängen?
Nein, ich kenne das Unternehmen Zeitfracht aus persönlicher Zusammenarbeit noch nicht, aber ich freue mich darauf, auf Logistikexperten zu treffen, die den Herausforderungen der Buchlogistik aufgeschlossen und mit unverstelltem Blick begegnen.
Andreas Pawlenka (56) ist als Verlagsberater mit dem Schwerpunkt Buchlogistik tätig (www.andreas-pawlenka.de).
Durch seine Erfahrung als Vertriebs- und Bereichsleiter in verschiedenen Buch- und Musikverlagen sowie als Geschäftsführer einer international tätigen Verlagsauslieferung kennt er sowohl die Verlags- als auch die Auslieferungsperspektive aus eigener Praxis und Führungsverantwortung