KNV-Übernahme: Interview mit dem Insolvenzverwalter Tobias Wahl

"Zeitfracht wird Mehrwerte schaffen"

26. Juni 2019
Redaktion Börsenblatt
Die Erfurter KNV-Immobilie ist nicht Teil des Kaufvertrags, stattdessen besteht ein langfristiger Mietvertrag. Im Interview spricht Insolvenzverwalter Tobias Wahl über Details und Folgen des Deals.

Was hat Sie überzeugt, sich für Zeitfracht zu entscheiden? Das Unternehmen hat bisher keine Erfahrung im Buchbereich ...
Die Auswahl des neuen Erwerbers erfolgte mit großer Sorgfalt und der gebotenen Umsicht in einem strukturierten Bieterverfahren. Zeitfracht ist ein idealer Erwerber, da das inhabergeführte Unternehmen mit seinem Leistungsportfolio perfekt zu KNV passt. Zeitfracht ist bereit, alle Arbeitnehmer zu übernehmen.

Als inhabergeführtes Familienunternehmen bekennt sich Zeitfracht zum Kulturgut Buch und verfolgt eine langfristige, nachhaltige Geschäftsentwicklung. Zeitfracht möchte nicht nur die drei Geschäftsbereiche Barsortiment, Verlagsauslieferung und Buchlogistik fortführen und ausbauen, sondern auch eigene Geschäftsbereiche einbringen, insbesondere um die Logistik in Erfurt weiter auszulasten und zu stärken. 

Wie einig war sich der Gläubigerausschuss in Sachen Zeitfracht?
Die Gläubigerausschüsse, das Insolvenzteam und ich sind im Ergebnis zu der Überzeugung gelangt, dass der Investor Zeitfracht unter wirtschaftlichen und personellen Aspekten das beste Gesamtgebot für die KNV Gruppe abgegeben hat. Die Abstimmungen im Gläubigerausschuss sind vertraulich. Wir bitten um Verständnis.

Wie können sich das Portfolio von KNV und das von Zeitfracht konkret ergänzen?
Die Zeitfracht Gruppe ist einer der wenigen unabhängigen Logistikdienstleister im deutschen Markt. Der Kauf der KNV Gruppe stärkt die Logistiksparte der Zeitfracht Gruppe erheblich und untermauert die führende Position des Unternehmens in der Branche. Zeitfracht wird die logistischen Prozesse gemeinsam mit KNV synchronisieren und dadurch entsprechende Mehrwerte schaffen. Auch im Bereich des Transports und der IT gibt es interessante Perspektiven durch den Kauf der KNV Gruppe.

Wie ist die Aussage zu verstehen, dass alle betriebsnotwendigen Güter übernommen werden? Bzw.: Welche Güter werden nicht übernommen?
Zeitfracht wird die gesamte KNV Gruppe übernehmen, sobald die Freigaben der Kartellbehörden und der Banken vorliegen. Das schließt die operativen Bereiche Buchgroßhandel (Barsortiment), die Verlagsauslieferung und die Logistik und ausdrücklich auch die Kunden- und Lieferantenverträge mit ein. Der Verkauf der insolventen KNV Gesellschaften erfolgt im Zuge einer übertragenden Sanierung.

Im Kaufvertrag ist die Übernahme der Immobilie des Erfurter Standorts nicht enthalten. Zeitfracht hat über die Immobilie in Erfurt aber einen langfristigen Mietvertrag mit einer Dauer von mindestens 15 Jahren und Verlängerungsoptionen abgeschlossen, so dass eine langfristige Nutzung sichergestellt ist.

Die Entscheidung steht noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung von Banken und Kartellbehörden. Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass der Verkauf noch verhindert werden könnte?
Uns liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Verkauf scheitern könnte. Aber wir halten uns etwa bei den Entscheidungen der Kartellbehörden völlig zurück und vertrauen auf deren Arbeit und Entscheidung.

KNV kommt in den Genuss von Wirtschaftsförderung in Thüringen. Wird diese Förderung auch für Zeitfracht weiter gelten?
Hierüber stehen wir im Gespräch mit dem Wirtschaftsministerium und der Thüringischen Aufbaubank. An dieser Stelle möchte ich der thüringischen Landesregierung, dem Wirtschaftsministerium und der Thüringischen Aufbaubank für ihre Unterstützung danken. Sie haben sehr konstruktiv mit uns verhandelt. Die Verhandlungen waren zielgerichtet und erfolgreich. Damit hat die thüringische Landesregierung einen Beitrag zu einer Zukunftslösung für den KNV-Standort in Erfurt geleistet.

Wie viele Anbieter und Anbieter welcher Art (Finanzinvestoren, strategische Investoren etc.) waren im Rennen?
Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu Einzelheiten des M&A-Prozesses nicht äußere. Wir haben Vertraulichkeit vereinbart und äußern uns weder zu der Zahl der Bieter, noch zu Namen oder zu ihren Konzepten.

Wie geht es jetzt für die Verlage weiter, die noch Geld von KNV bekommen?
Das kommt drauf an. Bei der Beantwortung dieser Frage müssen wir unterscheiden, wann die Verbindlichkeiten von KNV entstanden sind. Grundsätzlich gilt, dass sämtliche Forderungen der Verlage, die vor dem 15.02.2019, 12.00 Uhr (Beschluss des Amtsgerichts Stuttgarts über den Insolvenzantrag), entstanden sind, Insolvenzforderungen sind. Diese werden zur Gleichbehandlung aller Gläubiger aus der vorhandenen Insolvenzmasse gezahlt. Dafür müssen die Gläubiger ihre Forderungen bei mir zur Insolvenztabelle anmelden. Jeder Gläubiger erhält am Ende des Insolvenzverfahrens eine Quotenzahlung. Wie hoch die Quote ausfallen wird, lässt sich noch nicht sagen. Die Abwicklung des Insolvenzverfahrens kann noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

Davon zu unterscheiden sind Forderungen der Verlage gegen KNV, die nach dem 15.02.2019, 12:00 Uhr (Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart) entstanden sind und Masseverbindlichkeiten sind. Die Masseverbindlichkeiten werden laufend und vorrangig beglichen. Wir stehen mit den Verlagen im engen Austausch. Sollten weitere Fragen bestehen, können sich die Verlage gerne an die bekannten Ansprechpartner bei KNV wenden.

Die Eigentumsvorbehalte rechnen wir weiter wie bisher ab.

Sie haben Ihre festgelegte Timeline exakt eingehalten und es innerhalb von fünf Monaten geschafft, ein großes, komplexes Unternehmen in Gänze und ohne Personalmaßnahmen zu verkaufen. Ist das nicht fast schon rekordverdächtig?
Wir freuen uns, dass es unserem Team und mir gelungen ist, in dieser sehr kurzen Zeit einen neuen Investor für KNV zu finden und damit die Weichen für eine erfolgsversprechende Zukunft der Unternehmensgruppe zu stellen. Dieser Erfolg ist das Ergebnis einer von Anfang an gut funktionierenden Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter. Allen voran gilt mein Dank der Geschäftsführung und den Mitarbeitern, die in dieser sehr schwierigen Zeit motiviert und engagiert weitergearbeitet und dadurch einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der KNV Gruppe geleistet haben. Ihre Verbundenheit, Treue und Loyalität zu KNV ist einzigartig und Sinnbild für die gesamte Buchbranche, die sich durch eine besondere Solidarität auszeichnet.

Ferner danke ich den Buchhändlern und Verlagen, den Banken und weiteren Gläubigern sowie allen Beratern, die mein Team und mich unterstützt haben.