Bestsellerautorin in London gestorben

Judith Kerr ist tot

23. Mai 2019
Redaktion Börsenblatt

Die Illustratorin und Schriftstellerin Judith Kerr (95) ist gestern in London gestorben, wie ihr britischer Verlag Harper Collins heute mitteilt. Kerr schrieb mehr als 30 Bücher für Kinder und Jugendliche (darunter "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl"), die in 25 Sprachen millionenfach verkauft wurden.

Auch im hohen Alter verfolgte Kerr das Zeitgeschehen, zeichnete, schrieb, veröffentlichte Bücher. Sie war Weltbürgerin im besten Sinne, sprach mehrere Sprachen und konnte im Gespräch - ganz Tochter  ihres Vaters Alfred Kerr - auch in deutscher Sprache hinreißend und pointiert formulieren. Ihre Karriere als Buch-Autorin begann Kerr, die am 14. Juni 1923 in Berlin geboren wurde, erst mit über 40 Jahren. Dabei sah sich Kerr gar nicht als Schriftstellerin, denn ihre Leidenschaft galt der Illustration - Kerr hatte in London eine Kunsthochschule besucht.

Mehrere ihrer Bücher thematisieren die Flucht ihrer jüdischen Familie aus dem nationalsozialistischen Deutschland − ihre Familie musste in die Schweiz fliehen, auch in Frankreich lebte sie eine Zeit lang, bis sie dann in Großbritannien eine neue Heimat fand. In "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" (1971) hat sie diese Erfahrungen verarbeitet und dafür 1974 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten, der Titel wurde zur Schullektüre. 

Jüngste Titel

Auch in ihrer Autobiografie "Geschöpfe. Mein Leben und Werk" (Edition Memoria) erzählte sie von ihrer Kindheit im Exil sehr offen, beschönigte nicht und stellte ihren Erlebnissen die Fakten, die sie als Kind noch nicht kannte, zur Seite. Der Drang zu zeichnen zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, zahlreiche Skizzen und Illustrationen aus fast 90 Jahren zeigen Kerrs zeichnerische Entwicklung. In ihren Texten besichtigte sie ein Jahrhundert, von der Zeit als arme Studentin über den Job bei der BBC bis zur Zusammenarbeit mit Verlagen, die Veränderungen in der Familie. Fans von Kerrs Figur Kater Mog ("Das große Buch von Kater Mog", Ravensburger) lernen das reale Vorbild kennen. 

Ende Juni 2018 erschien bei Sauerländer "Meine Katze Katinka", eine treue Begleiterin ihrer Besitzerin Judith. Ob die magische Geschichte um Katinka am Ende nur ein Traum ist, lässt Judith Kerr offen – im wirklichen Alltag aber begrüßte sie Katinka morgens freundlich auf der Fensterbank. Leben und Werk, so wird deutlich, waren bei Judith Kerr kaum noch zu trennen. Sie selbst fand das herrlich.

Das letzte Manuskript

Nach Auskunft des  S.Fischer Verlags können sich Leser auf ein unveröffentlichtes Buch der Illustratorin und Autorin freuen: "Noch vor wenigen Wochen bekamen wir Judith Kerrs neuestes Manuskript auf den Tisch und wir können es nicht fassen, dass dies nun das letzte sein wird", sagt Ulrike Metzger, Verlagsleiterin Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag, und erinnert sich an Kerrs Wirkung: "Wo sie auftrat, wurde sie mit stehendem Applaus empfangen". Metzger spricht von "einzigartigen Büchern, wie nur Judith sie zu Papier bringen konnte, durch ihre Beobachtungsgabe, ihre große sprachliche Kraft und der ihr eigenen Verbindung von Scharfsinn, Warmherzigkeit und hintergründigem Humor".