Die Sonntagsfrage

"Bücher statt Zinsen – wie funktioniert Ihr Crowdfunding-Modell, Frau Roetzer?"

10. Mai 2019
Redaktion Börsenblatt
Bettina Roetzer hat ihre Buchhandlung in München Haidhausen geschlossen und einen Buchladen im Stadtteil Giesing übernommen. Das nötige Geld dafür hat sie sich von Freunden, Bekannten und Kunden geliehen. Die Geldgeber bekommen für ihr Kapital satt Zinsen – vier Prozent in Form von Büchern. Bettina Roetzer über ein Finanzierungskonzept mit lauter Gewinnern.

Meinen Buchladen in Haidhausen schließen, 1,8 Kilometer weiterziehen und die Buchhandlung in Giesing übernehmen – dieser Plan schien mir perfekt! Ich bin 57 und gehöre zu denen, die noch eine ganze Weile arbeiten werden müssen. Die lange Jahre bestens geführte Buchhandlung, die mir vom Inhaber Gerhard Drechsler angeboten wurde, ist eine Stadtteilbuchhandlung, die einzige in Giesing. Ich würde eine Mitarbeiterin übernehmen und könnte endlich mal wieder Urlaub machen!

Für den Kauf der Buchhandlung, Umzug und Renovierung hatte ich 35.000 Euro veranschlagt. Doch leider habe ich keinen Kredit von der Bank bekommen. Das ist für Buchhandlungen im Moment ganz schwer, egal wie gut das Konzept ist. Bekannte waren überzeugt: Das klappt auch ohne Bank! Und so war es dann auch. Kunden, Freunde und Bekannte haben mir private Darlehen zwischen 500 und 10.000 Euro gegeben, mit Laufzeiten über 5, 8 oder 10 Jahre. Alles über direkte Ansprache und Mund-zu-Mundpropaganda. Es ist sogar noch etwas mehr Geld zusammengekommen, so dass ich jetzt erstmal einen kleinen Puffer habe. Es ist so wahnsinnig motivierend, dass diese Leute mir vertrauen, meinem Geschäftssinn vertrauen!

Mit allen 20 Darlehensgebern habe ich Privatdarlehensverträge geschlossen, die von einem Anwalt auf Rechtmäßigkeit geprüft wurden. Das sollte schon seine Ordnung haben. Verzinst werden die Darlehen in Form von 4 Prozent, die jährlich als Büchergutschein ausgezahlt werden. Die Zinsbelastung für mich beträgt damit nur zwischen 1,9 und 2,1 Prozent, je nach Einkaufspreis.  

Der Umzug ist dann auch gut über die Bühne gegangen, seit Anfang April stehen die Türen in Giesing wieder offen. Vorher haben wir aus der 85 Quadratmeter großen Giesinger Buchhandlung alles einmal rausgeräumt, gestrichen, neuen Teppich verlegt. Die Grundmöbel haben wir behalten – und die DHL Postfiliale. Das war nicht unbedingt mein Wunsch, aber diesen Service wollte ich den Giesingern erhalten.