Die Käufer-Studie des Börsenvereins legt es nahe, auch die Befunde von "Criteos Gen Z Report" (zu Konsumgewohnheiten der 16- bis 24-Jährigen) weisen in diese Richtung: Der stationäre Handel ist bei der Kundschaft gefragt – wenn er denn sichtbar beziehungsweise auffindbar ist. Nach unserer Erfahrung spielen Veranstaltungen dafür eine immer größere Rolle.
Nicht ganz trivial ist dabei die Frage: "Wie kalkuliert man ein Event?" Umsätze sind hier ebenso relevant wie übergeordnete Marketingziele – die einen lassen sich berechnen, die anderen nur bedingt. Wir haben daher eine Beispielkalkulation entwickelt. Sie kann nicht mehr sein als Anregung, denn den strategischen Wert einer Veranstaltung können nur die Buchhändlerinnen und Buchhändler selbst beurteilen. Gleichzeitig enthält sie einige zentrale Punkte, von denen wir glauben: Die braucht man fast immer.
Durchgerechnet: ein "After-Work-Event" in einer inhabergeführten Buchhandlung
Externe Raumkosten fallen nicht an, Bestuhlung und Technik sind vorhanden. Angelegt ist das Event auf ca. 2,5 Stunden, inklusive Auf- und Abbau ca. 4 Stunden. Für den Abend selbst sowie für Planung, Organisation und Dokumentation veranschlagen wir 16 Arbeitsstunden – wobei jeweils die Hälfte auf die Inhaberin (nicht berechnet) und einen Mitarbeiter (berechnet) entfällt. Für den Büchertisch werden 30 Exemplare à 24,90 Euro eingekauft (40 Prozent Rabatt). 20 Bücher werden während des Events verkauft, außerdem noch einige andere Titel. Die weiteren zehn Bücher des Autors gehen in den nächsten zwei Wochen über den Tisch.
Die Veranstaltung selbst ist "nicht ganz klein, aber fein": Die Inhaberin hat einen Businessautor zu Gast, dessen Vortrag echten Mehrwert verspricht – ein Eintrittspreis von acht Euro ist angemessen, mindestens 40 Gäste werden erwartet. Getränke und Knabbereien werden bereitgestellt, auch eine kleine individuelle Dekoration ist geplant. Der Autor selbst verlangt kein Honorar, allerdings sind Reise- und Hotelkosten aufzubringen. Und natürlich muss geworben werden: Flyer, Mailings, Plakate und Feedbackfragebogen werden kalkuliert.
Alles in allem stehen dann folgende Einnahmen und Ausgaben einander gegenüber (Ca.-Werte, brutto):
Einnahmen: Buchverkauf (850 Euro) + Tickets (320 Euro) = 1 170 Euro
Ausgaben: Personal (200 Euro) + Essen und Getränke (100 Euro) + Ware (450 Euro) + Dekoration (50 Euro) + Reise- und Hotelkosten (250 Euro) + Werbemittel (200 Euro) = 1 250 Euro.
Nun kommt es zum Schwur: Lohnt sich das? Dazu gilt es, auch die weicheren Faktoren in die Bewertung miteinzubeziehen. Denn die 80 Euro Kostenüberhang und die acht Arbeitsstunden der Inhaberin werden nicht nur in einen erfolgreichen Abend investiert, sondern auch in 30 neue Newsletter-Anmeldungen sowie ebenso viele neue Follower auf Instagram und Facebook. Ebenfalls noch nicht "mitgerechnet" sind die kommunikative Wirkung der Ankündigungen vor und die Berichte nach der Veranstaltung – und vor allem: die Zufriedenheit der Kunden, denen die Buchhandlung einen besonderen Abend bietet.
Daher unsere Gesamteinschätzung: Diese Veranstaltung rechnet sich!
- Nachrichten für Zielgruppen
- Besondere Formate
- Aktionen und Preise
- Anzeigen, Adressen und Jobs
- Newsletter und Downloads
- Abo und Ausgaben
Es ist vollkommen unrealistisch, dass AutorInnen kein Honorar verlangen (und die Dreistigkeit, das von Anfang an als ausgeschlossen zu betrachten, muss ich wohl nicht weiter kommentieren). Zwar gibt es AutorInnen, die sich bereit erklären, honorarfrei zu lesen, diese generieren aber ganz sicher keinen Buchumsatz von 850€, geschweige denn einen Ticketumsatz von 320€.
Wir durften schon große Namen bei uns begrüßen und dann waren wir glücklich, wenn wir nach allen Abzügen bei einem winzig kleinen Plus rauskamen.
Zeichnen Sie bitte kein falsches, unrealistisches und gänzlich utopisches Bild von Lesungen im Buchhandel. Sie sind wichtig und toll und sollten so oft wie möglich stattfinden, aber sie rechnen sich nicht!
Der Buchhandel stöhnt, weil ihm die Leser ausgehen? Er stöhnt, weil die Leute zu den billigeren Selfpublishern oder zu Netflix abwandern? Und doch: Die Buchbranche ist mit ca. 9 Milliarden Umsatz größer als die deutsche Filmbranche, umsatzträchtiger als die deutsche Musikindustrie und finanziell zugkräftiger als die dt. Spielebranche.
Wer zieht eigentlich die Leute in den Laden? Ich meine die, die nicht wegen der schönen Deko und der Gratsigetränke kommen? Trotzdem können ca. 90% der Autorinnen nicht allein von ihrem Schreiben leben. Das ist noch konservativ gerechnet. Andere sagen, nur 5 %, oder gar nur 3%. Fakt ist, dass der Durchschnittsverdienst von Autoren laut KSK bei 20.909 € liegt! Das sind die offiziellen Zahlen zum 1.1.2018.
Mal einfach die Rechnung aufzumachen, dass die Autorin oder der Autor auf das Honorar zu verzichten hat, ist ... ja was?
Wie würden Sie das an Ihrer Stelle bezeichen, wenn jemand davon schlichtweg davon ausgeht, dass Sie umsonst zu arbeiten haben, liebe Frau Rosengart? Unverschämt? Caritativ? Dumm? Sagen Sie es mir.
Wären Sie dazu bereit, mit Anreise sagen wir mal Minimum anderhalb Tage kostenlos für ein kommerziell ausgerichtetes Event zu arbeiten? Es würde mich wirklich interessieren. Wirklich.
Wahrscheinlich ist dies aber inzwischen die Realität, wenn man kein bekannter Autor ist.
Da ist die Zeit beim Schreiben sicherlich sinnvoller genutzt.