Stella-Streit um Buch von Takis Würger

"Eine schlecht geschriebene Light-Version eines tragischen Geschehens"

6. März 2019
Redaktion Börsenblatt
Die Debatte um den umstrittenen Roman "Stella" von Takis Würger geht weiter. Philine Meyer-Clason von der Tucholsky-Buchhandlung in München wirft dem Autor "Geschichtsklitterung" vor - hier erklärt sie, warum sie sich weigert, den Roman zu verkaufen. Nach einem Offenen Brief von Buchhändlerinnen und Buchhändlern, die Würger gegen das Feuilleton in Schutz nehmen, positioniert sich eine Buchhändlerin nun auf der Seite der Kritiker. boersenblatt.net publiziert die Stellungnahme im Wortlaut.  

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Offenen Briefes,

Sehr geehrter Herr Hugendick von „Die Zeit“,

es ist völlig egal ob ein Buch gut geschrieben, schlecht geschrieben ist und dem Buchhandel und den Verlagen gutes Geld bringt. Darum geht es nicht.

Es geht doch vielmehr darum – und hier unterstütze ich das kritische Feuilleton – einem jungen Autor, Jahrgang 1985, die Fähigkeit abzusprechen. Es geht darum, ein in dieser Form geschriebenen Roman zu verurteilen.

Das Buch ist eine schlecht geschriebene Light-Version eines tragischen Geschehens und einer Verirrung, die im 3.Reich sicherlich nicht nur einzigartig war.

Vor der Tatsache des Massenmordes ist es ein No-Go die Geschichte der Stella Goldschlag als eine liebevolle Märchen-und Liebesgeschichte dazustellen. Selbstverständlich wollen wir und wollten wir heute niemals in der Rolle der Stella Goldschlag sein, - wir wüssten sicherlich heute nicht, wie wir reagieren würden – würden auch wir Juden verraten?, um überleben zu wollen, das alles unter Folter. Wir wissen mit Sicherheit heute keine Antwort.

Aber: das Schicksal dieser Frau unter den gegebenen Umständen so kritiklos, als Liebesroman in die Welt zu setzen, halte ich für verwerflich. Es ist gewissermaßen eine Form der Geschichtsklitterung und ganz extrem gesagt ein Ja-Sagen zur AfD, die gewisse „Fliegenschisse der Geschichte“ darstellt.

Man kann ein solches Schicksal und Tragik nicht als Liebesgeschichte erzählen, und diese mit lapidaren Akten unterstützen, ohne das ganze Drama der damaligen Zeit zu erzählen. Offensichtlich wollte Takis Würger eine Geschichte Light für die jüngere Generation. Das funktioniert nicht, denn der Holocaust ist und bleibt Holocaust in all seiner Grausamkeit und unendlicher Fassungslosigkeit. Da hilft es nichts, das in einem kleinen Roman schönreden zu wollen.

Jeder Autor, der das Thema 3. Reich in jedweder Form in Literatur anfasst, hat meines Erachtens eine Aufgabe, dies in Wahrhaftigkeit aufzugreifen. Das mag eine Liebesgeschichte, ein Familiendrama sein, dennoch die Tragweite des Dramas der deutschen Geschichte darf nicht verharmlost werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, möge Ihnen der Roman „Stella“ Umsätze bringen: es ist in diesen Zeiten aber auch Zeit Haltung zu zeigen und bestimmte Bücher einfach nicht zu verkaufen, bzw. nicht zu bewerben, bzw. nicht am Lager zu halten.

Ich bin diesbezüglich noch nicht nach dem Roman gefragt worden, ich habe ihn auch nicht am Lager, kein Kunde hat das Buch bis dato bei mir bestellt. Vielleicht und offensichtlich habe ich andere Kunden als Sie, aber dieses Buch bestelle ich nicht, wie auch einige andere nicht. Denn ich bin Sortimenterin und Umsatz hin oder her: wie gesagt, es geht nicht darum ob ein Buch schlecht oder gut ist, es geht um eine Haltung.

Ich kann das Buch von Takis Würger nicht guten Gewissens verkaufen und ich würde mir eine Stellungnahme von Michael Krüger sehr wünschen, Hätte er das Buch verlegt? Vielleicht eine Frage von „Buchmarkt“ an den ehemaligen Verleger? Umsatz gegen Gewissen, Gewissen gegen Geschmack, Inhalt gegen Realität? Wir wissen es nicht.

Ich unterstütze das Feuilleton, dass dieses Buch von Takis Würger ein Buch ist, welches der Leser nicht braucht, auch die Jüngeren nicht. Da gibt es viel mehr und anderes, was die Geschichte in der Grausamkeit und Dramatik realistischer darstellt und damit wichtiger ist.

 

Philine Meyer-Clason

Tucholsky Buchhandlung München