Es war Liebe auf den ersten Blick: »Ich habe mich sofort in den Laden verliebt«, sagt Claudia Zagarus, wenn sie sich an ihren ersten Besuch in der Buchhandlung Gosch in Kappeln erinnert. Eine Stellenanzeige für einen Ausbildungsplatz hatte sie hergeführt. Dass das Bewerbungsgespräch in dem Familienunternehmen sie nach drei Jahren von der Kleinstadt an der Schlei auf die große Bühne in Berlin an die Seite von Entertainerin Barbara Schöneberger führen würde, hätte sie damals nicht gedacht.
Der Flensburgerin war wichtig, endlich ihre Berufung gefunden zu haben: Nach Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim wollte sie Lehrerin werden, schrieb sich an der Universität Flensburg für das Fach Lehramt auf Mathematik und evangelische Theologie ein. Sie absolvierte erfolgreich den Bachelor-Abschluss, doch während der folgenden Praktika merkte sie, dass dies auf Dauer nicht ihr Platz sein würde. Alles, was mit Menschen zu tun hat, vor allem mit Kindern, machte ihr weiterhin große Freude. Ein Besuch beim Arbeitsamt sorgte für den Aha-Effekt: »Dort bin ich auf ›Buchhändlerin‹ gestoßen.«
Generation »Harry Potter«
In Kappeln, so spürte sie, war sie angekommen. »Eine wunderschöne Buchhandlung – und man merkte gleich, dass hier Menschen tätig sind, die richtig Lust darauf haben – das Team, die Atmosphäre, es passte einfach sofort«, erzählt Zagarus. Die heute 31-Jährige weiß nun, dass sie in ihren Traumberuf gefunden hat. In der Buchhandlung Gosch vereine sich alles, was sie gern tue: »lesen, beraten, in Kontakt mit Menschen stehen«. Besonders das Kinder- und Jugendbuch hat es ihr angetan. »Ich gehöre zur ›Generation Harry Potter‹, habe ganz viel Fantasy verschlungen.« Mit Schwung ging sie ihre neue Aufgabe an. »Hier wurde man direkt ernst genommen, Azubis sind voll eingebunden.« Martin Gosch, der das im Jahr 1910 gegründete Familienunternehmen führt, bildet teilweise sogar zwei Azubis in einem Lehrjahr aus. Engagement weiß er anzuerkennen: Bereits im dritten Ausbildungsjahr wurde Claudia Zagarus die Verantwortung für die Kinder- und Jugendbuchabteilung übertragen.
Auch im Unterricht an der Landesberufsschule in Bad Malente lief es rund. Highlight war das Projekt »Krimihaus«: ein Rollenspiel, das die Klasse der angehenden Buchhändler im Fach Marketing erdacht, ausstaffiert und erprobt hat. Dann kamen die Briefe: beste Auszubildende im Kreis. Beste im Land Schleswig-Holstein. Beste in Deutschland. Und die Einladung als Spitzen-Azubi zur Ehrung in Berlin mit EU-Kommissar Günther Oettinger. »Mit diesem guten Ergebnis und einer Ehrung hatte ich nicht gerechnet«, meint Zagarus, die eigentlich nicht gern im Mittelpunkt steht – nicht einmal, wenn Barbara Schöneberger moderiert. »Sehr sympathisch und mit viel Humor. Zur Generalprobe mit Lockenwicklern im Haar«, schmunzelt Zagarus. Die gläserne Trophäe für die Topauszubildende ziert heute das Bücherregal zu Hause in Flensburg, wo sie zusammen mit ihrem Mann lebt.
Rund 100 Kilometer Arbeitsweg legt Zagarus täglich zwischen Wohnort und Buchhandlung zurück. Für die Buchhändlerin ist die Stunde Autofahrt eine Zeit der Entspannung, in der sie neu erschienenen Hörbüchern lauschen kann. »Ich halte Ohren und Augen offen, um auf dem Laufenden zu sein«, sagt sie. Radio, Podcasts, Gespräche mit Verlagsvertretern, Fachzeitschriften wie Eselsohr und JuLit unterstützen sie im Einkauf. Der Geschmack der Kunden ist saisonabhängig: Das knapp 10 000 Einwohner zählende Kappeln, das in Ostseenähe liegt, ist in der Sommersaison ein sehr beliebtes Urlaubsziel – entsprechend tourismusgeprägt ist der Buchhandel.
Höhepunkt des Jahres ist der Welttag des Buches: Rund um den 23. April nimmt Zagarus sich jeder Schulklasse persönlich an. »Ich erzähle gern, was mir an meinem Beruf Spaß macht, wie der Buchhandel funktioniert, was Verlage sind – und auch immer wieder, was der Unterschied zwischen Bücherei und Buchhandlung ist.« Viele Kinder kommen wenig später mit ihren Eltern zum Bücheraussuchen wieder – für Zagarus ist das die schönste Bestätigung.
Den Welttag in diesem Jahr wird die Buchhändlerin unter veränderten Vorzeichen erleben: Als werdende Mutter ist Leseförderung für sie bald auch Familiensache. Das Wohnen am Wasser kann sie dann bei ausgiebigen Spaziergängen mit dem Kinderwagen genießen. »Norddeutschland ist einfach schön!«, sagt die junge Frau – so wie der Buchhandel. »Wenn die Leseexemplare und Vorschauen bei uns eintreffen, ist das immer wie Ostern und Weihnachten zugleich«, schwärmt Claudia Zagarus. Könnte sie sich auch eine eigene Buchhandlung vorstellen? »Ausgeschlossen ist es nicht.
Was sagen Sie dazu?
»Moin«?
Ein ›Moin‹ geht hier bei uns im Norden immer – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auch wenn viele Urlauber erst einmal denken, dass es ›Guten Morgen‹ heißt.
Sommersaison?
Beginnt, wenn die Frage nach Briefmarken häufiger wird. Und man den Weg zur Post schon im Schlaf aufsagen kann.
Dänemark?
Es ist toll, in dieser Grenzregion zu leben. Das skandinavische Flair ist überall zu spüren. Gerade am Wochenende hört man an jeder Ecke, wie sich die Leute auf Dänisch unterhalten. Und erst dieses leckere Lakritz!
Der Börsenblatt Young Excellence Award geht in die sechste Runde. Die gesamte Buchbranche ist aufgerufen, den Preisträger oder die Preisträgerin in einem Onlinevoting zu bestimmen. Die Wahlkabine auf www.boersenblatt.net ist vom 1. bis zum 11. August geöffnet. Ihre Stimme zählt!
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