Was genau sind jetzt Ihre Aufgaben als vorläufiger Insolvenzverwalter?
Als vorläufiger Insolvenzverwalter arbeite ich mit unserem Insolvenzteam intensiv an einer Zukunftslösung für die insolventen KNV-Gesellschaften. Unsere derzeit wichtigste Botschaft für die Branche lautet: Es geht weiter! Als vorläufiger Insolvenzverwalter habe ich die Aufgabe, das Unternehmen zu stabilisieren und weiterzuführen sowie die Fortführungsmöglichkeiten auszuloten. Laut der Insolvenzordnung habe ich das Vermögen der Schuldnerin zu sichern und zu erhalten. Zu meinen wesentlichen Aufgaben gehört eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung und die nachhaltige Sanierung von KNV sowie der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze.
Wie verschafft man sich möglichst schnell einen Überblick über das Unternehmen, die Branche etc.?
Als ich von meiner Bestellung durch das Amtsgericht Stuttgart gehört habe, bin ich umgehend zum Firmensitz gefahren und habe mich mit der Geschäftsleitung, Führungskräften und dem Betriebsrat getroffen. Ich habe nun Zugang zu allen relevanten Unterlagen, die mein Team und ich nun intensiv sichten werden und ich sitze Tür an Tür neben der Geschäftsleitung, mit der ich mich intensiv austausche.
Welches Team unterstützt Sie bei Ihren Aufgaben?
Ich greife nicht nur auf die Ressourcen von KNV zurück, sondern werde auch von unserem über 10 Personen starken anchor-Team unterstützt. Wir sind Teamarbeit gewohnt und lösen Herausforderungen auch gemeinsam im Team. Wir sind es gewohnt, mit einem interdisziplinären Team von juristischen und betriebswirtschaftlichen Experten zusammenzuarbeiten und Lösungen für komplexe Fragestellungen zu erarbeiten. Der Teamgedanke spielt bei anchor eine wichtige Rolle.
Welche Rolle spielt die Geschäftsführung von KNV?
Die Geschäftsführung führt in enger Abstimmung mit mir die Geschäfte der Unternehmen vollumfänglich und uneingeschränkt weiter.
Und welche Rolle spielen die Mitarbeiter von KNV?
Auch für die Mitarbeiter geht es trotz des Insolvenzantrages weiter wie zuvor. Die Mitarbeiter kümmern sich wie bisher auch um das operative Geschäft, damit Buchbestellungen mit der gewohnten Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit beim jeweiligen Buchhändler ankommen. Alle Mitarbeiter sind hoch motiviert, rücken noch enger zusammen, ziehen an einem Strang und versuchen ihren Teil dazu beizusteuern, um KNV zu erhalten und fortzuführen. Das ist ein sehr erfreuliches Signal.
Was können die Verlage jetzt tun, um Sie bei Ihren Aufgaben zu unterstützen? Viele Verlage sind verunsichert, weil sie auf Außenständen sitzen und sind zögerlich mit der Weiterbelieferung …
Die Geschäftsleitung und ich werben um das Vertrauen der Verlage, die KNV über Jahrzehnte die Treue gehalten haben. Ohne die Unterstützung der Verlage wird es keine Zukunft für KNV geben. Und das Vertrauen ist da, denn wir haben bereits viele positive Rückmeldungen erhalten und das bestärkt uns in der Hoffnung, dass es eine Zukunftslösung geben wird. Aber wir appellieren auch an die Verlage, in dieser Situation die bisherigen Konditionen beizubehalten und für uns nicht zu verschlechtern.
Wie garantieren Sie den Verlagen, dass diese für zukünftige Lieferungen bezahlt werden? Können Sie Masseverbindlichkeiten begründen?
Unmittelbar nach dem Insolvenzantrag habe ich als vorläufiger Insolvenzverwalter alle Verlage angeschrieben und sie über die Insolvenz der KNV-Unternehmen informiert. Von Seiten der KNV wird der Geschäftsbetrieb der Unternehmen uneingeschränkt und vollumfänglich fortgeführt. Um die KNV-Unternehmen zu stabilisieren ist die weitere Belieferung von Bücherware durch die Verlage unverzichtbar. Hier setzen wir auf die Verbundenheit zu KNV und das Vertrauen, welches KNV bei den Verlagen genießt.
Ich habe die Verlage bereits am Tag der Antragstellung schriftlich informiert, dass ich sicherstellen will, dass alle Bücher, die ab dem Insolvenzantrag von KNV gekauft werden, auch von KNV bezahlt werden. Das gilt für alle Fälle, bei denen ich der Bestellung zuvor zugestimmt habe.
Was können die Buchhändler tun, um Sie zu unterstützen?
Wir bitten die Buchhändler uns die Treue zu halten und unsere Dienstleistungen sowie unseren verlässlichen und pünktlichen Service weiter zu nutzen. Buchhändler können bei KNV alles bestellen, was wir vorrätig haben. Und sofern wir bestimmte Bücher nicht vorrätig haben sollten, sollte der Buchhändler natürlich im Interesse seines Kunden bei anderen Anbietern bestellen.
Der Geschäftsbetrieb läuft weiter. Gibt es irgendwelche Einschränkungen / Verzögerungen - beispielsweise bezüglich Anlieferung oder Auslieferung der Ware?
Jede Insolvenz bedeutet für die Branche einen Schock und ist für viele Beteiligte eine völlig ungewohnte Situation, auf die man sich erst einstellen muss. Wir führen den Geschäftsbetrieb uneingeschränkt fort, aber es trifft auch zu, dass es am Anfang zu kurzfristigen insolvenzbedingten Verzögerungen gekommen ist. Das ist aber normal, wenn aus insolvenzbedingten Gründen Arbeitsprozesse umgestellt werden. In der Regel normalisieren sich spätestens nach zwei Wochen die Arbeitsabläufe wieder.
Können Sie bitte erläutern, was es mit der Umstellung der Konten auf sich hat – warum jetzt nur noch auf Ihre Konten überwiesen werden darf?
Wichtig für den Sanierungserfolg, den Erhalt und die Fortführung von KNV ist auch die Aufrechterhaltung der für die Betriebsfortführung notwendigen Liquidität. Ab dem Insolvenzantrag sollen Zahlungen von Kunden/Buchhandlungen nicht mehr an die bisherigen Geschäftskonten von KNV, sondern auf die Treuhandkonten des vorläufigen Insolvenzverwalters überwiesen werden.
Wie lange wird es schätzungsweise dauern, bis das Insolvenzverfahren eröffnet wird?
Das Insolvenzverfahren wird vom Amtsgericht Stuttgart nach Beendigung des Insolvenzgeldzeitraums eröffnet werden. Dies wird voraussichtlich Ende April / Anfang Mai der Fall sein.
Was passiert mit den Gehältern der Mitarbeiter nach Ende April?
Nach dem Auslaufen des Insolvenzgeldes werden die Löhne und Gehälter von den jeweiligen KNV-Gesellschaften wieder selbst bezahlt.
Haben Sie schon Kontakt zu den Investoren aufgenommen, die vor der Insolvenz schon im Gespräch mit KNV waren?
Ich habe bereits erste Kontakte zu Investoren, aber ich möchte hierzu nicht näher eingehen, denn wir stehen noch ganz am Anfang des Verfahrens. Zudem kann ich aufgrund der Vertraulichkeit keine näheren Angaben machen, aber klar ist, dass wir in Kürze mit der Investorensuche beginnen werden.
Haben Sie möglicherweise noch zusätzliche Investoren im Hinterkopf, die Sie ansprechen können?
Die Investorensuche sowie die Gespräche und Verhandlungen mit potentiellen Investoren werden einen großen Teil der Arbeit einnehmen. Hier befinden wir uns noch ganz am Anfang, da der Insolvenzantrag erst gerade vor wenigen Tage bei Gericht eingereicht worden ist.
Zur Person
Tobias Wahl ist Partner der Kanzlei anchor Rechtsanwälte, die auf Insolvenzverwaltung und insolvenzrechtliche Beratung spezialisiert ist. Als vorläufiger Insolvenzverwalter hat er zuletzt den Küchenbauer ALNO AG begleitet, 2017 war er an der Insolvenzverwaltung und Sanierung der Lutz-Gruppe, eines Wurst- und Geflügelproduzenten, beiteiligt. Erfahrung in der Branche hat er 2009 während der Insolvenz der Papierfabrik Scheufelen gesammelt, die von einem irischen Investor gekauft wurde.
Die bundesweit tätige Kanzlei anchor Rechtsanwälte und die Unternehmensberatung anchor Management sind mit insgesamt 15 Partnern und 120 Mitarbeitern an 11 Standorten in Augsburg, Braunschweig, Düsseldorf, Hannover, Hildesheim, Köln, Mannheim, München, Weilheim, Stuttgart und Ulm vertreten.
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...fehlt hier nicht auch die Frage, was jetzt FÜR die Verlage getan werden kann? Gerade die kleinen, jungen Verlage mit 90 Tagen Zahlungsziel sind unfassbar stark betroffen von der Insolvenz, es gibt hier unglaublich hohe Ausstände. Die Verlage fallen um ihr gesamtes Weihnachtsgeschäft um, für manche, die nicht nur den Buchhandel sondern auch Amazon über KNV beliefert haben, ist dies ein großer Teil des Jahresumsatz. Ganz zu schweigen von den Kosten für die Herstellung der Bücher und sonstigen Kosten (Transport, Werbung...). Was passiert mit den Beständen, die noch bei KNV liegen und noch nicht bezahlt wurden, kommen die Verlage wenigstens hier zu ihrem Geld? Wird bei der Quote für die Insolvenzmasse auch an die Verlage gedacht, oder werden wieder nur die Banken bedient und dann bleibt eine lächerliche Quote übrig für Bücher, die geschrieben, illustriert, gedruckt wurden und jetzt einfach als Masse zum Stopfen der KNV Löcher genutzt werden. Ohne der Unterstützung wird es viele der kleinen und mittleren Verlage bald in dieser Form nicht mehr geben. Entlassungen werden passieren und Einzelunternehmen schließen. Denn es muss auch klar sein, dass kleine Verlage jetzt nicht wieder 90 Tage auf vermeintliches Geld warten können, gerade wenn ihnen diese Kosten, diese Umsatzeinbußen zugemutet werden. Alternativen zu der wegen der Marktposition scheinbar alternativlosen Nichtbelieferung gibt es ja scheinbar schon wieder nicht. Wie damals, als es für die kleinen Verlage auch keine Alternative gab, die Zahlungskonditionen zu schlucken, wenn man nicht auf den Marktführer und viele Buchhandlungen verzichten mochte.
Ausnützen der Marktposition bei Verhandlungen mit Lieferanten, Verhindern von Betriebsräten, die Arbeit immer häufiger mit Subunternehmern zu fraglichen Bedingungen durchführen, nein, ich spreche hier nicht von Amazon. Und dennoch auf Kosten der Verlage, Autoren, Illustratoren, und der Belegschaft und in weiterer Folge der Buchhandlungen sanieren, das kann es doch auch nicht sein.
Ich möchte gerne mit KNV weiterarbeiten, ich habe nur gute Erfahrungen mit Mitarbeitern von KNV gemacht, aber lassen sie uns hier auf die Verhältnismäßigkeit achten und nicht aus dem Auge verlieren, dass es hier nicht nur um die Rettung von KNV um jeden Preis gehen darf, sondern auch andere der Hilfe bedürfen. Und zwar dringend!
Gerade die kleinen, jungen Verlage mit 90 Tagen Zahlungsziel sind unfassbar stark betroffen von der Insolvenz, es gibt hier unglaublich hohe Ausstände. Die Verlage fallen um ihr gesamtes Weihnachtsgeschäft um, für manche, die nicht nur den Buchhandel sondern auch Amazon über KNV beliefert haben, ist dies ein großer Teil des Jahresumsatz.
UND AUCH DIES:
Was passiert mit den Beständen, die noch bei KNV liegen und noch nicht bezahlt wurden, kommen die Verlage wenigstens hier zu ihrem Geld?
AUTORENHONORARE MÜSSEN BEZAHLT WERDEN. ES IST EH SCHON SCHWER AUSZUHALTEN BIS DIE 90 TAGE HERUM SIND UND DAS GELD AUF DEM KONTO IST. DA STEHT AUCH DER RUF AUF DEM SPIEL, AUCH ZEITNAHE KÜNFTIGE INVESTITIONEN. OHNE KAPITAL KANN NICHTS NEUES GEDRUCKT WERDEN.
ICH MÖCHTE ZU KNV HALTEN - KLEINE BESTELLUNGEN, WIE SIE UM DIESE ZEIT DES JAHRES ERFOLGEN SIND VIELLEICHT UNPROBLEMATISCH. ABER DER "BATZEN" DER MONATE NOVEMBER BIS FEBRUAR FEHLT. DAS VERUNSICHERT.
Der Gegenstand des Unternehmens wird erweitert auf die Belieferung von Endkunden im Auftrag der buchhändlerischen Gesellschafter. Das Unternehmen wird, zusammen mit einem Investor, ausgebaut zum "Logistikzentrum Buch". das zur Bestellung von Büchern jedem zugäglich ist.
Gemeinsam Amazon fest im Auge.
Was, wenn der Investor Amazon ist oder Thalia? Und ich meine das wirklich wertfrei gegenüber diesen Firmen. Ein Großkonzern, mit fraglichen sozialen Standards oder ein gut geführtes Unternehmen?
Nichts für Ungut, aber ich habe mehr Fragen und brauche gehaltvollere Antworten als diese, entschuldigen sie, juristischen Floskeln, die ich zeitnah beantwortet haben möchte (auch vom Börsenverein).
Wie wird den Verlagen geholfen?
Bleiben die Konditionen für die Buchhandlungen erhalten, oder werden sie nach dem Einstieg des Investors noch schlechter?
Geht dieses neue Unternehmen in Richtung - Unterstützung der Vielfalt von Buchhandel und Verlagslandschaft, oder wird die Marktmacht für eine weitere Monopolisierung benutzt?
Wie geht es für die Mitarbeiter unter dem neuen Investor weiter?
Dies ist ein Scheidepunkt für diese Branche, die sich, meiner Meinung nach zu Recht als außergewöhnliche Branche sieht. Aber dafür müssen wir jetzt was tun. Und dafür brauchen wir Informationen.
Dann könnte die Branche ihre "Besonderheit" tatsächlich einmal zeigen
@ Kleinverleger: Warum nicht z.B. Thalia (Herder / Kreke) als Partner und Investor? Investoren sind doch nicht grundsätzlich Haie ( und wir kleine Fische).
und @ Ein Buchhändler: Klar kann man auch eine genossenschaftliche Form prüfen.
und @ NochnKleiner: Noch ist es keine Pleite - die zu vermeiden ist das Ziel des Insovenzverfahrens.
Natürlich kann man ohne Zahlen nicht konkret werden, aber die Insolvenzverwaltung sollte, wenn sie es nicht eh schon tut, auch in dieser Richtung denken.
Was ist dies eigentlich für eine schwammige Aussage? Auf allen Bestellungen, die seit Montag kamen, ist weit und breit kein Vermerk zu sehen, dass er der Bestellung zugestimmt hat. Eine konkrete Information, dass ab jetzt alle Bestellungen abgesegnet sind hat es auch nicht gegeben. Im gegenteil, heißt es doch im Schreiben von Herrn Wahl "Zum künftigen Bestellprozedere erhalten Sie kurzfristig eine gesonderte Mitteilung." Diese Mitteilung gab es noch nicht, aber neue Bestellungen kommen, zu denen man auf Nachfrage keine Antwort erhält.