Offenbar will die Akademie, deren Mitglieder über den Literaturnobelpreis entscheiden, ihren Ruf nicht durch lange Gerichtsverhandlungen weiter ramponieren lassen. Anders scheint es kaum erklärbar, dass Frostenson künftig monatlich 1.250 Euro sowie eine weitere finanzielle Unterstützung erhält, damit sie weiter in der Wohnung leben kann, die sie von der Akademie gemietet hat. Die Akademie und Frostenson seien "gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass eine gerichtliche Überprüfung der Haftungsfragen wenig sinnvoll" sei, heißt in einer am Freitagnachmittag veröffentlichten Erklärung der Akademie. Frostenson sei 25 Jahre für die Akademie tätig gewesen und "sollte daher eine angemessene Pension bekommen". Der Deal lautet also: Freiwilliger Rücktritt gegen Rente.
Korruptionsvorwürfe gegen das Akademiemitglied Frostenson und ihren Mann Jean-Claude Arnault und der Verdacht des Geheimnisverrats waren im Frühjahr 2018 der Auslöser für die Krise der Schwedischen Akademie, der zum Rückzug mehrerer Mitglieder und dem Aussetzen der Literaturnobelpreisverleihung 2018 führte. Ende 2018 wurde Arnault in zwei Vergewaltigungsfällen verurteilt, die Ermittlungen zu Verstößen bei dem Frostenson und Arnault gehörenden Kulturklub Forum laufen noch. Am Mittwoch werde es weitere Informationen geben, gab Jan Tibbling bekannt, Oberstaatsanwalt der schwedischen Wirtschaftskriminalitätsbehörde.
Die schwedische Akademie argumentiert, dass Frostenson für Verstöße gegen die Vertraulichkeit verantwortlich sei, was diese bestreitet. Es gebe keine Beweise, dass Frostenson Namen von künftigen Nobelpreisträgern verraten habe, die Vorwürfe seien entweder "reine Lüge, Missverständnisse oder böswillige Interpretationen", ließ ihr Anwalt Per E. Samuelson verlauten. Und drehte den Spieß um: Die Akademie habe schließlich Verpflichtungen gegen Frostenson und habe gegen diese Verpflichtungen verstoßen. Die schwedische Akademie bestreitet dies.
Anfang Januar schickte Samuelson der Akademie einen Schlichtungsvorschlag, der in den Schwedischen Medien zirkulierte und den Anders Olsson, der ständige Sekretär der Akademie, zunächst nicht kommentieren wollte. Samuelson erklärte, Frostenson halte sich für ungerechtfertigt behandelt, würde jedoch freiwillig zurücktreten, wenn sie weiterhin als Dichterin arbeiten könne, sprich: ein monatliches Salär bekäme. Generell erhalten die Akademiemitglieder für ihre Tätigkeit kein Gehalt, können aber für bestimmte Aufgaben sogenannte Entschädigungen sowie Reisekosten erhalten. Auch gibt es Vergünstigungen wie günstige Wohnungen und Mietzuschüsse – die Akademie hat in den vergangenen 20 Jahren mehrere große Apartments in Stockholm und Paris erworben, die an Mitglieder vermietet werden. Zudem gibt es unbegrenzte und kostenlose Autofahrten, Eintrittskarten für Kino, Theater und Oper, Büchergeld, Kleidungsgeld usw., berichtete jüngst Professorin Ebba Witt-Brattström, die 33 Jahre mit Akademiemitglied Horace Engdahl zusammenlebte. In "Aftonbladet" erzählte sie, dass sie für eine 134 Quadratmeter große, der Akademie gehörende Wohnung in der Stockholmer Altstadt nur 1.267 Euro zahlten und dazu noch einen Mietzuschuss von 195 Euro erhielten. Ein Akademiemitglied, das wie Engdahl die Position des Ständigen Sekretärs bekleidet hat, werde mit einer Jahresrente von 9.700 Euro pro Dienstjahr bedacht, d.h. Engdahl erhalte für seine zehn Jahre als ständiger Sekretär jährlich 97.000 Euro "bis zu seinem Tod". Mit Hinblick auf die bislang geübte Ausgaben-Praxis der Schwedischen Akademie, die eine Stiftung ist, sind die künftigen Zahlungen an Katarina Frostenson also nur "peanuts", die Bewegung in die verhärteten Fronten der Akademiemitglieder bringen sollen.