Es ist was los in Vertriebsabteilungen deutscher Buchverlage. Fast täglich liest man, oftmals überrascht, von Personalwechseln vor allem auf den Leitungsebenen. Angesichts der jüngsten Personalmeldungen ist man geneigt zu glauben, dass die Erwartungshaltungen an den Vertrieb nicht mehr erfüllt werden können. Sinkenden Umsätzen begegnet man häufig nicht mit Analysen der Gesamtprozesse und der Programmstruktur, sondern mit einem Austausch hochkompetenten Vertriebspersonals, das vermeintlich schuld an der Misere ist. Die Buchverkäufer haben keine Lobby. Das muss sich ändern.
Die Anforderungen an den Vertrieb sind neben den hohen Verkaufserwartungen komplexer denn je. Durch schrumpfende Buchhandelsflächen und ein verändertes Einkaufsverhalten der Leser liegt die große Herausforderung für den Vertrieb heute darin, die Publikationen überall dort zu platzieren, wo es Bücher zu kaufen gibt.
Auf der anderen Seite besteht eine durchschnittliche Vertriebsabteilung oft aus wenigen Vollzeitkräften, die mit Unterstützung eines Volontärs die unterschiedlichsten und immer neuen Aufgaben bewältigen müssen. Zu diesen Aufgaben zählen neben dem Tagesgeschäft und aktivem Buchverkauf auch vielschichtige administrative Tätigkeiten, die Außenstehende häufig nicht wahrnehmen und die eine ausgewiesene Anwenderpraxis der gängigen Verlagsdatenbanken sowie die Beherrschung der Tabellenkalkulation erforderlich machen.
Wo früher der persönliche Kontakt zum Buchhändler die Vertriebsarbeit prägte und den Verkaufserfolg brachte, nimmt heute das Datenbankmanagement einen großen Teil der Arbeitszeit in Anspruch. Titeldaten müssen in diverse Systeme eingepflegt und auch die individuellen Vorgaben der Großkunden hinsichtlich ihrer Einkaufsabläufe erfüllt werden. Daneben gilt es, optimale Metadaten bereitzustellen, um die Auffindbarkeit der Titel zu garantieren. Wer sich einmal im Detail mit dem Systempflege-Aufwand eines großen Onlinehändlers beschäftigt hat, weiß, wovon die Rede ist. Sachkenntnis und Erfahrung ist auch für die Lagerbewirtschaftung in allen drei Ländern, das Betreiben des Webshops, Provisionsabrechnungen, Umsatz- und Etatplanung, Vertreterbetreuung, Messeorganisation, komplexe Analysen und Auswertungen, Auslieferungswechsel, Nachdrucksteuerung etc. erforderlich. All diese Zahnräder müssen neben dem aktiven Buchverkauf wie bei einem Uhrwerk ineinandergreifen. Ich bin der Meinung, dass es für dieses Portfolio erfahrene und qualifizierte Mitarbeiter braucht, deren Arbeit entsprechend honoriert und auch wertgeschätzt werden muss. Angesichts der aktuellen Personalentscheidungen hat man jedoch den Eindruck, es herrsche die Ansicht, "Vertrieb kann doch jeder".
Dem gegenüber stehen ein unveränderter Titelausstoß und häufig eine Programmplanung, die nicht auf sich ändernde Marktgegebenheiten reagiert. Es wird so getan, als ob schrumpfende Flächen und eine sinkende Nachfrage nach dem Produkt Buch nur "die anderen" Verlage beträfen. Doch auch ausgetauschtes Vertriebspersonal kann keine Titel verkaufen, die den Markt nicht erreichen oder an ihm vorbeigeplant sind.
Die entscheidende Voraussetzung für Erfolg am Markt ist neben dem Gespür und der Sach- und Zielgruppenkenntnis der Programmmacher sowie dem Einbezug des sich verändernden Kaufverhaltens sowohl beim Leser als auch beim Handel, dass alle Prozesse auf die Vermarktung des Programms hin ausgerichtet sind und dass alle Abteilungen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Dies heißt vor allem, die Einschätzung des Vertriebs als gleichwertig anzuerkennen. Es sind nicht nur einzelne Mitarbeiter im Außendienst oder die Markteinschätzung der Verlagsleitungen, es sind die Mitarbeiter des Vertriebs, die mit ihrem Know-how dazu beitragen, jedes Programm zu einem Erfolg zu machen.
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