Die Bundesregierung arbeitet aktuell an einem Gesetz, das die Flut missbräuchlicher Abmahnungen eindämmen soll. Können Buchhändler den Brief vom IDO-Verband also beruhigt zur Seite legen?
Sprang: Nein. Prinzipiell steht der massenabmahnende IDO-Verband zwar in einem durchaus zwielichtigen Zusammenhang und ist auch bereits mehrfach Gegenstand kritischer Medienberichterstattung geworden, etwa bei Frontal 21 (hier geht's zum Beitrag). Gleichwohl haben die meisten Landgerichte bislang die Abmahnbefugnis von IDO bestätigt. Auch die gegen IDO-Verantwortliche laufenden Betrugsermittlungen einiger Staatsanwaltschaften haben – zumindest bislang – nicht zu einer einschlägigen Verurteilung geführt. IDO ist dafür bekannt, in der Regel mit inhaltlich berechtigten Punkten abzumahnen, vor allem aber dafür, sofort und völlig unnachsichtig vor Gericht zu ziehen, wenn ein abgemahntes Unternehmen die vorgelegte Unterwerfungserklärung nicht fristgerecht unterschrieben zurücksendet.
Was rät der Börsenverein betroffenen Buchhändlern, die sich an die Rechtsabteilung wenden? Einfach unterschreiben?
Sprang: In der Rechtsabteilung prüfen wir zunächst einmal die Berechtigung der ausgesprochenen Abmahnung. In den vergangenen beiden Wochen sind im Schnitt sechs bis sieben konkrete Fälle auf unserem Tisch gelandet, die ersten Anfragen von Mitgliedern stammen aus dem Frühjahr. Ist die Abmahnung unserer Einschätzung nach inhaltlich berechtigt, stellen wir dem Mitglied die Handlungsalternativen dar – und da gibt es leider in beide Richtungen Risiken.
- Das Unternehmen kann die Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht abgeben, sich verklagen lassen und darauf setzen, bei Gericht mit dem Argument Gehör zu finden, dass IDO die Abmahnbefugnis fehlt. Risiko hierbei: Das Gericht bestätigt die Abmahnung (was zum Beispiel das Landgericht Berlin neuerdings wieder tut), dann muss das abgemahnte Mitglied sämtliche Prozess- und Anwaltskosten tragen und wird als Ergebnis des Verfahrens zur Unterlassung verurteilt.
- Die Firma kann auch gleich die Unterwerfungserklärung abgeben und die von IDO geltend gemachte Abmahngebühr von 232 Euro bezahlen. Risiko dabei: Solange sich an der Rechtslage nichts ändert, ist der IDO-Verband aufgrund der Unterwerfungserklärung berechtigt, Vertragsstrafen gegen dieses Mitglied festzusetzen, wenn sich auf seiner Website künftig wieder (neue beziehungsweise weitere) Rechtsverstöße finden lassen.
Klingt wie die Wahl zwischen Pest und Cholera…
Sprang: Ja, aber ist die Abmahnung von IDO erst einmal ins Haus geflattert, kann es in vielen Fällen dennoch sinnvoll sein, sich dieser zu unterwerfen. Man sollte es nur nicht ohne entsprechende Rechtsberatung tun.
Wie lassen sich weitere Fehler und damit neue Abmahnungen verhindern?
Sprang: Die meisten Mitglieder, die uns anrufen, haben die Hoffnung beziehungsweise die Erwartung, dass wir ihren Webshop aktiv darauf kontrollieren, ob dieser nach Behebung der abgemahnten Sachverhalte noch (weitere) rechtliche Fehler aufweist. Diese Hoffnung müssen wir leider regelmäßig enttäuschen.
Einerseits wäre eine solche Prüfung zeitlich sehr aufwändig und personell von uns gar nicht zu leisten, andererseits könnten die Mitglieder uns – anders als freie Anwälte – nicht in Haftung nehmen, wenn sich die von uns erteilten Auskünfte als falsch erweisen. Deswegen weisen wir unsere Mitglieder auf die Möglichkeit der (kostenpflichtigen) Beratung durch freie Anwaltsbüros hin - oder auf die (ebenfalls kostenpflichtige) Mitgliedschaft in seriösen Schutzvereinigungen wie dem Händlerbund.
Beispiel Händlerbund – was kann er für die Firmen tun?
Sprang: Er kontrolliert die Webshops seiner Mitglieder, kümmert sich um Abmahnungen – und vor allem: Er haftet auch für Fehler. Die jährlichen Kosten liegen bei 96 Euro netto. Dafür hat man Ruhe.
Wo gibt es Hilfe zur Selbsthilfe für Buchhändler, die dieses Geld nicht investieren wollen?
Sprang: Letztlich ist das, was der IDO-Verband betreibt, ein schmutziges Geschäft, das sich nach Ansicht der meisten Gerichte aber noch im legalen Bereich bewegt. Für unsere Mitglieder bestätigt sich damit die Richtigkeit der Weisheit "Vorbeugen ist besser als heilen". Alle bislang von IDO abgemahnten Punkte lassen sich vermeiden – wenn die entsprechenden Handreichungen beachtet werden, welche die Rechtsabteilung des Börsenvereins online zur Verfügung stellt. Dazu gehören
- Das Merkblatt "Buchhandel im Netz"
- Mustertexte für AGBs und
- Mustertexte für Widerrufserklärungen in Webshops
Alle Dokumente sind auf dem aktuellen Stand und für Börsenvereinsmitglieder kostenlos abrufbar unter www.boersenverein.de (Rubrik Service & Download, Recht, Internet-Buchhandel).
Aber doch nur für Fehler in den teuer bezahlten Rechtstexten!
Nach einer Tiefenprüfung - die auch nur stichprobenartig erfolgt - kann immer noch eine Vertragsstrafe passieren... und da haftet niemand anders als der Händler selbst , wenn der Fehler in den Artikelbeschreibungen zu finden ist !
Und auch nur dann, wenn sich die "Rechtstexte" z.B. nicht einfach verselbstständigen.
Wie oft ist es schon auf Plattformen wie Ebay passiert, dass die alte Version der Widerrufsbelehrung auf einmal wieder anhängig war oder der Link zur OS-Plattform plötzlich bei EINEM einzelnen Produkt nicht mehr klickbar war....
Das liegt doch nicht an der Doofheit oder der Überforderung der Händler ?
Die meisten Händler werden hier akribisch vorgehen und ALLES 100% korrigieren.... sie wissen doch was Ihnen droht.
Wer eine Abmahnung erhält, informiert sich spätestens dann über den IDO !
Immer wieder führen Systemfehler dazu, dass Händler teure Vertragsstrafen zahlen müssen, für Fehler die sich nicht selbst verschulden.... aber wie beweisen?
Wie beweisen, dass sie ihren werktäglichen Überprüfungspflichten nachgekommen sind - falls sie denn überhaupt wissen, WAS sie werktäglich prüfen müssten ! Denn den meisten dürfte gar nicht bewusst sein, dass es zu Abspeicherungsfehlern kommt bzw. dazu dass "alte Texte" wieder auftauchen.
In zig Fällen kommt es zu Vertragsstrafen, weil die IT versagt !
Was bleibt: Die Plattform in Regress zu nehmen ...aber ist das schon mal erfolgreich gelungen?
Fehler, die sich in den Artikelbeschreibungen befinden... und teilweise kaum zu verhindern sind, weil durch Serverüberlastung Änderungen schlichtweg nicht abgespeicherte Korrekturen ebenfalls zu erneuten Fehlern in einzelnen Produkten führen können !
Nach einer Abmahnung kann man nur empfehlen, ALLE Produkte die JEMALS nicht korrekt waren, komplett neu einzustellen ODER noch besser: Niemals einen Unterlassungsvertrag zu unterzeichnen !
Alles andere wird einen wohl kaum 100% schützen.... denn IT-Fehler lassen sich kaum restlos kontrollieren !