Dorothee Seeliger über die Chancen digitaler Partnerschaften

Konsequent zweitverwerten

31. Oktober 2018
von Börsenblatt
Wenn das Printgeschäft schwächelt, können digitale Partnerschaften die Vermarktung stärken: Dorothee Seeliger über ZS-Kooperationen mit Stockfood und ECook – und viele neue Projekte beim "Gault & Millau".

Es war auch in diesem Jahr das allesbeherrschende Thema in den Gesprächen auf der Buchmesse – wie gehen wir mit den Herausforderungen um, vor die uns die rückläufige Umsatzentwicklung im Kochbuchsegment stellt? Denn machen wir uns nichts vor: Die Situation wird sich in Zukunft nicht entspannen, im Gegenteil. Der Markt wurde in den letzten Jahren mit Kochbüchern geradezu überschwemmt, kaum ein Segment verzeichnete ähnliche Wachstumsraten. Auch kleinere Verlage sprangen auf den verheißungsvollen Kochbuch-Zug auf, man übertraf sich gegenseitig im Wettbieten und Schachern um internationale Lizenzen und es wurden – Media-Control macht’s möglich - in Rekordzeit nahezu austauschbare Titel zu jedem vermeintlichen Trend auf den Markt gebracht. Das Ergebnis ist bekannt.

Die Buchkäufer-Studie des Börsenvereins hat uns eindrucksvoll vor Augen geführt, welche Zielgruppen uns und dem Markt verloren gingen und gehen, und das in beängstigender Geschwindigkeit. Der Verzicht auf Vorschauen zugunsten von VLB-Tix wird es zukünftig nicht einfacher machen. An eine Erholung des Marktes können nur noch unerschütterliche Optimisten glauben. Wie aber sehen in diesem Umfeld die Erfolgsrezepte der Zukunft aus? Es mag banal klingen, doch ein Blick in VLB Tix macht es überdeutlich: Die alten Werte sind auch die neuen. Mehr denn je zählt ein klarer, eindeutiger USP. Ein starker Marken- oder Autorenabsender. Und, nicht zuletzt, die inhaltliche und optische Qualität und Ausstattung der Bücher. Hier zu sparen ist langfristig der falsche Ansatz.

Sicher, die Investition in hochwertige Inhalte und Food-Fotografie fällt angesichts sinkender Einverkaufsmengen der großen Buchhandelsketten und deutlich kleinerer Erstauflagen aus wirtschaftlicher Sicht nicht leicht. Hier heißt das Mittel der Wahl: konsequente Zweitverwertung der entwickelten Substanz. So haben wir uns bei ZS gezielt für eine strategische Partnerschaft mit Stockfood, dem Marktführer für Foodfotografie, entschieden. Eineinhalb Jahre nach Beginn dieser engen Kooperation hat Stockfood fast 7.000 ZS Fotos in der Datenbank und vermarktet sie nicht nur national, sondern auch in seinem internationalen Netzwerk. Die größten Erfolge verzeichnen dabei Fotos zu aktuellen Themen im Foodmarkt – sie werden vor allem an Zeitschriften lizensiert. Hier haben sich Umsatzzahlen in den letzten Monaten mehr als verdoppelt. Eine Entwicklung, die zur Verlängerung der Wertschöpfung beiträgt – und es möglich macht, dass wir für unsere ZS- und Oetker-Kochbücher auch weiterhin mit namhaften Fotografen und Foodstylisten zusammenarbeiten können. Dass nahezu jedes Kochbuch parallel auch als E-Book erscheint, ist bei ZS inzwischen selbstverständlich.

Parallel dazu entwickeln und testen wir für die Zweit- und Drittverwertung von Inhalten weitere zukunftsträchtige Geschäftsmodelle. So kam im Sommer unsere Kooperation mit der Kochbuch-App ECook in die App-Stores. Die Idee: User können aus einer Vielzahl an Kochbüchern verschiedener Verlage Rezepte herunterladen und nachkochen. Ein Modell, das Appetit auf mehr machen soll, denn wer ein oder zwei Gerichte ausprobiert und für gut befunden hat, der könnte durch die digitale Form neugierig aufs Buch werden, das er bei ECook über einen einfachen Klick und die Verlängerung in verschiedene Stores unkompliziert erwerben kann. Ein Geschäftsmodell relativ nah am Buch. Ob und wann es sich wirtschaftlich trägt, ist zunächst einmal sekundär.

ZS glaubt an starke Absender. Deshalb haben wir uns ein völlig neues Geschäftsfeld erschlossen: die Aktivitäten rund um die französische Genussmarke Gault&Millau, für die wir seit 2016 die deutsche Lizenz halten. Die neuen Ausgaben 2019 der beiden renommierten Führer – der Gault&Millau Restaurantguide und Weinguide – erscheinen am 13. November bereits zum zweiten Mal unter unserem Verlagsdach, zunächst als Printversion und E-Book. Für den Restaurantführer besuchte die über 30-köpfige Testermannschaft dieses Jahr mehr als 1.000 Restaurants zwischen Sylt und Garmisch, um sie neu zu beschreiben und zu bewerten. Für den Weinguide wurden weit über 12.000 Flaschen verkostet und bewertet, 1.065 deutsche Weingüter und über 11.500 Weine schafften es ins Buch. Die Investitionen des Verlags in die Inhalte beider Guides sind in Summe hoch sechsstellig – und das müssen sie auch sein.

Gastronomische Jahreswerke in Printform auf den Markt zu bringen, ist eigentlich wirtschaftlicher Harakiri - der Verkaufszeitraum beträgt knapp zehn Monate und die Verkäufe der Printversionen können die Kosten der sehr aufwendigen Recherche und Redaktion nur zu einem Bruchteil decken. Kostendeckend werden die Bücher durch das starke Markenimage, das Gault&Millau bei Endverbrauchern ebenso wie bei Anzeigenkunden, Winzern und Gastronomen genießt. Es ermöglichte uns, den Umsatz mit Anzeigen- und Marketingaktivitäten deutlich zu steigern.

Zukunftsweisend wird das Geschäftsmodell durch die digitale Verlängerung der Inhalte, und das nicht nur in Form der Gault&Millau-App und -Website, die ab Anfang 2019 auf den Markt kommen. Das internationale Netzwerk von Gault&Millau besteht mittlerweile aus über 20 nationalen Partnern weltweit, die ihre Bewertungen zu Restaurants, Winzern und anderen Produzenten sowie weitere Food-Themen nach einem weltweit einheitlichen Schema in die internationale Gault&Millau-Datenbank einpflegen. Diese beeindruckende Informationsplattform ist nicht nur für Gourmets und Weinfreunde in aller Welt interessant, sondern auch für Gastronomen, Winzer und natürlich B-to-B-Partner, von namhaften Automobilherstellern bis zu Espresso-Anbietern. Für die Vermarktung der Daten werden im Netzwerk Best Practice-Modelle ausgetauscht und Inhalte zur Verfügung gestellt.

In enger Kooperation mit anderen Gault&Millau-Länderpartnern werden inhaltliche Specials zu Trend-Themen entwickelt und vermarktet. Aber auch kleinere Erlösmodelle sind lohnend: So bieten wir den Winzern in diesem Jahr erstmals für die internationale Vermarktung ihrer Weine eine englische Übersetzung der Beschreibungstexte und Bewertungen an. Im B-to-B und B-to-C-Bereich sind gastronomische Events mit Köchen und Winzern geplant, sie werden die Marke Gault&Millau live erlebbar machen und zusätzliche Einnahmen bringen, die wir wiederum in die Inhalte investieren können. Denn das ist unsere felsenfeste Überzeugung: Hochwertige Inhalte sind und bleiben das A und O. Wer hier den Leser – oder User – enttäuscht, wird dauerhaft am Markt nicht bestehen können.