Logbuch in Bremen-Walle

"Wir haben eine ganz freie Herangehensweise"

25. September 2018
von Christina Busse
Bremen-Walle gilt nicht gerade als Vorzeigestadtteil. Als Sabine Stiehler in dem ehemaligen Arbeiterquartier ihren Logbuchladen eröffnete, wusste sie aber genau, worauf sie sich einließ. Denn, so Stiehler, "hier ist Bewegung drin".    

"Lage, Lage Lage", das Mantra jedes Immobilienmaklers kann Sabine Stiehler aus eigener Erfahrung bestätigen – und die Tatsache, dass ein Ortswechsel ein Schritt nach vorn sein kann. 2012 hatte die gelernte Buchhändlerin und Schriftsetzerin, die in Mainz Buchwesen studiert hat, die Buchhandlung Logbuch in der Überseestadt eröffnet, einem neuen Quartier im alten Hafengebiet. Der neu entstehende Stadtteil hatte seinen Reiz, "aber es war zu viel vom Reißbrett, die Lebendigkeit fehlte", stellte Stiehler fest. Stattdessen zog sie 2017 mit Logbuch dorthin um, wo sie selbst schon seit 25 Jahren mit ihrer Familie lebt: nach Walle, einen ehemaligen Arbeiterstadtteil, der sich im Wandel befindet. "Walle haftet der Stempel 'sozial schwach' an, aber wir leben hier schon so lange, dass wir die Situation gut einschätzen können. Hier ist Bewegung drin", erklärt Stiehler.

2016 war ihr "Wunschladen" frei geworden, mit Unterstützung des Vereins Waller Geschäftsleute, konnte sie sich die 60 Quadratmeter großen Räume sichern und nahm eine "massive Renovierung" vor, bevor sie im Juli 2017 einziehen konnte. "Hier ist richtig-echtes Leben: Kinder, ältere Leute, klassische Laufkundschaft – die Kunden sind sehr bunt gemischt. Und der Stadtteil ist total erfreut, dass es endlich wieder eine Buchhandlung gibt", stellt Stiehler fest. Das letzte Sortiment, in einem Einkaufs-Center, habe 2012 geschlossen. "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich gleich im Stadtteil eröffnet", sagt die Bremerin, die schon lange die Idee zu einer Buchhandlung mit sich herumgetragen hatte.

Doch der zeitliche Abstand zur früheren Tätigkeit im Buchhandel täte auch gut, stellt sie fest: "Wir haben den Laden so gestaltet, wie er uns gefällt, haben eine ganz freie Herangehensweise." In der Optik wie auch im Sortiment zeigt sich das ästhetisch geschulte Auge der Inhaberin, die gerne Nonbooks wie Bastelbögen, Blechspielzeug und kleinere Geschenke von auf Messebesuchen entdeckten kleineren Design-Labels anbietet. Bei den Büchern finden sich neben Belletristik auch Titel zu den Themen Grafikdesign, Buchgestaltung, Typografie und Graphic Novel. Der hohe Anteil an Verkäufen aus dem Bestand bestätigt sie in ihrer Auswahl.

Zur Seite steht Stiehler – neben einer Kollegin in Teilzeit, die sie sich seit bald einem Jahr leisten kann – von Anfang an ihr Mann, der sich als Grafiker um Werbung, Pressearbeit und die Veranstaltungsplanung kümmert. Zwei Mal im Jahr erscheint eine mehrseitige Veranstaltungsübersicht, dazu im Herbst eine Broschüre mit über 70 persönlichen Buchempfehlungen. Ein Projekt, das Logbuch gemeinsam mit der befreundeten Buchhandlung Mahnke in Verden realisiert.

In Walle fühlt sich Sabine Stiehler nun auch beruflich gut angekommen. Und sie ist hoch motiviert, ihre Stadtteilbuchhandlung weiter bekannt zu machen: "Es kommt darauf an, dass die Anwohner den ortsansässigen Buchhandel nutzen, auch online. Man muss selbst forsch und offen damit umgehen und die Leute darauf stoßen", lautet ihr Credo. Überregional hat sie bereits mehrfach überzeugt: 2015 und 2016 ist Logbuch mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet worden.

Weitere Kurzporträts Bremer Buchhandlungen lesen Sie in unserer Standortanalyse Bremen in Börsenblatt 39 (2018).