#yeaward18: Die Nominierten (8)

Rasmus Schöll: Viel zu tun

17. Juli 2018
Christina Busse
Rasmus Schöll ist seit Sommer Inhaber der traditionsreichen Aegis Literatur Buchhandlung in Ulm – nebenbei führt er zwei Verlage. Trotzdem findet der 31-Jährige Zeit für seine vierköpfige Familie.

Ist eine Buchhandlung ein normaler Laden? Für Rasmus Schöll gibt es darauf nur eine Antwort: "Nein! Eine Buchhandlung muss heute mehr denn je ein Treffpunkt für Menschen aus verschiedenen Wissensgebieten sein. Ein Ort, an dem Denken, Begegnung und Gespräch stattfinden." Sein eigenes Experimentierfeld für diese These hat er im Juni eröffnet: die Aegis Literatur Buchhandlung in Ulm. Ein Ort mit Geschichte, der mit Schöll neue, ungewöhnliche oder verschüttete Wege gehen soll.

Das Rüstzeug dazu bringt der 31-Jährige aus seiner weit­gefächerten Praxis mit. Die ersten Schritte führten den gebürtigen Ulmer an die Waterkant. In der Rudolf Steiner Buchhandlung in Hamburg machte der ehemalige Waldorfschüler seine Ausbildung zum Buchhändler und genoss die Nähe zum Meer. Weil gerade sein Sohn auf die Welt gekommen war, zog es ihn zurück in die Heimatstadt. Nach der Elternzeit, in der er seiner Frau den Rücken für das Medizinstudium freihielt, arbeitete er in der Kulturbuchhandlung Jastram, war dort auch im Veranstaltungsbereich tätig. "Wir haben den Laden aufgemischt", freut er sich noch im Nachhinein.

Ideen nicht nur im Kopf zu bewegen, sondern sie auch in die Tat umzusetzen, ist eine seiner großen Stärken. "Ich wusste schon zu Schulzeiten, dass ich mich ­entweder für alte oder behinderte Menschen in die Bresche werfen oder mich in der Kultur, insbesondere in der Literatur, engagieren wollte", erzählt er. Kennengelernt hat er beides, schnupperte in soziale und ­kreative Projekte hinein, ging für ein Jahr nach Finnland, wo er sich auf Anhieb zu Hause fühlte und gemeinsam mit anderen eine Community ins Leben rief, die junge Menschen mit Künstlern aus aller Welt zusammenbringen sollte.

Schließlich siegte das Interesse an der ­Literatur. Neben seiner Tätigkeit bei Jastram stieg er im Jahr 2014 als Mitorganisator bei der Literaturwoche Donau ein. Initiator ist Kunstwissenschaftler Florian Arnold, den Schöll beim Blind Date mit ­Pizza kennenlernte. "Eine Begegnung der glücklichsten Art" sei dieses erste Zusammentreffen gewesen, betont Schöll. Seitdem ist das Duo äußerst kreativ im Literaturbetrieb ­unterwegs. Da ist zum einen die stark gewachsene Literaturwoche, die mit ihren Veranstaltungen (vor allem zu Büchern aus unabhängigen Verlagen) bis zu 300 Gäste anlockt. Zum anderen haben die beiden 2015 ihren eigenen Verlag gegründet: Topalian & Milani, den "Verlag für schöne Bücher", dessen Programm mittlerweile acht Titel umfasst, darunter Lutz Seilers "Die römische Saison". Die Aufgaben sind klar verteilt. Während Arnold für Herstellung und Layout ver­antwortlich zeichnet, ist Schöll für Lektorat und Buchhaltung zuständig.

Sein jüngstes Projekt ist nun die Buchhandlung Aegis. "Im vergangenen Jahr bin ich wegen eines Büchertischs zur Literaturwoche hereinmarschiert", berichtet Schöll. Als der damalige Inhaber, Ernst Joachim Bauer (70), ihm das Geschäft zum wiederholten Mal zur Übernahme anbot, schlug Schöll ein. "Mein Literatenherz hat sofort höhergeschlagen, denn die Buchhandlung hat eine irre Geschichte", stellt Schöll fest, "das darf nicht verloren gehen."

Die Buchhandlung, benannt nach dem Schild der Pallas Athene, dem Schutz für das Gute, hat ihren Ursprung im 1946 von Bauers Vater gegründeten Aegis Verlag, aus dem heraus sich 1950 die Buchhandlung und später ein Antiquariat ent­wickelten. "Bauer war gegen die Nazis und hat als einer der ersten in der amerikanischen Zone eine Verlagslizenz erhalten. Sie hängt heute im Laden", berichtet Schöll. Ein Azubi der ersten Stunde sollte später als Chef des Suhrkamp Verlags berühmt werden: Siegfried Unseld.
 
"Ich denke, ich muss als Buchhändler einen Grund liefern, für den es sich lohnt, in den Laden zu gehen. Denn um Literatur zu lesen, muss ich heute kein Buch mehr kaufen", weiß Schöll. Seine Chance sieht er darin, die Buchhandlung als Ort der Literaturvermittlung zu etablieren, an dem der Kunde die Möglichkeit hat, Illustratoren, Lektoren, Autoren und Verlegern zu begegnen. Zurzeit tüftelt er an einem innovativen Lieferkonzept, unter anderem in Kooperation mit Bars und Kneipen in Ulm. Hier will er eine Nachtabholung bestellter Büchern etablieren. Darüber hinaus wartet eine weitere Aufgabe auf ihn: den bis in die 90er Jahre hinein aktiven Aegis Verlag wiederzubeleben, den er zusammen mit der Buchhandlung übernommen hat. "Das Archiv ist unglaublich spannend: es enthält zum Beispiel viele Briefe von Unseld, Arbeiten von Otl Aicher sowie eine zweisprachige Buchreihe, wie sie später dtv hatte", erzählt Schöll, der im Anschluss an eine intensive Sichtung einen Relaunch plant. Ganz schön viel zu tun, oder? "Es geht mir sehr gut damit", meint Rasmus Schöll: "Das ist meine Natur, mein Leben."

Was sagen Sie zu ...

... Sehnsuchtsort?
"In Finnland habe ich ganz nah am Polarkreis gelebt. Das Ursprüngliche in der Natur, die Stille und der Sternenhimmel faszinieren mich."

... Lesen?
"Morgens um sieben Uhr starte ich mit einer halben Stunde Lektüre. In der Regel Klassiker, als Maßstab. Mittags und abends sind die Neuerscheinungen dran."

... Non-Books?
"Unsere Krimi-Kochbuch-Ecke haben wir mit Büchern aus beiden Bereichen, mit Johannisbeerlikör aus der Region und anderen trinkbaren Spezialitäten bestückt."

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Der Börsenblatt Young Excellence Award 2018 und die Teilnahmebedingungen

  • Zum fünften Mal vergibt das Börsenblatt in Kooperation mit dem Börsenverein, der Frankfurter Buchmesse, dem mediacampus frankfurt und der future!publish einen Preis für herausragende junge Macher und Macherinnen in der Buchbranche. Der Preis zeichnet exzellente Persönlichkeiten bis höchstens 39 Jahren aus, die in der Branche etwas bewegen – sei es als Mitarbeiter in einer Buchhandlung, im Verlag bei einem Dienstleistungsunternehmen oder als Selbstständige.
  • Gefragt sind Leute in Verlagen oder Buchhandlungen oder bei Dienstleistern, die mit eigenständigem Denken und Handeln Spuren hinterlassen, aber noch nicht auf der Top-Führungsebene arbeiten.
  • Selbstnominierungen und Vorschläge für Kandidaten sind gleichermaßen willkommen: Vorschläge  für den Young Excellence Award können jederzeit per E-Mail an boersenblatt@mvb-online.de eingereicht werden. Stichwort: #yeaward
  • Aus allen Vorschlägen wählt die Börsenblatt-Redaktion die Nominierten der Shortlist aus. Jeden Monat stellt das Börsenblatt in der ersten Magazin-Ausgabe und auf boersenblatt.net einen Kandidaten vor. 
  • In einer öffentlichen Wahl im September ist die gesamte Buchbranche dazu augerufen, auf boersenblatt.net den Preisträger oder die Preisträgerin zu bestimmen. Der Sieger wird zur Frankfurter Buchmesse bekannt gegeben.

Das gibt es zu gewinnen

  • Alle Kandidaten auf der Shortlist erhalten exklusive Tickets für den "Business Club" der Frankfurter Buchmesse.
  • Der Gewinner kann mit einem Bildungsgutschein in Höhe von 1.000 Euro Fort- und Weiterbildungen auf dem mediacampus frankfurt besuchen.
  • Der Gewinner erhält eine Eintrittskarte für die future!publish 2019, inklusive Anreise und Hotelunterkunft.
  • Neben einem E-Paper-Jahresabo des Börsenblatts winkt dem Sieger oder der Siegerin außerdem ein Glaspokal als Trophäe.

Hier gibt es mehr Informationen zum Börsenblatt Young Excellence Award und den bisherigen Peisträgern und Nominierten.