Börsenverein mahnt Verbesserungen an

Rechtsausschuss des EU-Parlaments votiert für Verlegerbeteiligung

22. Juni 2018
Redaktion Börsenblatt
Die Chancen, dass Verlage künftig wieder an Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften beteiligt werden können, sind nach einem positiven Votum des Rechtsausschusses des EU-Parlaments (JURI) gestiegen. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, sieht aber noch Handlungsbedarf.      

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) hat eine Kompromissfassung des Artikels 12 der geplanten Urheberrechts-Richtlinie für den digitalen Binnenmarkt angenommen, in der die Beteiligung von Verlagen an Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften (in Deutschland insbesondere der VG Wort) wieder ermöglicht werden soll. Die jetzige Fassung enthält eine Stichtagsregelung, nach der nur Länder zur Verlegerbeteiligung zurückkehren dürfen, die diese schon vor dem November 2015 gesetzlich geregelt hatten. Im November 2015 hatte der Europäische Gerichtshof im sogenannten Reprobel-Verfahren entschieden, dass Verlage nicht länger an Beteiligungen von Verwertungsgesellschaften beteiligt werden dürfen.

"Wasserdichte Rechtsgrundlage"

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, begrüßt zwar, dass "das Ergebnis des Rechtsausschusses bei den für die Buchbranche zentralen Themen in die richtige Richtung" weise, sieht aber "an einigen wichtigen Stellen noch Verbesserungsbedarf". "Insbesondere bei der Verlegerbeteiligung fordern wir eine noch klarere Formulierung im Gesetzestext, die eine wasserdichte Rechtsgrundlage für die Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften bietet. Es ist jetzt entscheidend, dass das Parlament zügig die nächsten Schritte im Gesetzgebungsprozess einleitet. Dort werden wir die Anliegen der Branche noch einmal intensiv einbringen."

Noch ist der Willensbildungsprozesse der europäischen Gesetzgebungsgremien aber nicht abgeschlossen. Der JURI-Bericht soll zunächst voraussichtlich am 3. Juli im Plenum des EU-Parlaments erörtert werden, bevor die in ihm enthaltenen Regelungen (auch zu Art. 12) im sogenannten Trilog (Abstimmung zwischen EU-Parlament und EU-Rat, moderiert von der EU-Kommission) ihre endgültige Fassung erhalten.

"Panikmache von Netzaktivisten"

Das Risiko, dass eine starke Gruppierung um die EU-Parlamentsabgeordnete Julia Reda das Kompromissvotum des Rechtsausschusses (und damit auch das Verhandlungsmandat für MdEP Axel Voss) im Plenum zu Fall bringt, ist allerdings nicht gering. "Leider gibt es derzeit Kräfte, die aufgrund einzelner Punkte den ganzen Bericht des Rechtsausschusses in Frage stellen", gibt Jessica Sänger, Direktorin für europäische und internationale Angelegenheiten des Börsenvereins, zu bedenken. "Dabei geht es gar nicht um die die Buchbranche betreffenden Themen, aber die Folge wäre, dass alle Punkte noch einmal neu im Plenum verhandelt werden müssten. Das könnte die Richtlinie grundsätzlich in Gefahr bringen. Spätestens nach der Sommerpause müssen Parlament, Rat und Kommission mit ihren gemeinsamen Beratungen, dem sogenannten Trilog, beginnen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Richtlinie noch in dieser Legislaturperiode überhaupt zum Erfolg geführt werden kann. Entscheidend ist, dass die Europa-Abgeordneten nicht auf die Panikmache der Netzaktivisten hereinfallen. Dass das Internet zensiert werden solle, ist ein Mythos."

Reda hat sich gegen die ebenfalls angenommenen Bestimmungen zum Presseverleger-Leistungsschutzrecht (Art. 11) und zur Plattformregulierung (Art. 13; Stichwort: "Upload-Filter") ausgesprochen und die Gegnerschaft im Parlament mobilisiert.

Bereichsausnahme für Bildungsmedien

Für die Anbieter von Bildungsmedien ist die ebenfalls vom JURI verabschiedete Regelung in Art. 4.2 Richtlinien-Entwurf (Veranschaulichung im Unterricht) relevant: Sie erhält den Mitgliedsstaaten der EU die Möglichkeit, eine Bereichsausnahme für bestimmte Werktypen, darunter auch Schulbücher, einzuführen. "Bereichsausnahme" bedeutet, dass Schulbücher von der Schrankenregelung ausgenommen bleiben – also nicht kostenlos zu Lehrzwecken vervielfältigt und elektronisch verfügbar gemacht werden dürfen. Diese Bereichsausnahme ist im Zuge der Kompromissfindung wieder in den Regelungsvorschlag hineinverhandelt worden; eine frühere Fassung sah eine solche Ausnahme von der Schrankenregelung nicht vor.

Hintergrund

Der Bundesgerichtshof hatte die jahrzehntelange Praxis der VG Wort, Verleger an den Ausschüttungen zu beteiligen, am 21. April 2016 für rechtswidrig erklärt. Für diese Entscheidung war auch das HP / Reprobel-Urteil des EuGH maßgeblich. Seitdem gibt es im deutschen Recht keine gesetzliche Regelung, die eine automatische Beteiligung an Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften vorsieht. Nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) ist es lediglich möglich, dass Autoren auf freiwilliger Basis von ihren Ausschüttungserlösen einen definierten Anteil an Verleger abtreten.

Am 5. Juni veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss, mit dem es die Verfassungsbeschwerde des Verlags C.H. Beck gegen das BGH-Urteil zum Verlegeranteil nicht zur Entscheidung annahm. Der Börsenverein hatte dazu erklärt, dass "jetzt die Politik am Zuge" sei.