Es könnte demnächst recht voll werden in den Morgenkonferenzen beim »Handelsblatt«. Denn jeder Teilnehmer der neu gegründeten Handelsblatt-Akademie für moderne Kommunikation darf mal im Newsroom vorbeischauen. »Spüren Sie den Puls unserer Topjournalisten!«, schreibt die Handelsblatt Media Group (HMG) in ihrem Programm (https://akademie.handelsblatt.com).
Rund 40 verschiedene Seminare, die meisten ein- oder zweitägig, sieht das Curriculum für dieses Jahr vor, im nächsten sollen es mehr werden. Das Konzept ist naheliegend, weil die Ressourcen zum großen Teil vorhanden sind: Man nehme Dozenten aus dem Kreis der HMG-Familie – ehemalige Redakteure und Chefredakteure oder den Hausjustiziar, dazu freie Journalisten, Berater und Trainer. Man lasse sie über ihr Tagesgeschäft sprechen: über schriftliche, visuelle, mündliche und digitale Kommunikation, über Kundenmagazine, Unternehmensvideos oder Presserecht. Man ergänze das Ganze mit einem ausgiebigen Einblick in das neue Düsseldorfer Verlagsgebäude, inklusive Mittagessen in der Kantine. Und fertig ist ein Angebot, das nicht nur »wirtschaftlichen Sachverstand verbreiten« soll, wie es in der Pressemitteilung heißt, sondern im Idealfall auch Leser bindet – und ordentliche Gewinne bringt (die Seminarpreise liegen zwischen 600 und 1200 Euro).
Mehrwert Journalist Der Verkauf des eigenen Tafelsilbers – der journalistischen Expertise – über Vorträge, Analysen oder Medientrainings ist ein Trend, dem viele Verlage folgen, von der »Süddeutschen Zeitung« mit ihrer Tochteragentur SZ Scala über die »FAZ« mit dem FAZ-Institut und der Impulse-Akademie für Mittelständler bis hin zu regionalen Häusern (Beispiel Schwäbisch Media Akademie).
Doch brauchen Unternehmen die Wissensvermittlung durch Journalisten überhaupt? Seminarangebote gibt es zuhauf, etwa bei Kammern und Branchenverbänden. Wer es sich leisten kann, engagiert eine Agentur oder einen freien Coach. Größere Unternehmen und Konzerne haben ihre Fortbildungen meist ohnehin über feste Trainingseinheiten oder interne Einrichtungen strukturiert.
Andreas Bachmeier, Unternehmensberater
Andreas Bachmeier, Vorstand der Unternehmensberatung Engel & Zimmermann in Gauting, sieht das Bewusstsein für thematische Kommunikation trotzdem noch nicht genug in der Wirtschaft verankert. Vor allem der Mittelstand habe Nachholbedarf. »In Zeiten, in denen die Gesellschaft immer höhere Maßstäbe an Unternehmen anlegt, zum Beispiel beim Thema Nachhaltigkeit, ist es absolut notwendig, dass beide Seiten synchron laufen. Außerdem kann es wettbewerbsentscheidend sein, aus dem Unternehmen heraus aktiv Themen zu generieren, die redaktionellen Ansprüchen genügen. Gerade in den sozialen Netzwerken wird dies immer wichtiger.«
Mario Müller-Dofel kümmert sich gemeinsam mit Peter Brors, dem stellvertretenden Chefredakteur des »Handelsblatts«, um die Organisation der Handelsblatt-Akademie. Er denkt bei der Zielgruppe zunächst an Unternehmen aus der Region. »Der Wirtschaftsstandort NRW bietet sehr viele potenzielle Kunden«, sagt er. Für den Anfang.
Marcus Schuster