Gastspiel von Jochen Jung

Funken der Begeisterung

21. Juni 2018
Redaktion Börsenblatt
Die Vertreter reisen wieder. Verleger Jochen Jung über letzte Übungen vor dem Aufbruch, aufsteigende Sympathiegefühle, schwierige Autorenfotos und Überzeugungspraktiken zwischen Predigt, Witz und Flehen.

Es ist wieder so weit: Die Vertreter haben ihre Koffer gepackt, im Auto die Bücherschachteln sinnvoll gestapelt und sich auf den Weg gemacht. Der eine und die andere rekapitulieren noch einmal das neue VLB-TIX-System, bei dem sie am Anfang gehofft hatten, sie kämen auch ohne durch; die noch nicht gelesenen Fahnen werden noch einmal durchgeblättert, mit den Vertretersitzungsnotizen und den Vorschautexten abgeglichen ebenso wie mit den Verkaufszahlen der vergangenen Jahre. Mit dem letzten Schluck Kaffee oder Tee räumt man auch wieder einmal die ewigen Zweifel an der Sinnhaftigkeit des eigenen Berufs beiseite, ruft sich die Buchhändlerinnen der ersten bevorstehenden Besuche in Erinnerung und spürt die Sympathiegefühle aufsteigen.

Damit ist weniger die Vorfreude auf eine liebenswürdige Dame gemeint als vielmehr eine emotionale Mischung, die zum einen aus der Gewissheit besteht, gute, verkaufbare Programme der richtigen Verlage bei sich zu haben (also jener, auf die der Buchhandel wartet und denen man zutraut, dass sie die weniger geliebten, aber auch guten mittragen helfen; ganz abgesehen davon, dass man nicht nur weiß, was man von Fall zu Fall sagen will, sondern auch, wovon man besser gar nicht erst anfangen wird). Im Übrigen kennt man ja seine Pappenheimer, Stadtmusikanten und Selbstverliebten ebenso gut wie den eigenen Charme.

Beim Frühstück blättert man noch einmal in den Vorschauen und bleibt dabei bei einigen Autorenfotos hängen, die die Arbeit nicht leichter machen werden, und fragt sich zum wievielten Mal, was diese Fotos eigentlich sollen, außer die Eitelkeit der Autoren zu befriedigen: ein angestrengtes oder unglaubwürdig übertriebenes sogenanntes Lächeln nach dem anderen, das weder neugierig noch begeistert stimmt und über den Charakter und die Anziehung des Buchs jedenfalls weniger sagt, als Fotograf und Halbstar sich beim Fotografieren gedacht haben mögen. Und überdies, mit Verlaub: Es gibt nun einmal Menschen, deren Antlitz einen nicht entzückt; die Welt ist eben ungerecht.
Aber als geschulte Vertreterin oder Vertreter bleibt einem  immer noch das von souveräner Begeisterung angestiftete Überzeugungsgespräch. Schließlich hatte man sich ja vor Jahren nicht von ungefähr zum Beruf des Predigers guter Bücher entschlossen. Man weiß doch, dass es immer wieder Bücher gibt, die sich mit keiner Coverschminke aufpäppeln lassen, einfach weil sie Zeit brauchen, sich zu entfalten (Gedichte zum Beispiel, wie ja auch so mancher gute Wein). Also muss sich der Vertreter in das Zeug legen, mit dem er nun schon so manches uncharmante Buch einer charmanten Buchhändlerin auf die Einkaufsliste schieben konnte, wobei der eine es eher pastoral anlegt und der andere mit Witz und Flehen.

Dabei spüren die beiden Gegenüber im Ungewissen der Zukunft (und der Kundschaft) den Funken der Begeisterung über das Zünden guter Geschichten und die Kunst der Vermittlung von Kunst und also den eigenen Beruf und dessen heilige Aufgabe. Beide, die Buchhändlerin und der Vertreter, wissen, dass sie im Buch des Lebens auf der richtigen Seite sind und es mit guten Partnern zu tun haben. So lässt sich glaubhaft gegenseitig Mut machen