Nachwuchsparlament

Mehr als Soll und Haben

12. Juni 2018
von Stefan Hauck
Wo drückt bei Auszubildenden, Volontären, Studierenden der Schuh? Das Nachwuchsparlament gab ihnen heute Morgen Gelegenheit, Schieflagen zu benennen und Anregungen für die Branche zu geben.

Beeindruckend, wo die im vergangenen Jahr gewählten Nachwuchssprecher Cleo Ciba und Philipp Nawroth den Nachwuchs bislang überall vertreten haben, etwa im Berufsbildungsausschuss, in Fachausschüssen, bei der Azubi-Schifffahrt in Köln, in der IG Unabhängiges Sortiment, beim Sales Award. Die beiden möchten künftig gerne über digitale Vernetzungsmöglichkeiten hinausgehen: "Wir wollen gerne ein Austauschprojekt initiieren, wo wir einmal Arbeitsplätze tauschen – denn wir wissen viel zu wenig von der Ausbildungssituation der anderen", begründete Nawroth die Initiative.

Mehr Wertschätzung und Qualitätsstandards

Im Nachwuchsparlament sprachen die rund 100 Teilnehmer im Berliner Ellington Hotel über verschiedene Punkte, die aus ihrer Sicht verändert werden müssten, oder gaben Anregungen. Das Marketing und die Werbung fürs Buch etwa, so stellten sie, richtet sich überwiegend an die über die 30-Jährigen und nicht an die jungen Zielgruppen – "da könnte man deutlich mehr tun, und wer, wenn nicht wir, kennt sich denn mit den jungen Zielgruppen aus?", formulierte eine Parlamentarierin. Folglich sollte der Nachwuchs in diesem Bereich viel stärker eingebunden werden.

Als "bedenklich" empfanden die Sortimenterazubis, dass im Rahmenlehrplan das Buchen herausgefallen ist – "es ist doch auch eine kaufmännische Ausbildung, und wie soll ich mal meine eigene Buchhaltung eröffnen, wenn ich die Grundlagen von Soll und Haben nicht vermittelt bekomme?" Hier will die AG Nachwuchsgewinnung gemeinsam mit der IG Unabhängiges Sortiment freiwillige Qualitätsstandards für die Buchhandlungen setzen; das Projekt wurde vom Nachwuchsparlament ausdrücklich begrüßt.

Bezüglich der Ausbildungsqualität wurde das Gütesiegel der Jungen Verlagsmenschen als gute Orientierung hervorgehoben; es gebe Verlage wie Ravensburger, die zeigten, dass Volontäre wertgeschätzt und gut ausgebildet würden. Bemängelt wurde, dass nicht wenige Verlage häufig für Juniorstellen nur Bewerber mit Hochschulabschluss suchten: "Da fragt man sich, warum man eine Ausbildung zur Medienkauffrau gemacht hat", so eine Parlamentarierin. Dazu komme, dass viele Volontäre aus Kostenersparnisgründen auf Juniorstellen säßen; hier stelle sich doch die Frage, für welches Ziel die Branche ausbilde.

Ebenso stellten die Nachwuchsparlamentarier fest, dass Auszubildende eher selten übernommen würden. Genauso gebe es aber auch viele Auszubildende, die gar nicht übernommen werden wollten, sondern nach der Ausbildung erst einmal studieren wollten, meinte Philipp Nawroth.

Ein weiterer Punkt, der beklagt wurde, war, dass es flächendeckend zu wenig Buchhändlerfachklassen gibt: Hier möchte auch die AG Nachwuchsgewinnung ansetzen: "Je mehr Auszubildende, desto größer die Chance, dass es auch wieder mehr Fachklassen geben kann", so Cleo Ciba, die die Parlamentarier wiederholt aufforderte, sich zu AGs zusammenzuschließen.

Wiederholt sprachen die Auszubildenden mangelnde Wertschätzung an, auch dass ihr bereits vorhandenes Wissen weder geschätzt noch abgerufen werde. Sätze wie "Ich fühle mich in meiner Filiale gar nicht als Buchhändler, sondern nur als Verkäufer", oder "Uns wird vermittelt, dass wir nach drei Jahren ja sowieso weg und jederzeit ersetzbar sind – so eine spürbar geringe Wertschätzung ist einfach keine gute Grundlage für eine Ausbildung" zeugten von diesem Gefühl. Um sich besser zu verständigen, regten die Nachwuchssprecher an, die Azubis in benachbarten Buchhandlungen zu vernetzen, um sich zu treffen und auch gemeinsame Projekte zu gestalten.

Austausch in AGs und Workshops

Einige AGs hatten in den letzten zwölf Monaten an bestimmten Themen gearbeitet und auch am gestrigen Montag Workshops angeboten:

  • Die AG Social Media (deren Mitglieder eine kleine Checkliste für Buchhandlungen entwickeln wollen, wie sie sich online aufstellen können) hatte im Workshop an einer Online-Marketingidee für ein Buchprojekt gearbeitet.
  • Die AG E-Book, die sich unterjährig über digitale Geschäftsmodelle in Skype-Gesprächen ausgetauscht hatte, befasste sich mit dem digitalen Vertrieb. Eine Erkenntnis dabei: Klassische Literatur verkaufe sich digital nicht so gut.
  • Die AG Nachwuchsgewinnung, die Qualitätsstandards in der buchhändlerischen Ausbildung setzen will, hat in einem Workshop der „Gründer von Morgen“ in Kleingruppen Ideen gesammelt und ein Video gedreht. Ein heute Morgen in Berlin formuliertes Ziel: sich Gedanken darüber zu machen, wie die Auszubildenden und Volontäre als Botschafter für die Buchbranche auftreten können.
  • Im Workshop Next Level Innovation hatten die Teilnehmer gelernt, wie man ein bestimmtes Problem im Unternehmen angehen kann.
  • Ein Workshop zum Thema Debattieren gab anhand eines Leitfadens für eine gute Rede Tipps, worauf man bei Diskussionen achten solle.