André Jünger über Interessenpotenziale

Der Neukunde im Stammkunden

24. Mai 2018
Redaktion Börsenblatt
Den Blick der Buchhändler auf weitere Wünsche eines Käufers zu schärfen – davon profitieren Buchhandel und Verlag. Meint André Jünger.

Neulich hörte ich zu, wie jemand einem Branchenfremden unser Geschäft erklärte: "Verlage produzieren Bücher, und Buchhandlungen verkaufen sie dann." Ich glaube, diese Beschreibung war noch nie so falsch wie heute.

Indem sie die Sphären unserer Branche inhaltlich trennt und dann in ein zeitliches Nacheinander sortiert, postuliert sie das Gegenteil dessen, was aus meiner Sicht heute Erfolg verspricht: die intelligente, weil flexibel organisierte Bündelung unserer Energien hin auf das gemeinsame Ziel, Kunden in Buchhandlungen und zu Büchern zu bewegen. Wir werden im Kampf um Aufmerksamkeit, Zeit und Budgets nur bestehen, wenn wir ihn gemeinsam aufnehmen. Wenn es uns in Teamwork gelingt, für Buchhandelskunden echte Mehrwerte zu schaffen. Jeden Tag aufs Neue.

Das heißt für uns als Verlag: Richtig erfolgreich sind wir erst, wenn Buchhändlerinnen zu Botschaftern unserer Produkte werden können, weil wir sie optimal unterstützt haben – und zwar in jeder Form und zu jedem Zeitpunkt, die für den Verkaufserfolg wichtig sind.

Dass Verlage Aktionspakete, Werbemittel und Give-aways anbieten, ist das eine. Mindestens so wichtig sind aber auch Formate, mit denen sie inhaltliche Expertise in den Handel tragen, etwa Inhouse-Workshops mit Verlagsteams oder Autorenveranstaltungen. An solchen Abenden wird die Buchhandlung selbst zum Erlebnis, und Erlebnisse binden nicht nur die Stammkundschaft, sondern ermöglichen auch Begegnungen mit neuen Zielgruppen – etwa wenn Buchhandlungen bekannte YouTuber oder einen unserer Coaches zu Gast haben.

Wobei ich mir gleich selbst widersprechen muss: Denn Buchhandlungen machen gerade bei ihren ersten Veranstaltungen mit uns die Erfahrung, dass sie nicht nur "echte" Neukunden ansprechen, sondern gerade auch die neuen in den bestehenden. Sie erleben nämlich, wie sich "ihre" Krimileserinnen oder Kochbuchliebhaber als zahlungskräftige Kunden auch für Coachingliteratur oder Bücher zum Zeitmanagement entpuppen.

Diese Erfahrung war denn auch ein Impuls für die Handelskampagne, die wir gemeinsam mit der Agentur Literaturtest entwickelt haben. Nach dem Motto "Aus eins mach zwei" möchten wir unseren Kunden (und damit natürlich auch uns) zu mehr Umsatz verhelfen, indem wir sie dabei unterstützen, die neuen Kunden in denen zu entdecken, die sie und ihr Geschäft bereits kennen. Denn diese sind ja praktisch alle berufstätig oder auf Jobsuche, studieren oder möchten sich irgendwie anders organisieren – stellen sich also Fragen, die unsere Bücher beantworten.

Wir, Verlage und Buchhandlungen, gelten als "Kreativbranche". Lassen Sie uns gerade im gemeinsamen Marketing den Beweis dafür antreten, dass diese Bezeichnung zutrifft. Ich persönlich habe noch einen weiteren Ehrgeiz. Ich möchte einen Satz widerlegen, der mir einmal in einer Buchhandlung "widerfuhr": "Aber Herr Jünger, wir haben doch gar keine ­Gabal-Kunden!"

Dass dieser Satz grundfalsch ist, steht für mich außer Frage. Und zwar nicht nur im Hinblick auf unser Programm, sondern ganz generell bei dem Gedanken daran, wie viele Kunden und Interessen wir Verlage gemeinsam mit unseren Partnern im Handel entdecken können – und sollten.